Am 26. Februar kreischten die Sägen. Der Blick aus den Fenstern des Hauses der Demokratie zeigte Heftiges: Auf dem benachbarten Schulhof der Apollonia-von-Wiedebach-Schule wurde ein Dutzend Bäume gefällt. Einfach so: Linden, Bergahorne, prächtige Bäume. Waren sie krank? Werden derzeit nicht überall im Stadtgebiet Bäume gefällt, weil sie die Rußrindenkrankheit haben oder von Trockenheit geschädigt sind? Die Aufklärung gab es erst eine Woche später. Und die hatte es in sich.
Denn während die ganze Stadt noch mit der Oberbürgermeisterwahl beschäftigt war, machten städtische Ämter hier Nägel mit Köpfen für ein Projekt, das dem Leipziger Stadtrat 2017 noch ganz anders vorgestellt worden war. Abgesehen davon, dass die Stadt Leipzig auch bei diesem Projekt wieder drei Jahre im Verzug ist, geht es auch um eine wichtige Änderung.
Damals wurde ein umfassendes Schulbauerweiterungsprogramm beschlossen, um die steigenden Schülerzahlen im Stadtgebiet auffangen zu können. Dazu gehörte auch ein Erweiterungsbau für die Apollonia-von-Wiedebach-Schule in Connewitz in Containerbauweise für 1,6 Millionen Euro.
In einer Auskunft zu einer Einwohneranfrage gab das Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule auch an, wo dieser Ergänzungsbau entstehen sollte: „Der Neubau soll an der nördlichen Schmalseite der Schule errichtet werden; er ist deutlich vom historischen Gebäude abgesetzt und zeigt ein modernes Fassadenbild.“
Doch dann wurde er nicht gebaut, gab es auch keine neue Vorlage für den Stadtrat. Bis dann auf einmal die Sägen kreischten. Der komplette Innenteil des Schulhofs der Apollonia-von-Wiedebach-Schule wurde abgeholzt. Warum das geschah, erfuhren die Anlieger erst über eine Woche später – am 4. März.
Da wurde ihnen mitgeteilt, dass die Stadt jetzt hier den Ergänzungsbau hinsetzen will: 20 Meter breit, 20 Meter lang, fast 20 Meter hoch. Ein ordentlicher Klotz. Nur: Eine Baugenehmigung gibt es dafür noch gar nicht. Nur die Stellungnahmen vom Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, das nichts gegen den Klotz hat, und vom Amt für Umweltschutz, das die Fällgenehmigung für ein Dutzend geschützter Bäume erteilte.
Grundlage dafür: eine Teilbaugenehmigung, mit der sich die Stadtverwaltung quasi selbst grünes Licht gibt, hier bauen zu können. Und augenscheinlich auf den letzten Drücker, denn die Fällsaison lief aus. Die Bäume „mussten“ also noch schnell vom Platz, wenn noch 2020 gebaut werden soll.
Und L-IZ-Leser kennen das Prozedere ja: Wenn die Baugenehmigung erst einmal erteilt ist, können die Anlieger zwar klagen. Aber Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Gegen die Baumfällungen schon gar nicht, die hier binnen zwei Tagen durchgezogen wurden.
Dass die Baumaßnahme jetzt mit ins Programm genommen wurde, teilte das Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule nun am 1. April im Rahmen einer langen Liste mit: „Auslösung von Planungs- und Bauleistungen zur weiteren Umsetzung des Schul- und Kitabauprogrammes in 2020 i.V.m. überplanmäßigen Auszahlungen nach § 79 (1) SächsGemO“.
Der Bau soll weiterhin in Systembauweise erfolgen. Sechs Unterrichtsräume sollen entstehen. Dafür steht der Bau jetzt mitten auf dem zuvor grünen Schulhof, mit dem Hauptgebäude durch einen Gang verbunden. Die Kosten haben sich inzwischen auf 5 Millionen Euro erhöht, von denen 2,8 Millionen durch Fördermittel des Freistaats abgedeckt werden sollen.
Der Förderbescheid liegt freilich – wie für Dutzende weitere Leipziger Schul- und Kitabauvorhaben – noch nicht vor. Was der eigentliche Grund für die Vorlage ist. Denn sie soll die Wieder-Bereitstellung jener 2019 vom Stadtrat genehmigten zusätzlichen Mittel ermöglichen, die 2019 aufgrund Verzögerung der Bauvorhaben nicht in Anspruch genommen wurden.
Das hat mit dem mehr als bürokratischen Verrechnungswesen in Sachsen zu tun, das eigentlich von Leuten geschaffen wurde, die verhindern wollen, dass Kommunen investieren.
Das klingt nun im Amtsdeutsch so: „Für die Umsetzung der einzelnen Baumaßnahmen ist es erforderlich, bereits mit der Bekanntmachung und dem Ausschreibungsbeginn der zu vergebenden Planungs- oder Bauleistungen, die ermittelten Kosten im Haushalt vollständig bereitzustellen. Mit der Bekanntmachung wird die Verpflichtung eingegangen, den Auftrag für eine Leistung einzugehen, eine sogenannte Verpflichtungsermächtigung (VE). Dies ist bei der aktuellen Marktlage in der Baubranche oftmals nur schwer genau einschätzbar.
Grundsätzlich ermöglicht eine VE eine Kommune, im Rahmen eines Haushaltsplans finanzielle Verpflichtungen über ein Haushaltsjahr hinaus einzugehen, z. B. bei öffentlichen Bauvorhaben für den Schul- und Kitabau. Auch war es mit der Planung des Doppelhaushaltes 2019/2020 erstmals erforderlich, die VE getrennt nach den beiden Haushaltsjahren in SAP zu erfassen. Da die Annahme bestand, dass in 2019 aufgrund der Dringlichkeit der Maßnahmen deutlich mehr Verpflichtungen eingegangen werden müssen, wurden die VE mit Kassenwirksamkeit 2021 hauptsächlich in 2019 mit i.H.v. 104 Mio. € geplant.“
Um also die ganzen Projekte, die 2019 schon geplant waren, doch noch in Angriff nehmen zu können, muss die für 2020 benötigte Summe noch einmal bewilligt werden. Samt den Eigenmitteln für die möglicherweise nicht kommenden Fördermittel.
Der Bauantrag für den Systemanbau an der Appollonia-von-Wiedebach-Schule wurde übrigens am 31. Januar gestellt.
Gegen die am 26. Februar erteilte Teilbaugenehmigung hat das Haus der Demokratie als direkter Nachbar übrigens nach der endlich am 4. März erfolgten Benachrichtigung Widerspruch eingelegt. Aber da waren die Bäume sämtlich schon abgeräumt.
Wohin kommt der geplante Systembau für die Apollonia-von-Wiedebach-Schule?
Wohin kommt der geplante Systembau für die Apollonia-von-Wiedebach-Schule?
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