Im Verkehrsdezernat der Stadt Leipzig freut man sich sogar, wenn Stadtbezirksbeiräte nicht nur die Verkehrsprobleme im eigenen Stadtteil besprechen, sondern sich auch Gedanken über mögliche Lösungen machen. So, wie es der SBB Ost jetzt zu den Stellplatzproblemen in Anger-Crottendorf gemacht hat. Aber in der Schaffung von Superblocks wird die Lösung wohl nicht liegen, wenn zu viele Haushalte in engen Wohnquartieren unbedingt ein Auto vor der Tür stehen haben wollen.
Vorgeschlagen hatte der Stadtbezirksbeirat Ost die Ausweisung von Einbahnstraßen, eine Diagonalsperre an der Neumannstraße/Stünzer Straße und eine Parkordnung im „Superblock Anger-Crottendorf“ genannten Bereich zwischen Friedrich-Dittes-, Gregor-Fuchs-, Sellerhäuser- und Theodor-Neubauer-Straße.
Auch der Leipziger Ökolöwe bewirbt Diagonalsperren und Superblocks nach dem Vorbild von Barcelona. Sie sollen vor allem die Aufenthaltsqualität in den von Autos befreiten Straßen erhöhen.
Aber dazu braucht es eine abgestimmte Verkehrspolitik in der Stadt und den Willen der Verwaltung, eine Stadt vom Zentrum her vom wilden Autoverkehr zu befreien. Was in Spanien augenscheinlich auf deutlich mehr Zuspruch trifft als in Deutschland. Denn Spanier wissen Straßen, auf denen man wieder sitzen, laufen, spielen kann und Fußgänger ungeschoren von Geschäft zu Geschäft kommen, wohl zu schätzen.
Allein zur Bändigung des Auto-Wildwuchses eignet sich das Mittel aber nicht.
Auch wenn das Verkehrsdezernat dem Stadtbezirksbeirat zugesteht, dass die viel zu vielen Autos in Anger-Crottendorf ein Problem sind.
Den Durchgangsverkehr würde man mit den vorgeschlagenen Mitteln freilich nicht mindern, da es kaum solchen in diesem Wohnquartier gibt, stellt das Dezernat fest. Fast der gesamte Verkehr wird durch die autofahrenden Anwohner selbst verursacht. Genauso, wie die oft StVO-widrig geparkten Automobile nun einmal die der hier Wohnenden sind. Mit der Einführung von Superblocks würden sie ja trotzdem da stehen und die Straßen zuparken.
„Aufgrund der dichten und mehrgeschossigen Wohnbebauung und der meist schmalen Straßenquerschnitte ist der Parkdruck im Wohngebiet hoch und es wurde und wird regelmäßig ordnungswidrig auf Gehwegen, vor Bordabsenkungen und im 5m-Bereich geparkt“, bestätigt das Verkehrsdezernat die Sichtweise des Stadtbezirksbeirates.
„Somit ist grundsätzlich der Wunsch nach einer Verbesserung der Parksituation im Gebiet nachvollziehbar. Der hohe Parkdruck wird aber nach Einschätzung der Verwaltung in erster Linie von den Anwohnern selbst verursacht, Fremdparker gibt es – außer in Zusammenhang mit den o. g. Einrichtungen – kaum.“
Die in der Vorlage genannten Einrichtungen sind: Schulstandorte in der Grünen Gasse, Friedrich-Dittes-Straße (Förderschule) und Kindertagesstätten in der Theodor-Neubauer-Straße und Roßbachstraße.
„Die Erschließung von Parkmöglichkeiten mit Mitteln der Verkehrsorganisation sind im gesamten Gebiet ausgeschöpft, die vorgeschlagenen Regelungen würden weder zusätzliche Parkmöglichkeiten schaffen, noch den im Gebiet selbst vorhandenen Bedarf reduzieren“, zieht das Verkehrsdezernat die eigentlich frustrierende Bilanz.
Aber auch in Anger-Crottendorf gibt es inzwischen viel zu viele Autos, für die es eigentlich keine verfügbaren Stellplätze gibt. Auch dieses Quartier ist nicht für Autos gebaut worden. Auf 7.127 Haushalte kamen hier auch schon 2017 fast 3.800 Kraftfahrzeuge, davon 3.450 Pkw.
Die haben vor den Mehrfamilienhäusern eigentlich keinen Platz. Ergebnis – wie in so ziemlich allen innerstädtischen Wohnquartieren: Falschparken mit System.
Oder mit den Worten des Verkehrsdezernats: „Halten und Parken ist nach den Vorschriften zur StVO für die (nicht nur) in diesem Gebiet vorzufindenden Situationen allgemein geregelt. Danach ist nach § 12 Absatz 1 Satz 1 StVO das Halten an engen und unübersichtlichen Stellen unzulässig. Eng in diesem Sinne ist eine Fahrbahn, wenn abzüglich am Fahrbahnrand geparkter Fahrzeuge eine Restfahrbahnbreite von mindestens 3,05 Meter nicht verbleibt.
Daraus ergibt sich nach StVO automatisch Halteverbot. So darf in der Neumannstraße aufgrund der Fahrbahnbreite nur einseitig gehalten/ geparkt werden. Das Parken auf Gehwegen verbietet sich nach § 12 Abs. 4 StVO. Die Durchsetzung der bestehenden Verkehrsvorschriften kann nur mittels entsprechender Kontrollen und Ahndung von Parkverstößen erfolgen, denen jedoch auch Grenzen der vorhandenen Kapazitäten und der Notwendigkeit stadtweiter Kontrolltätigkeit gesetzt sind.“
Womit auch endlich einmal deutlich gesagt ist, warum die Leipziger Ordnungsamtmitarbeiter nicht permanent überall im Stadtgebiet falsch geparkte Autos abschleppen lassen: Sie sind einfach zu wenige im Verhältnis zu einer regelrechten Lawine von privaten Autos, die sich mit dem Bevölkerungswachstum rasant vermehrt haben und im öffentlichen Straßenraum stehen.
Leipzig hat den Scheidepunkt, an dem es den Ausbau des Umweltverbundes (vor allem sichere Radwege und Straßenbahnverbindungen) hätte in Angriff nehmen müssen, gnadenlos verpasst. Der war nämlich vor acht Jahren ziemlich genau terminiert. Das sind die acht verlorenen Jahre, die bei aller Kraftanstrengung nicht mehr aufgeholt werden können. Denn lösen kann man die Parkplatzprobleme tatsächlich nur, indem man die Stadtteilbewohner dazu bringt, konsequent auf den Umweltverbund umzusteigen.
Und wie es aussieht, wird der Stadt gar nichts anderes übrig bleiben, als nach dem Vorbild des Waldstraßenviertels ein Wohnquartier nach dem anderen einem bezahlten Parkregime zu unterwerfen: kein Parkplatz mehr ohne Anwohnerparkausweis.
Stadtbezirksbeirat Ost beantragt die Schaffung eines „Superblocks“ in Anger-Crottendorf
Stadtbezirksbeirat Ost beantragt die Schaffung eines „Superblocks“ in Anger-Crottendorf
Leipziger Zeitung Nr. 85: Leben unter Corona-Bedingungen und die sehr philosophische Frage der Freiheit
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Es gibt 5 Kommentare
@Christian
Eine Regulierung hat Ralf Julke ja schon angesprochen: das Anwohnerparken. Da scheitert es aber an gleich zwei Hürden. Im Waldstraßenviertel konkurieren Wohn- und Gewerbeverkehre miteinander. Dort darf es ein Bewohnerparken geben. Da Anger-Crottendorf aber zwei Schlafdörfer sind (“hier kommste nur zum pennen”), fällt diese Möglichkeit aus. Und die zweite Hürde sitzt in Berlin im Verkehrsministerium. Dort könnte er ja ein Gesetz erlassen, welches ein generelles Anwohnerparken möglich macht. Aber…achwassolls.
Die L-IZ weiss: https://www.l-iz.de/politik/brennpunkt/2019/06/Ein-Parkraumkonzept-wuerde-das-Parkchaos-in-Stoetteritz-wohl-nicht-loesen-281927
Das blaue Gespann und die grüne Zugmachine haben schon Knöllchen bekommen. Das bezahlt dann wahrscheinlich die Firma, weil es für die preiswerter kommt, wenn Herr G. gleich Montag sehr früh beladen auf die Baustelle fahren kann. Würde der LKW im Industriegebiet parken, wäre der wahrscheinlich jedesmal leer geräumt.
Die Transporter sind meist Paket(Kurier)fahrer, die häufig migrantisch, unter präkeren Bedingungen arbeiten und im Viertel wohnen.
Für mich ist wichtig, den Autofahrenden klarzumachen, dass es die Autofahrenden sind, die ihnen den Parkplatz wegnehmen. Nicht Zufußgehende, Radfahrende, etc, sondern auch die, die einmal in der Woche ins Kaufland rollen und die Karre dann die ganze Restwoche auf der Straße steht. Dazu gibts bei FB vom Bürgerverein ein schönes Video.
@EarlGrey
Die Sache mit den Transportern und ggf. LKW nervt mich besonders.
Gewerbe hin oder her: es sollte nicht sein, dass der wenige Platz in der Stadt auch noch von Gewerbefahrzeugen zugemüllt wird.
Der “normale Bürger” reduziert sich und die Wirtschaft assimiliert den frei werdenden Platz?
Hier bedarf es klaren Regularien.
Übertrieben veranschaulicht:
Ich kann keine Spedition in der Stadt betreiben und die Fahrzeuge vor den Toren der Firma parken.
Wer kann hört Herrn Professor Knoflacher aus Wien in diesem Vortrag und der anschließenden Diskussion aufmerksam zu (https://www.facebook.com/1440855006149069/videos/768090250716649). Hinweisen will ich insbesondere auf die Passage ab Minute 54:45.
Die Antwort auf die Frage, in welcher Stadt eine besonders Umweltverbundfördernde Infrastruktur vorhanden ist und wie diese zu Stande kam, ist sehr aufschlußreich.
Man überlege dann selber nach diesen sehr aufschlussreichen 5 Minuten – der entscheidenede Satz fällt ab 56:55 – , wo in Leipzig die Nullen und wo die Einsen sitzen. Aber leider – so das Fazit Knoflachers – reicht eine NULL (in der Verwaltung) aus, damit nichts vorangeht.
Lasst uns einfach das VTA und das Ordnungsamt in Leipzig auflösen!
Oh je, Ämter-Irrsinn, da wird von links nach rechts geschoben und alle heben dann gleichzeitig die Hände.
Die “Mitarbeiterinnen des Ordnunsgamtes” haben im Jahr 2019 doch ganze 28 Ordnungswidrigkeitgen in der Neumannstraße festgestellt (https://ratsinfo.leipzig.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1015494). In einer Straße, in der jederzeit 80 Fahrzeuge auf den Gehwegen stehen und der Restgehweg eine Handtuchbreite hat. Die “Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes” vor Ort berufen sich dann auf “Oben”, von wo eine Duldung dieser Umstände angezeigt ist. Heiko Rosenthal (s. Vorlage oben) spricht zwar: “Es gibt keine Duldung im Unrecht.” Helmut Loris schreibt dann aber etwas von “Entschliessungsermessen” und “Auswahlermessen.” Und damit wird weiter auf den Gehwegen geparkt.
Nein, Herr @Julke, es braucht nicht mehr Ordnungsamtsmitarbeitende. Es braucht endlich welche, die ihre Pflicht tun! Und wenn es da Rückendeckung “von oben” braucht, dann braucht es eben ein neues “oben”. Dieses Ordnungsamt braucht niemand.
Refund Ordnungsamt!
Noch besser als die Antwort des VTAs hier ist die Antwort auf die Vorkommnisse in der Krochsiedlung (https://ratsinfo.leipzig.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1017906): “Die Probleme im gesamten Viertel sind schon lange bekannt, ebenso lange wird an einer Lösung gearbeitet.” Wird es nicht!
Warum das VTA in Anger-Crottendorf nicht mal ein paar Schilder (absolutes Haltverbot) aufstellt (wie in der Krochsieldung), damit es Rechtssicherheit für das Ordnungsamt gibt welche Straßenseite beparkt werden soll, erschliesst sich niemandem.
@Christian: Die LKW gehören Anwohnenden, die parken dann zudem auch noch mit ihren Privat-PKW im Viertel. Das gleiche gilt für eine Anzahl von Transporter-Fahrenden.
Der Stadtbezirksbeirat-Ost wird nach diesem Verwaltungsstandpunkt hier einen neuen Antrag stellen. Der Bürgerverein Anger-Crottendorf (findet sich im Web und bei Facebook) ist in dieser Sache auch sehr umtriebig.
Also EINSPRUCH gegen die Sicht und Unterstützung der Verwaltung!
Der Vorschlag des SBB Ost zielt auf StVO-gemäßes Parken (gegen Wildwuchs) und gegen den Durchgangsverkehr.
Wenn die Verwaltung meint, es gäbe keinen Durchgangsverkehr, oder Verkehr wird generell fast nur von Anwohnern erzeugt, liegt sie falsch!
Die Diagonalsperren sind ganz gewiss kein Superwunsch der dortigen Bürger – behindern sie ja auch den innerbezirklichen Verkehr. Wegen der vielen externen Schleichfahrten ist diese Variante aufgenommen worden. Ich fahre dort regelmäßig Rad und staune, wieviel “Anwohner” aus manchen Straßen kommen. Da müsste jeder Bürger 5mal am Tag mit seinem Auto unterwegs sein.
Parkplätze gibt es dadurch nicht mehr, aber man wird gezwungen so zu parken, dass auch Rettungsfahrzeuge passieren können.
Fremdparker gibt es wohl: Beobachten sie mal den Platz vor der ehemaligen Feuerwache. Da stehen Sattelauflieger: von welchen Bürgern sollen diese sein?
Oder die vielen Transporter in den Straßen; das sind bestimmt keine Familienautos.
Die zu Recht angesprochene und fehlende ÖPNV-Anbindung von Anger-Crottendorf ist zwar nun endlich fixiert, aber davon zu sehen ist noch nichts!
Also bitte nicht wundern, wenn der gewöhnte Bürger weiter mit dem Auto unterwegs ist.