Am Dienstag, 12. Mai, gab es ja die etwas unvollständige Meldung aus der Stadtverwaltung: „Leipziger Osten: Neue Grünfläche in der Rietzschke-Aue geplant“. „In der Rietzschke-Aue soll von November 2020 bis November 2021 eine neue naturnahe Grünfläche für den Leipziger Osten entstehen“, teilte das Rathaus mit. „Ziel der Maßnahme ist es, den natürlichen Auenraum zu regenerieren, die Auswirkungen von Starkregen und Hitzeperioden zu mindern, die Artenvielfalt zu erhöhen und die Wegeverbindungen im Quartier zu verbessern.“

Die Meldung gab auch grob an, wo dieser neue Park entstehen soll: „Die neue Grünfläche mit Anschluss an den Kleingartenverein Sellerhausen und den Schulcampus Ihmelsstraße wird naturnah und zurückhaltend gestaltet.“ Nur ist dort, wenn man jetzt dort entlanggeht, weder etwas von Grünfläche noch von Ausläufern der Rietzschke zu sehen.

Tatsächlich stand hier ein Teil des Kleingartenverein „Sellerhausen“, der – wie so manch anderer Leipziger Kleingartenverein – eigentlich mitten im Überschwemmungsgebiet errichtet wurde. Auch wenn die Östliche Rietzschke hier quasi vom Erdboden (bzw. in einer Wölbleitung) verschwunden ist, merkt man spätestens bei Starkregen, dass hier nach wie vor das alte Strömungsbett ist und dass Leipzig gut daran tut, dem Wasser hier wieder ein wenig Raum zurückzugeben und es ins Stadtbild zurückzuholen.

Entsprechend benennt auch die Vorlage des Dezernats Umwelt, Ordnung, Sport den wichtigsten Grund, warum man hier nun eine Kleingartenanlage zurückbaut und dafür in glücklicher Nachbarschaft zum neuen Schulcampus Ihmelsstraße einen neuen Park mit Bachlauf und Teich anlegt: „Anlass der Neugestaltung sind zunehmende Starkregenereignisse und Hochwasserstände und damit verbundene Schäden im Umfeld der östlichen Rietzschke.

Als gemeinsam initiiertes Projekt zwischen der Stadt Leipzig und den Leipziger Wasserwerken soll eine öffentliche Grünfläche entstehen, in der sich bei Starkregen das Regenwasser sammeln und zeitverzögert und reguliert über ein Ablassbauwerk in den Wölbkanal der Östlichen Rietzschke eingeleitet werden kann. Gleichzeitig soll die Grünfläche landschaftsparkähnlich mit Wegen, einigen Aufenthaltsbereichen und Spielmöglichkeiten gestaltet werden und in trockenen Perioden und an Hitzetagen als innerstädtischer Erholungsraum mit schattenspendenden Bäumen und Sträuchern zur Verfügung stehen.“

Der Plan für die neue Grünanlage mit Teich und Graben. Karte: Stadt Leipzig
Der Plan für die neue Grünanlage mit Teich und Graben. Karte: Stadt Leipzig

Es ist also vor allem ein Baustein der Leipziger Klimaanpassung, der in diesem Fall auch einmal akzeptiert, dass einige städtische Strukturen unklug auch in Landschaftsteile hineingebaut wurden, die natürliche Strömungsbetten sind. Übrigens ein Problem, das man nicht nur an der östlichen Rietzschke hat. Dasselbe Thema wird auch bei der Weißen Elster auftauchen, wenn man wirklich einmal klärt, welche Barrieren die Stadt daran hindern, die Nordwestaue wieder dem Fluss zu öffnen.

Das sind nämlich nicht nur zu niedrige Brücken, zu viele Deiche und diverse Strommasten und Leitungen. Das sind auch jede Menge Gartenlauben, die mitten im natürlichen Überschwemmungsgebiet stehen.

Und einige scheinen ein paar gut situierten Stadtbewohnern zu gehören, die ganz und gar keine Lust darauf haben, ihr „kleines Refugium im Grünen“ aufgeben zu müssen. Auch das beeinflusst Stadtpolitik. Nur dass die Kleingärtner in Sellerhausen durch keine millionenteuren Deiche geschützt waren, die in der Nordwestaue sind es schon.

In Sellerhausen kam man deshalb auch relativ schnell zu einer Einigung: „Im Frühjahr 2019 wurde im Einvernehmen mit dem Kleingartenverein ,Sellerhausen‘ und in Verhandlung mit den betroffenen Pächtern auf Teilflächen des Vereins die gärtnerische Nutzung zugunsten des neuen Naturraums aufgegeben und etwa 100 Gartenparzellen aus dem Verein gelöst. Die Flächen wurden anschließend freigeräumt, wobei wertvolle Einzelbäume und zusammenhängende Baum- und Strauchgruppen erhalten wurden. Die nördliche Grenze des Kleingartenvereins wurde mit einem neuen Stabmattenzaun und drei Toren wiederhergerichtet.“

Es ist die freigeräumte Fläche, die jetzt wieder Raum für den kleinen Park geben soll.

Und so beiläufig verrät die Vorlage auch, warum man hier von der östlichen Rietzschke nichts mehr sah. Ihr ging es nämlich genauso wie einem Teil der Nördlichen Rietzschke: „Der vorhandene Entwässerungsgraben Sellerhausen wird offengelegt und leicht geschwungen und mäandrierend als natürliches Gerinne gestaltet. Dieses kann je nach Wasserstand der Östlichen Rietzschke bis zu 50 cm mit Wasser gefüllt sein oder auch über längere Zeiträume trockenliegen.

Bei Starkregen und Hochwasser kann das Wasser über die Ufer treten und sich auf der gesamten Fläche ausbreiten und zeitverzögert über Versickerung und Verdunstung in den natürlichen Kreisläufen verbleiben und über das Ablassbauwerk in den Wölbkanal der östlichen Rietzschke eingeleitet werden. Die Verlegung des Entwässerungsgrabens Sellerhausen und der Bau des Ablassbauwerks sind nicht Bestandteil dieses Bau- und Finanzierungsbeschlusses. Diese Baumaßnahmen finden vorgezogen statt.“

Für die benachbarte neue Schule entsteht so gleich ein Stück Grün zum Erholen, das den Grüngürtel durch den Leipziger Osten ergänzt: „Einen wichtigen Teil der Baumaßnahme bildet die Verbesserung der Wegebeziehungen und Vernetzung innerhalb des Stadtteils. Bei der Wegeplanung wurden bestehende Laufrichtungen (anhand von Trampelpfaden erkennbar) berücksichtigt und vorhandene Wege der Grünfläche ,Lichter Hain‘ angebunden.

Es entstehen neue öffentliche Wege zwischen Bernhardtsraße und Wurzner Straße. Der Kleingartenverein Sellerhausen wird an drei Stichwegen über Tore mit der Grünfläche verbunden. Auch der Schulcampus Ihmelsstraße kann die neue Grünfläche im Rahmen des Unterrichts nutzen. Eine Wegeanbindung zum Schulcampus und ein kleines Tor zu den Schulfreiflächen ist vorgesehen.“

Leipziger Osten: Neue Grünfläche in der Rietzschke-Aue geplant

Leipziger Osten: Neue Grünfläche in der Rietzschke-Aue geplant

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Natürlich werden auch die L-IZ.de und die LEIPZIGER ZEITUNG in den kommenden Tagen und Wochen von den anstehenden Entwicklungen nicht unberührt bleiben. Ausfälle wegen Erkrankungen, Werbekunden, die keine Anzeigen mehr schalten, allgemeine Unsicherheiten bis hin zu Steuerlasten bei zurückgehenden Einnahmen sind auch bei unseren Zeitungen L-IZ.de und LZ zu befürchten.

Doch Aufgeben oder Bangemachen gilt nicht 😉 Selbstverständlich werden wir weiter für Sie berichten. Und wir haben bereits vor Tagen unser gesamtes Archiv für alle Leser geöffnet – es gibt also derzeit auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere selbstverständlich weitergehende Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

“Nur ist dort, wenn man jetzt dort entlanggeht, weder etwas von Grünfläche noch von Ausläufern der Rietzschke zu sehen.”
Die Rietzschke ist z.T. zu sehen und Grünfläche ist dort auch. Und sogar eine mit einer sehr, sehr hohen Biodiversität. Auf der Fläche gibt es auch neben Faltern auch zahlreiche Wildbienen und Hummeln. Egal was man dort nun unternimmt: Die Biodiversität wird anschließend geringer sein.
Sie hätte auch noch höher sein können, wenn die Abrissfirma nicht auch die alten Obstbäume eleminiert hätte und den Bauschutt z.T. nur unter einer dünnen Erdschicht versteckt hätte. Letzteres Problem wird dann bald wieder zum Vorschein kommen.

Schreiben Sie einen Kommentar