Es ist überall im Leipziger Stadtgebiet dasselbe: Da die regulären Stellplätze am Straßenrand nicht mehr ausreichen, wird wild geparkt. Kreuzungen und Gehwegkaps werden zugestellt, Radwege und Fußwege zugeparkt. Vielleicht lässt das Leipziger Ordnungsamt deshalb so ungern abschleppen: Es müsste jeden Tag tausende Autos aus der Stadt schaffen. Wo findet man einen derart großen Abschleppplatz? Auch Anger-Crottendorf leidet unter der Auto-Flut. Der Stadtbezirksbeirat Ost schlägt jetzt vor: Schafft einen Superblock!

Obwohl es eher kein Superblock ist, wie ihn der Ökolöwe am 28. August nach dem Vorbild von Barcelona zur Einführung in Leipzig vorgeschlagen hat. Denn ein Superblock soll nicht die Parkprobleme lösen, sondern den Durchgangsverkehr komplett aus dem Inneren von Wohnquartieren schaffen, damit endlich wieder Platz ist für Radfahrer/-innen, Fußgänger/-innen und spielende Kinder.

Der „Superblock“ Anger-Crottendorf soll nach Vorstellungen des Stadtbezirksbeirat Ost etwas anders aussehen.

„Der OBM prüft bis zum Jahresende 2020, ob eine Veränderung der Verkehrsführung in Anger-Crottendorf zwischen Friedrich-Dittes-, Gregor-Fuchs-, Sellerhäuser- und Theordor-Neubauer-Straße hin zu einem ,Superblock‘ möglich ist. Sollte das Prüfergebnis positiv ausfallen, stellt die Stadtverwaltung die zu erwartenden Kosten für weitere Planungen und die Ausstattung (Poller, Straßenschilder und -markierungen) in den Doppelhaushalt 2021/2022 ein.“

Und dabei ist der Ärger im Stadtbezirksbeirat Ost über die Wildparker genauso groß wie in den Stadtbezirksbeiräten im Norden oder Westen.

„In Anger-Crottendorf scheint die StVO für eine erhebliche Anzahl an motorisierten Individualisten nicht zu gelten“, schreibt er in seinem Antrag. „Geparkt wird wo gerade Platz ist, obwohl da kein Parkplatz ist. Gehwege sind nicht nutzbar und werden kaputtgeparkt. Fuß- und Radverkehr wird behindert und gefährdet. Ver- und Entsorgungs- sowie Rettungsfahrzeuge bleiben stecken. Das Ordnungsamt wird der Lage nicht Herr. Zudem nutzen MIVler das o.g. Gebiet um abzukürzen (Schleichverkehr).

Statt über die Hauptstraßen mit ihren Lichtzeichenanlagen (Wurzner Straße, Breite Straße, [dann über Geyer- und Kippenbergstraße], Täubchenweg, Zweinaundorfer Straße weiter Richtung Osten) zu fahren, nutzen sie die Wurzner Straße und Wiebelstraße, Grüne Gasse, Gregor-Fuchs-Straße, Neumannstraße, Theodor-Neubauer-Straße, Kohlgartenweg hin zur Zweinaundorfer Straße und belasten damit die Anwohnenden im Viertel zusätzlich erheblich – vor allem im nachmittäglichen Berufsverkehr.“

Den Vorschlag, wie man das Wildparken und den Schleichverkehr in Anger-Crottendorf vielleicht in den Griff bekommen könnte, hat ursprünglich der Bürgerverein Anger-Crottendorf gemacht. Der hatte sich auch auf eine Einwohneranfrage von Marcel Pruß bezogen, der die Situation aus seiner Sicht so schilderte: „Es wird sprichwörtlich jeder Flecken zugeparkt, auf Gehwegen, Ecken, abgesenkten Borden, Grünflächen, Feuerwehrzufahrten – die dazugehörenden Gefahren gibt es gratis dazu. Neu gebaute Gehwege (wurden von allen bezahlt) werden von wenigen wieder kaputtgeparkt. Menschen mit Kinderwagen, Gehwagen, Rollstuhl, können die Gehwege kaum bzw. nicht nutzen, da der verbliebene Weg zu schmal ist. Das Queren der Straßen ist wegen der Enge unübersichtlich und deswegen – vor allem für die kleinen Verkehrsteilnehmenden – besonders gefährlich.“

Das Ordnungssamt kontrolliere durchaus, teilte der zuständige Bürgermeister daraufhin mit. So habe man im Vorjahr allein in der Gregor-Fuchs-Straße 428 Strafzettel verteilt, 719 in der Zweinaundorfer Straße, 241 in der Theodor-Neubauer-Straße, 180 in der Sellerhäuser Straße. Alles nur für Parkverstöße.

„Die Möglichkeiten zur Schaffung legaler Parkmöglichkeiten sind erschöpft“, hatte das Ordnungsdezernat geantwortet. „Die Verkehrsüberwachungsmaßnahmen werden daher im Rahmen der zeitlichen und personellen Ressourcen fortgeführt. Dabei kann sich niemand in Anbetracht der prekären Stellplatzsituation auf eine Duldung oder Gleichbehandlung im Unrecht berufen.“

Tatsächlich aber bestätigt das Dezernat damit, dass man die Sache über Jahre viel zu sehr hatte schleifen lassen. Wenn das flächendeckende Falschparken erst einmal zu Gewohnheitsrecht geworden ist, kann man kaum noch gegensteuern.

Oder vielleicht doch?

Der Stadtbezirksbeirat sieht – wie der Bürgerverein – eine mögliche Lösung in einem Einbahnstraßen-Regime.

„Um das Falschparken und den Schleichverkehr zu unterbinden wird ein Einbahnstraßensystem eingeführt. Parkplätze werden am rechten (bzw. linken) Fahrbahnrand ausgewiesen (markiert, beschildert). Ein Durchfahren der Neumannstraße verhindern diagonal angebrachte Poller (in einer Reihe von Südwest Ecke nach Nordost Ecke) auf der Kreuzung Neumannstraße/Stünzer Straße.

Diese bleiben durchlässig für Fuß- und Radverkehr. Stattdessen wird der motorisierte Individualverkehr in die Stünzer Straße geleitet und durch das Einbahnstraßensystem im Kreis geführt. Die längeren Wege werden den Schleichverkehr abschrecken, sodass ein Großteil davon auf den Hauptstraßen bleibt.

Die Neumannstraße wird beruhigt. Vorbild ist ein „Superblock“ wie er in vielen deutschen Städten (z. B. Köln, München) und anderen europäischen Städten (Barcelona) angeordnet ist. Eine Vorlage, wie der fließende sowie ruhende Verkehr im o.g. Bereich organisiert werden kann, zeigt eine Grafik des Bürgervereins Anger-Crottendorf e. V. und ist diesem Antrag anhängig.“

Das führt zwar nicht dazu, dass die Straßen wirklich autofrei werden. Aber es würde zumindest ein geregeltes Parkregime entstehen, Fußwege wären wieder frei und Rettungswagen kämen wieder durch.

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