Lange hat der Stadtrat darauf gewartet. Am Dienstag, 26. Mai, gab das Dezernat Stadtentwicklung und Bau den Ratsfraktionen endlich den Entwurf des Bebauungsplanes Nr. 392 „Wilhelm-Leuschner-Platz“ in die Hände, nachdem Oberbürgermeister Burkhard Jung am 19. Mai schon seine Zustimmung gegeben hatte, dass der Entwurf endlich an die Öffentlichkeit darf. Jetzt bekommt man so eine Ahnung, wie sich die Stadt das künftige Quartier wirklich vorstellt.
Schon vorher hatte OBM Jung ja durchblicken lassen, dass er sich auf der Ostseite des Platzes, also im eigentlichen Bereich des historischen Markthallenviertels, eine Unterbringung für städtische Verwaltungen vorstellen kann – und zwar über der Markthalle.
Von einem neuen Technischen Rathaus spricht er noch nicht, auch wenn der Mietvertrag im Technischen Rathaus an der Prager Straße in wenigen Jahren ausläuft. Dann muss die Stadt wieder in einem Zug ziemlich viele Büros für hunderte Mitarbeiter/-innen finden. Und dazu wird die Messehalle 12 auf dem Alten Messegelände nicht reichen, auch wenn die Stadt dort zunehmend mehr Fläche anmietet.
Der neue Bebauungsplan freilich zurrt jetzt einen Baustein fest, denn für das vom Bund vergebene „Forum Recht“ steht der Leipziger Oberbürgermeister im Wort. Es soll am Rossplatz ein stadtprägendes Bauwerk bekommen: Unmittelbar an der Kreuzung Roßplatz/Grünewaldstraße und in Fortsetzung der Ringbebauung könnte das sicherlich prominenteste Gebäudeensemble entstehen, welches auch über ein 50 Meter hohes Eckgebäude verfügen soll.
Mit diesem Standort hat die Stadt Leipzig bereits erfolgreich um die Ansiedlung des „Forum Recht“ geworben, meldete die Stadt am 19. Mai. Das Besondere ist dabei die angedachte gemeinsame bauliche Konzeption mit einem Neubau der Juristischen Fakultät der Universität Leipzig.
Schon länger ist klar, dass das neue Quartier am Wilhelm-Leuschner-Platz eine besondere Rolle für das Wachstum der Universität und der Entwicklung des Wissenschaftsstandortes Leipzig bekommt. Den ersten Deal hat die Verwaltung ja schon mit dem Freistaat eingefädelt, womit dann schon einmal die erste Baufläche an der Windmühlenstraße besetzt war: Der Freistaat Sachsen hat bereits das dreieckige südliche Baufeld zwischen Grünewaldstraße, Brüderstraße und Windmühlenstraße erworben. Dort trifft das Institut für Länderkunde derzeit bereits konkrete planerische Vorbereitungen für das erste Neubauvorhaben auf dem Platz.
Der Bebauungsplan ermöglicht zudem die Ansiedlung eines weiteren großen wissenschaftlichen Instituts. Zudem beinhaltet er einen Wohnanteil an den zu realisierenden Gebäudeflächen von 20 Prozent im Norden und 40 Prozent im Süden. Leipzig will mit diesem Ansatz die bekannten Qualitäten der gemischten Stadt auch auf dieses neue Quartier übertragen. Der Freistaat will sich überdies auf seinen Grundstücksflächen dazu bekennen, dass etwa 30 Prozent des Wohnraums einkommensschwachen Menschen vorbehalten wird.
Bleibt denn da überhaupt noch etwas übrig? Immerhin postuliert die Stadt ja auch weiterhin: Der Wilhelm-Leuschner-Platz soll wieder Teil des lebendigen Leipziger Stadtzentrums werden – mit Büros und Einzelhandel, mit dringend benötigtem Wohnraum und Platz für wissenschaftliche Institutionen. Das rund sechs Hektar große Areal unmittelbar südlich der Innenstadt ist seit der Zerstörung im Krieg unbebaut.
Der im Jahr 2017 vom Stadtrat für den Platz beschlossene Masterplan stellte die Grundlage des jetzt vorliegenden Entwurfes dar. Ausgangspunkt war die Vorentwurfskonzeption der Architekten Professor Pelčák und Professor Wolf (Brünn/Leipzig). Die insgesamt qualitative Entwicklung des Gesamtareals hat dabei für die Stadt Leipzig eine hohe strategische Bedeutung. Sie ist Haupteigentümerin und kann so selbst die schrittweise Entwicklung und mögliche Ansiedlungen steuern.
Freilich tut sie das auf recht eigensinnige Weise. Denn dass zwei große Baufelder schon vergeben sind, wenn der Bebauungsplan nun mit deutlicher Verspätung in den Stadtrat kommt, ist zumindest diskutabel. Auch wenn sich einige Wünsche der Ratsfraktionen darin wiederfinden.
Auch die seit Jahren gewünschte Markthalle, die sich – „gepaart mit Einzelhandel, Gastronomie, Büros und gegebenenfalls wichtigen städtischen Einrichtungen“ – im zentralen Baufeld wiederfindet. Also auf dem historischen Markthallengrundstück. Nur dass die neue Markthalle nicht mehr – wie die historische Markthalle – allein für sich steht, sondern der Unterbau für ein mehrstöckiges Gebäude werden wird.
Ob die Stadt die Gelegenheit nutzt, hier einfach eine wirklich große Verwaltungseinheit zu schaffen und damit einen Großteil der Unterbringungsprobleme für die Verwaltung zu lösen, ist offen. Die Beschreibung der künftigen Nutzungen in den oberen Etagen lässt alle Möglichkeiten offen, von „Büros und Verwaltungseinrichtungen“ über „Schank- und Speisewirtschaften“, „Vergnügungsstätten, sofern keine Einschränkung nach Nr. 1.3.6 besteht“, „sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe“, „Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke“ bis zu Wohnungen.
Das kann man natürlich als Liste der erlaubten Nutzungen lesen – die deutlich eingeschränkter sind als in den nördlich davon vorgesehenen Baukörpern MK 1 bis 4, in denen das „Forum Recht“ und die Juristische Fakultät unterkommen sollen. Zwischen diesen Baukörpern und dem Markthallengrundstück soll ein kleiner Stadtplatz entstehen.
Und eine große Diskussion, die gerade die Leipziger Umweltverbände angestoßen haben, betrifft ja die in den vergangenen Jahrzehnten entstandenen Grünflächen. Die sollen ja in Teilen erhalten werden.
Baum- und Strauchpflanzungen, Regenwasserversickerung und unversiegelte Platzflächenanteile sind wesentliche selbstbindende Vorgaben des Bebauungsplanes für die Konzeption des Platzes, betonte die Stadt. Auch in den bestehenden sowie den neuen Straßen wird es Baumpflanzungen als Ersatz für entfallende Vegetation und Lebensräume geben. Für die Belange des Umweltschutzes wurde eine umfassende Umweltprüfung sowie artenschutzrechtliche Begutachtungen durchgeführt.
Und die Fläche vor der Stadtbibliothek (wo noch vor Jahren unbedingt das Freiheits- und Einheitsdenkmal platziert werden sollte) soll ab Mitte des Jahrzehnts zu einem Stadtplatz mit hohem Grünanteil ausgebaut werden. Die konkrete Gestaltung soll dabei ab 2022 über ein Wettbewerbsverfahren gefunden werden.Wobei der Bebauungsplan noch nicht deutlich macht, ob auch die historische Markthallenstraße erhalten bleibt, die man jetzt noch im Quartier findet.
Auch eine neue Nutzung des Bowlingstreffs hält die Vorlage für möglich. Immerhin wird ja noch geprüft, ob man das Naturkundemuseum nicht doch in diesen Bau packt.
„Der Bebauungsplanentwurf bietet hier große Entwicklungspotentiale für städtische oder private Bedarfe“, meinte jedenfalls die Stadtverwaltung. Der Stadtrat entscheidet im Juni darüber, anschließend soll der Entwurfsplan öffentlich ausgelegt werden.
Die Markthalle soll kommen und auch für Pflanzen und Tiere soll es ein Eckchen geben
Die Markthalle soll kommen und auch für Pflanzen und Tiere soll es ein Eckchen geben
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