Wahrscheinlich wird die „Parkstadt Dösen“ mal als exemplarisches Beispiel für altes Bauen zumindest bei den nachdenklicheren Planern der Stadt im Gedächtnis bleiben. Denn es macht sehr schön sichtbar, mit welcher Radikalität über 100 Jahre alte Baumbestände entfernt werden, um ein autogerechtes Wohnen „im Grünen“ zu ermöglichen. Für den BUND Leipzig hatte Elke Thiess ja extra noch einmal nachgefragt.
„Während des gesamten bisherigen Planungsverlaufs gab es Unklarheiten in Bezug auf die Anzahl der Baumfällungen und Ersatzpflanzungen. Offenbar besteht hier bei Verwaltung und Umweltverbänden ein völlig unterschiedlicher Ansatz in der Interpretation der Planungsunterlagen. Auch der Verwaltungsstandpunkt Nr.VII-A-00948-VSP-01 des Dezernats für Stadtentwicklung und Bau lässt hier noch Fragen offen“, stellte sie in ihrem Fragenpaket fest.
„Aus diesem Grund wählen wir das Mittel der Einwohneranfrage, um eventuell bestehende Missverständnisse zu klären. Dabei ist für die Beantwortung unserer Frage völlig unerheblich, ob die Fällungen und Ersatzpflanzungen im denkmalgeschützten, Innen- oder Außenbereich des Plangebiets erfolgen sollen. Auch sind uns die geltenden Eingriffs- und Ausgleichsregelungen bekannt, sodass in der Antwort nicht extra darauf hinwiesen werden muss. Uns geht es darum, einen konkreten Blick auf das Ausmaß der Fällungen zu bekommen. In diesem Punkt sollte seitens der Stadtverwaltung auch im Sinne der öffentlichen Wahrnehmung größtmögliche Transparenz bestehen.“
Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau hat ihr jetzt geantwortet und bestätigt damit eigentlich die Vermutungen, die nicht nur der BUND Leipzig hegte. Nicht ohne Grund hat ja der Stadtrat in seiner Sitzung am 20. Mai ein ordentlichen Artenschutzgutachten verlangt. Im Grunde auch eine Rote Karte für Leipzigs Planungsdezernat, das es auch im Jahr 2020 immer noch nicht fertigbringt, in Bauvorhaben den gesetzlichen Vorgaben zum Umwelt- und Artenschutz Geltung zu verschaffen. Ohne viel Federlesens werden überall im Stadtgebiet Baupläne genehmigt, bei denen meist der komplette Altbestand an Bäumen und Sträuchern verloren geht, nicht einmal untersucht wird, welche Tierarten sich in dem kleinen Biotop angesiedelt haben.
Es ist nicht nur das Planungsdezernat, das hier so oberflächlich arbeitet. Das Umweltschutzamt gibt meist ohne große Prüfung auch gleich noch die Genehmigung zum Fällen selbst geschützter Altbäume. Und auch die Einwände der Anwohner, die oft ziemlich genau wissen, welche Vögel und Fledermäuse hier heimisch geworden sind, nutzen nichts. Es wird schneller gefällt, als die Betroffenen auch nur ahnen, dass hier wieder ein Bau genehmigt wurde.
Aber wie ist das nun in der Parkstadt Dösen, wo rund 500 Bäume der Säge zum Opfer fallen sollen? Nach Auskunft des Planungsdezernats an Elke Thiess müssten sowieso die meisten Bäume im Gebiet des ehemaligen Parkkrankenhauses gefällt werden, weil ihr Erhaltungszustand nach Auskunft der Stadt als „schlecht“ eingestuft wird. Aber ein nicht unerheblicher Teil der Bäume muss eben auch weichen, weil der Baumstandort mit den Planungen kollidiert.
In der Auskunft des Planungsdezernats: „Mit konkurrierenden Festsetzungen zur Flächennutzung sind Festsetzungen eines Bebauungsplanes gemeint, die die planungsrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, die aktuelle Flächennutzung ändern zu können. Aufgrund solcher Festsetzungen, z. B. Verkehrsflächen, überbaubare Grundstücksflächen oder Flächen für Tiefgaragen können im gesamten Plangebiet 181 vitale Bäume und 63 Bäume mit schlechter und sehr schlechter Vitalität gefällt werden. Für die Feuerwehraufstellflächen sind voraussichtlich insgesamt 42 Bäume (30 + 12) zu fällen. Insgesamt müssen somit im Plangebiet 286 Bäume (211 + 75) aufgrund der oben genannten Vorhaben gefällt werden.“
Und das sind nur die Bäume, die gefällt werden sollen, weil sie mit den Planungen kollidieren.
Dazu kommen noch einmal fast 200 Bäume: „Neben den 75 bereits unter a) genannten Bäumen befinden sich im Plangebiet weitere 195 Bäume, denen die Vitalitätsstufen ,schlecht‘ und ,sehr schlecht‘ zugeordnet werden mussten. Diese wären einerseits auch ohne Bauleitplanverfahren (z. B. bei Wiederaufnahme der Krankenhausnutzung) aus Gründen der Verkehrssicherung in ihrem Bestand gefährdet und müssen andererseits nicht zwingend gefällt werden“, meint das Planungsdezernat.
Was die Fachleute beim BUND durchaus verwundern dürfte, denn so einen desolaten Baumbestand haben sie bei ihren Besuchen selbst nicht vorgefunden.
Tatsächlich besagt ja selbst die Auskunft des Planungsdezernats, dass der Bauherr allein 211 gesunde Bäume fällen will, weil sie nicht in seine Pläne passen. Was eben auch heißt, dass im eigentlichen Plangebiet die meisten Bäume gesund und vital sind. Was bleibt da eigentlich von einer Parkstadt, wenn ausgerechnet die Parkbäume verschwinden sollen?
Und die Stadt drängt nicht einmal darauf, den kompletten Baumbestand ersetzen zu lassen. Da klingt dann so: „Im Plangebiet werden 346 Bäume angepflanzt. Außerhalb des Plangebietes gibt es keine weiteren Ersatzpflanzungen.“
Von 481 Bäumen werden nur 346 durch Neupflanzungen ersetzt. Wobei „ersetzt“ den Verlust ja nicht beschreibt. Das hat der Stadtrat schon richtig erkannt: Die jungen Setzlinge können den massiven Lebensraumverlust in den Altbäumen nicht ersetzen. Sie werden erst in 30, 40 Jahren stattliche Bäume sein, die auch wieder ansatzweise eine Artenvielfalt beherbergen können, wie sie heute noch zum Bestand gehört.
Aber die Stadtverwaltung ist sich sicher, dass man gar nicht anders kann: „Alle Bäume mit den Vitalitätsstufen ,schlecht‘ und ,sehr schlecht‘ werden durch einen Baumsachverständigen begutachtet und prioritär Erhaltungsmaßnahmen geprüft. Dies wird in dem noch abzuschließenden Städtebaulichen Vertrag verbindlich und abschließend geregelt.
Bislang wurden u. a. Schnittmaßnahmen in den Lichtraumprofilen, Pflegemaßnahmen in den Baumalleen und Suchgrabungen zu Starkwurzeln in den Straßenräumen durchgeführt. Ebenso wurden wenige Bäume (vorwiegend krank und abgestorben) nach Einholung der erforderlichen Genehmigungen gefällt.
Aktuell erfolgt die gutachterliche Baubegleitung in Form regelmäßiger, mindestens monatlicher Baustellenbegehungen mit protokollierten Festlegungen zum Umgang mit z. B. Baustelleneinrichtungen, Baumschutzzäunen, (Wurzel-)Überfahrten sowie objektbezogenen Festlegungen zur Wurzelfreilegung und -sicherung, die regelmäßig nur in Anwesenheit des Gutachters durchzuführen sind.“
Was die geplanten Fällungen nicht aus der Welt schafft. Jetzt kann man gespannt sein, was das vom Stadtrat beauftragte Artenschutzgutachten ergibt. Sofern es noch rechtzeitig kommt und tatsächlich zeigt, dass fast 500 alte Bäume mehr sind als nur 481 Bäume, die im Weg rumstehen.
Der Lernprozess bei Planern und Investoren, wie man neue Wohngebiete so baut, dass der alte Baumbestand nicht komplett rasiert wird, hat gerade erst begonnen.
Der Stadtrat tagte: Investor muss für Parkstadt Dösen ein Artenschutzkonzept vorlegen + Video
Der Stadtrat tagte: Investor muss für Parkstadt Dösen ein Artenschutzkonzept vorlegen + Video
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