Am Mittwoch, 8. Juli, wurde auch das mittlerweile heiร diskutierte Projekt des geplanten Schulanbaus an der Apollonia-von-Wiedebach-Schule in Connewitz vom Stadtrat abgestimmt. Ein Projekt, bei dem am Ende nicht wirklich klar war, wer fรผr die desolate Informationspolitik eigentlich verantwortlich war: Die Baubรผrgermeisterin? Der Sozialbรผrgermeister? Die stadteigene LESG als Bautrรคger? Hรคtte der Stadtrat รผberhaupt noch zeitlichen Spielraum gehabt, wรคren wohl so richtig die Fetzen geflogen.
Aber tatsรคchlich wissen die Stadtratsfraktionen erst seit Mai wirklich, was da auf dem Schulhof der Apollonia-von-Wiedebach-Schule in den nรคchsten zwei Jahren errichtet werden soll. Auch wenn SPD-Stadtrat Christopher Zenker meinte, es hรคtte wohl doch ein paar frรผhere Informationen dazu gegeben, dass der Anbau eben nicht an der Stirnseite zur Scheffelstraรe entstehen solle. 2017 gar. Was zumindest eine รberraschung gewesen wรคre.
Gab es damals in einem Unterausschuss des Stadtrates schon so eine Skizze?
Aus Sicht von Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende der Grรผnen, ganz bestimmt nicht. Sie las der Stadtverwaltung fรผr die vergeigte Kommunikation so richtig die Leviten, noch viel emotionaler als Marco Gรถtze, der das zuvor auch schon fรผr die Linksfraktion getan hat und von โZustimmungsdruckโ sprach
Und auch SPD-Fraktionsvorsitzender Christopher Zenker hatte das dumme Gefรผhl, dass mit der Information durch die Verwaltung so manches schiefgelaufen ist. โDa haben wir wohl nicht genรผgend aufgepasstโ, sagte er. Und meinte aus dem โSammelplanungs- und Baubeschluss sowie Beschluss zum Abschluss von Mietvertrรคgen zur Schaffung zusรคtzlicher Schulkapazitรคten und Bestรคtigung auรerplanmรครiger Auszahlungen nach ยง 79 (1) SรคchsGemOโ vom 27. Juni 2018 herauslesen zu kรถnnen, es wรคre wohl schon von einem mehrstรถckigen Anbau im Pausenhof die Rede gewesen.
Aber die Vorlage kann man sich ja bis heute aufrufen. Dort stand eindeutig noch das alte Projekt: โ2.5 Erweiterung von Kapazitรคten an bestehenden Schulgebรคuden: Oberschulen โ Apollonia-von-Wiedebach-Schule โ Anbau mit 6 AUR mit Erhรถhung um 1 Zug zum Schuljahresbeginn 2020/21.Gesamtkosten ca. 4,5 Mio. โฌโ.
Immerhin schon mit der Skizze eines einstรถckigen Mensabaus im Innenhof. Von einem mehrstรถckigen Schulanbau findet man dort nichts. Oder es steht in einer Anlage, die der รffentlichkeit nicht zugรคnglich ist.
Ergebnis: Ein Stadtrat, der im Frรผhjahr 2020 vor vollendeten Tatsachen stand
Fรผr die vorgezogenen Baumfรคllungen im Februar 2020 gab es folglich auch Kritik, genauso wie fรผr die Tatsache, dass die Zeitfrist bis zu den geplanten Bauarbeiten im August viel zu kurz war, dass รผberhaupt noch irgendwelche รnderungen an dem Projekt denkbar wรคren.
Einen mรถglichen Grund dafรผr, dass die Sache so schiefging, sieht Katharina Krefft im Zugestรคndnis des Stadtrates an die Verwaltung im Zusammenhang mit der Sammelvorlage von 2018, dass die Stadtrรคt/-innen nicht รผber jedes Detail der Planungen noch einmal extra informiert werden wollten, sondern der Beschluss fรผr die Sammelvorlage gleichzeitig der Auftrag fรผr die Verwaltung war, die 15 darin enthaltenen Schulbaumaรnahmen zรผgig in den Jahren 2019/2020 umzusetzen.
Nur der zustรคndige Ausschuss sollte รผber รnderungen rechtzeitig informiert werden. Aber das ist wohl nicht geschehen. Die Ratsmitglieder gingen wohl auch zu Recht davon aus, dass die Projekte dann auch so umgesetzt werden wรผrden wie in der Vorlage beschrieben.

Doch was sich die Planer da bei der Erweiterung der Apollonia-von-Wiedebach-Schule ausdachten, war eine komplette รnderung des Projekts. Der รคsthetisch durchaus รผberzeugende Anbau an der Scheffelstraรe fiel weg, dafรผr wurde aus dem geplanten Mensa-Flachbau im Innenhof ein mehrstรถckiger Kubus, der auch die Nachbarn im Haus der Demokratie verschatten wird.
Die CDU-Fraktion brachte in ihrem รnderungsantrag auch den Punkt vor, der Bau kรถnnte ja durchaus einige Meter Richtung Arno-Nitzsche-Straรe verschoben werden. Aber diesen Antragspunkt zog die Fraktion zurรผck, weil der den Baustart fรผr den dringend benรถtigten Erweiterungsbau deutlich verzรถgert hรคtte. Und dass die zusรคtzlichen Unterrichtsrรคume dringend gebraucht werden, da waren sich alle Fraktionen einig.
Schulbรผrgermeister Thomas Fabian erklรคrte dann auch gleich zum Auftakt der Debatte, dass die Verwaltung die รnderungsantrรคge von Linksfraktion (zu einer besseren Hofgestaltung) und SPD-Fraktion (zur Fassadenbegrรผnung) komplett รผbernehmen wรผrde. Dazu auch Punkt 2 aus dem CDU-Antrag, nach dem die Holzfassade lackiert worden wรคre. Aber gegen den Punkt opponierte Katharina Krefft recht heftig, denn gerade weil die geplante vorgegraute Lรคrchenholz-Fassade nicht lackiert werden muss, sei sie รถkologisch. Der Punkt wurde also extra abgestimmt und mit 23: 39:4 Stimmen abgelehnt.
Blieb also nur noch die Verwaltungsvorlage, die jetzt die รnderungsantrรคge von SPD und Linken beinhaltete. Und hier stimmten dann einige Stadtrรคte durchaus nach ihren Bauchschmerzen ab โ so wie es Thomas Kumbernuร (Die PARTEI) in seinem kurzen Statement erklรคrt hatte. Denn weder waren die meisten von der modernen รsthetik des Baus รผberzeugt, noch waren sie glรผcklich mit der vรถllig verunglรผckten Kommunikationsstrategie. Aber Marco Gรถtze (Linke) hat recht: Die Zeit ist abgelaufen. Die Verwaltung hat mit ihrer viel zu spรคten Vorlage dem Stadtrat jede Mรถglichkeit genommen, zu reagieren und Korrekturen zu beschlieรen.
โSo etwas wollen wir nicht noch einmal erlebenโ, sagte er.
Ergebnis: 47 Stadtrรคt/-innen stimmten der Vorlage (teils schweren Herzens) zu, รผbrigens auch die CDU. Nur die AfD stimmte aus Prinzip geschlossen dagegen. Und sechs Stadtrรคt/-innen aus der Linksfraktion enthielten sich ebenso schweren Herzens der Stimme.
Blieb noch die Frage nach den Turmfalken, die als stรคdtisches Projekt im Dach der Apollonia-von-Wiedebach-Schule angesiedelt worden waren. โFรผr die Turmfalken werden wir ein neues Zuhause findenโ, meinte Baubรผrgermeisterin Dorothee Dubrau auf die Nachfrage von Katharina Krefft hin.
Da mรถchte man in Leipzig eigentlich kein Turmfalke sein, wenn man jedes Mal umziehen muss, wenn die Verwaltung mal was bauen will.
Die Debatte vom 8. Juli 2020 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
Die Stadt will die Apollonia-von-Wiedebach-Schule schon ab dem Sommer sanieren und um einen Neubau im Schulhof erweitern
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Es gibt 2 Kommentare
Christian schreibt richtig von einer โzementierten Sinnlosigkeitโ. Es spricht so unendlich viel gegen den Erweiterungsbau an dieser Stelle.
Viel Platz wรคre gewesen am Nordgiebel der Schule entlang der Scheffelstraรe. Selbst eine Verschiebung an die Arno-Nitzsche-Straรe wรคre fรผr alle Beteiligten, besonders fรผr die Schulkinder, erheblich besser und der planerische Mehraufwand รผberschaubar gewesen.
Ich frage mich ernsthaft besorgt, warum der Stadtrat nicht aufsteht und sagt: So nicht, auch wenn sich das Ganze etwas verzรถgern sollte.
Wer sagte: das ist aber wirklich das allerletzte Mal โฆ ?
Ich bin gespannt.
Wieder mal ein Desaster.
รrgerlich und peinlich.
Weil man sich eben (und leider) nicht darauf verlassen kann, wenn man Bauaufgaben blind an die Verwaltung delegiert, dass diese ordnungsgemรคร und zukunftstauglich umgesetzt werden.
Hier geht es um zementierte Sinnlosigkeit, die so jahrzehntelang Bestand haben wird!
Wieso lรคsst (fast der gesamte) Stadtrat der Verwaltung so etwas durchgehen und sich erpressen?
Und winkt nur mit dem Zeigefinger, โdas mรถchte ich aber nicht noch einmal sehen?โ
Fรผr diese โLeistungโ der Verwaltung muss es einfach Konsequenzen geben.