Am 29. April schon hat der Leipziger Stadtrat die Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gebiet „Semmelweisstraße/An den Tierkliniken“ beschlossen. Was den meisten Leipzigern nichts sagen wird. Wenn aber das Stichwort Kohlrabizirkus fällt, weiß jeder, worum es geht. Das Gebiet soll entwickelt werden. Gewerbe und kulturelle Nutzung sollen hier dauerhaft etabliert werden. Aber zwei wichtige Punkte fehlten aus Sicht der Grünen-Fraktion noch. Die wurden am 12. November nun nachträglich beschlossen.

Das erste war die Begrünung des Geländes – verbunden mit einer richtigen Bürgerbeteiligung im Verfahren zum Planbeschluss.

„Für das Plangebiet ist ein Frei- und Grünraumkonzept insbesondere mit Quartiersplätzen, Durchwegungen für den Fußgänger- und Radverkehr und straßenraumbildenden Baumpflanzungen zu erarbeiten. Eine Bürger- und Akteursbeteiligung ist durchzuführen. Das Frei- und Grünraumkonzept ist dem Stadtrat zur Entscheidung vorzulegen. Das Vorhaben ,Brücke Steinstraße‘ ist im Rahmen der Erarbeitung des Frei- und Grünraumkonzeptes aufgrund seiner überörtlichen Bedeutung besonders mit zu betrachten und zu berücksichtigen.“

Das Ansinnen habe man so schon berücksichtigt, hatte das Dezernat Stadtentwicklung und Bau in seiner Stellungnahme zum Grünen-Antrag betont.

Da musste Fraktionsvorsitzender Tobias Peter gar keine großen Worte mehr machen, der anstelle des erkrankten Tim Elschner beide Anträge anmoderierte.

Die Begründung der Grünen: „Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßt, dass ein Frei- und Grünraumkonzept für das Plangebiet insbesondere mit Quartiersplätzen, Durchwegungen und straßenraumbildenden Baumpflanzungen zur Steigerung der Aufenthaltsqualität von Fußgängern und Radfahrern erarbeitet werden soll. Grundlage der Konzepterarbeitung soll jedoch unter anderem eine Bürger- und Akteursbeteiligung sein.

Ein Beteiligungskonzept ist dem Gremium Bürgerbeteiligung und bürgerschaftliches Engagement vorab vorzulegen. Der Entwurf des Frei- und Grünraumkonzeptes ist dem Stadtrat zur Entscheidung vorzulegen. Das Konzept soll Maßnahmen benennen, außerdem auch zeitliche Aussagen zur Umsetzung sowie Aussagen zu notwendigen personellen wie finanziellen Ressourcen enthalten.

Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ist zudem der Auffassung, dass das Vorhaben ,Brücke Steinstraße‘ im Rahmen der Erarbeitung des Frei- und Grünraumkonzeptes insbesondere aufgrund seiner überörtlichen Bedeutung besondere Betrachtung und Berücksichtigung finden muss. So zum Beispiel im Rahmen umfassender Erschließungsfragen oder konkurrierender Flächenanforderungen.

Bereits im Jahr 2015 wurde im Rahmen eines Wettbewerbsverfahrens die generelle Lage und Gestaltung der Brücke diskutiert. Im Rahmen einer von uns im Jahr 2017 initiierten Anfrage teilt die Stadtverwaltung unsere Einschätzung, wonach der neue Geh- und Radweg überörtliche Bedeutung habe. Sie hatte explizit die Aufnahme der Planung des Vorhabens ,Brücke Steinstraße‘ in den Nahverkehrsplan des ZVNL gefordert.

Dieser besonderen Bedeutung ist in den weiteren Planungen gerecht zu werden.“

Die Flächennutzung im Plangebiet am Kohlrabizirkus. Karte: Stadt Leipzig
Die Flächennutzung im Plangebiet am Kohlrabizirkus. Karte: Stadt Leipzig

Im zweiten Antrag ging es um die Sicherung der kulturellen und sportlichen Nutzung: „Die aktuellen und mit dem Flächennutzungsplan in Einklang befindlichen Kultur-, Kreativ- und Sportnutzungen sind im Bebauungsplan und ggf. über städtebauliche Verträge rechtssicher und dauerhaft abzusichern.“

Auch hierfür gab es eine zustimmende Stellungnahme aus dem Stadtplanungamt, auch wenn dieses einschränkte: „Das Areal des Kohlrabizirkus ist im wirksamen Flächennutzungsplan als Sonderbaufläche Kultur/Sport ausgewiesen. Im künftigen Bebauungsplan können und werden Einrichtungen und Anlagen für sportliche und kulturelle Zwecke gemäß den Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 BauGB dauerhaft festgesetzt werden. Eine betriebsgenaue Festsetzung der Kultureinrichtungen (IFZ, Destillery, TV-Club u.a.) ist aber planungsrechtlich nicht möglich.“

Aber so hatten es die Grünen auch nicht formuliert. Manchmal verraten sogar die Stellungnahmen aus den Ämtern, wie nervös man dort mittlerweile ist, wenn es um Änderungsanträge aus dem Stadtrat geht. Denn mit dem forcierten Wunsch auf wirkliches Mitgestalten durchbrechen die Ratsfraktionen ja einen über Jahrzehnte angewöhnten Ablauf, in dem die Verwaltung einfach ihr Ding machte und wo sich oft erst hinterher herausstellte, dass man dabei einige wichtige Ziele der Stadtpolitik einfach vergessen hatte.

In der Stellungnahme macht das der fast erschrockene Satz deutlich: „Es handelt es sich um einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan; die Kultur-, Kreativ- und Sportnutzungen sind explizit als Planungsziele benannt.“ Schön in großer blauer Schrift hervorgehoben. Fehlen nur noch die drei Ausrufezeichen.

Dennoch ist man sich bei den Zielen eigentlich mit den Grünen einig, auch wenn der konkrete Wunsch, die jetzigen Nutzungen dort zu sichern, auch aus Sicht der Grünen nicht in einen Bebauungsplan gehört, sondern in städtebauliche Verträge.

So haben sie es in ihrem Antrag auch erklärt: „Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßt, dass mit diesem Bauleitplanverfahren die planerischen Voraussetzungen für die integrierte Entwicklung eines neuen, lebendigen und urbanen Stadtquartiers – als Scharnier zwischen Alter Messe und dem Stadtraum Bayerischer Bahnhof – geschaffen werden sollen. Wir sprechen uns für den Erhalt der Kultureinrichtungen, der vielseitigen Clubkultur, an diesem Standort aus.

Deshalb wollen wir, dass der Stadtrat die Verwaltung auffordert, die aktuellen und mit dem Flächennutzungsplan in Einklang befindlichen Kultur-, Kreativ- und Sportnutzungen im Bebauungsplan und ggf. über städtebauliche Verträge rechtssicher und dauerhaft abzusichern.“

Wie es die Verwaltung macht, liegt jetzt in ihrer Hand. Denn beauftragt ist sie seit Donnerstag, denn beide Anträge der Grünen bekamen eine deutliche Mehrheit von 34:22 Stimmen.

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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