Als naturliebender Großstadtbewohner rätselt man sowieso nur, warum bei jedem Bauprojekt in der Stadt Leipzig das Auto und eine riesige Fläche an Parkraum immer die Leitschnur vorgeben, während über Jahre gewachsene Grüninseln entfernt und die Baumbestände erst einmal gefällt werden. Und dass selbst bei einem Parkstadt-Projekt alles fürs Auto gebaut wird, verstörte nicht nur die Linksfraktion, die gleich ein dickes Antragspaket stellte. Stadt und Bauherr verhandeln ja schon länger.
Wobei die Denkweise hinter dem Kompromiss, den das Planungsdezernat jetzt vorlegt, weiterhin verblüfft, denn sie offenbart, dass auch Leipzigs Verwaltung noch lange nicht in Kategorien einer guten Erschließung mit dem ÖPNV zu denken vermag.
Das Problem ist ja diese seltsame Grenzsituation zu Markkleeberg, weshalb in der Chemnitzer Straße auch keine LVB-Linie fährt, sondern nur Regionalbus-Linien. Bei solchen stadtgrenzenüberschreitenden Verkehren wird es ganz kompliziert. So emsig der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) arbeitet – diese Kooperationen über Stadtgrenzen gehören zum Unmöglichen, das augenscheinlich nur schwer zu klären ist.
Also geht Leipzigs Dezernat Stadtentwicklung und Bau davon aus, dass eben lauter Menschen in die Parkstadt ziehen werden, die ihren Alltagsverkehr eben auch mit dem Auto abwickeln. Das klingt dann so: „Die beabsichtigte Wohnentwicklung auf dem Areal steht im Spannungsverhältnis zur fehlenden Anbindung des Standortes an den schienengebundenen öffentlichen Nahverkehr. Diese ist weder vorhanden noch mit sinnvollem wirtschaftlichen Aufwand herstellbar. Der Stadtrat hat sich mit den vorangegangenen Beschlüssen jedoch zur hier angestrebten Entwicklung bekannt und die hohe Gewichtung der denkmalpflegerischen Belange gegenüber den stadtentwicklungspolitischen Zielstellungen bestätigt.“
Natürlich war es nicht der Antrag der Linksfraktion aus dem März, der jetzt die Kompromisse ermöglicht hat. Den Druck haben eindeutig die Umweltverbände erzeugt, die letztlich damit auch Verwaltung und Bauherren noch einmal an den Verhandlungstisch gebracht haben, wie das Planungsdezernat bestätigt: „Aufgrund der Einwendungen der Umweltverbände im Rahmen der öffentlichen Auslegung fanden Gespräche statt, in denen geprüft wurde, wie insbesondere die umwelt- und naturschutzrechtlichen Belange noch stärker berücksichtigt werden können. Im Ergebnis dessen wurden die Planinhalte bereits angepasst und folgende Änderungen vorgenommen:
– die Rücknahme zweier Flächen für Tiefgaragen
– der Erhalt und die Neuanlage einer Streuobstwiese und
– die Erhöhung des Anteils der zu begrünenden Grundstücksflächen außerhalb des denkmalgeschützten Bereiches.“
Die Streuobstwiese sieht man oben im Bild. Sie gehört zu den Dutzenden alter Streuobstwiesen im ganzen Stadtgebiet, die eigentlich als Naturdenkmal unter besonderem Schutz stehen – und zwar nicht nur, weil hier alte bäuerliche Obstwirtschaft im Bestand zu erleben ist, sondern auch weil teilweise alte und selten gewordenen Obstsorten darin zu finden sind.
Bei den Stellplätzen freilich gibt es nur einen Kompromiss. Die Verwaltung geht dabei auch nicht so weit, wie von der Linksfraktion gewünscht: „Die mit dem Antrag beabsichtigte Reduzierung der im Gebiet möglichen Stellplätze für die ca. 600 Wohneinheiten von derzeit ca. 704 auf eine Anzahl, die dem notwendigen Minimum der nach der geänderten Stellplatzsatzung entspricht (voraussichtlich ca. 490) berücksichtigt die tatsächliche örtliche Situation und die damit einhergehende mangelhafte Anbindung an das ÖPNV-Angebot in nicht ausreichendem Maß.
Aufgrund des wenig attraktiven ÖPNV-Angebotes (auf der Chemnitzer Straße verkehren nahezu ausschließlich Regionalbusse) besteht am Standort trotz einer möglichen Verbesserung des ÖPNV-Angebotes auch künftig eine höhere PKW-Quote, als dies in den sonstigen, innerstädtischen größeren Entwicklungsgebieten regelmäßig der Fall ist. Bei einer zu großen Verknappung des Angebotes für den ruhenden Verkehr, wie es der Antrag vorsieht, steht zu befürchten, dass sich widerrechtliches Parken und ein unerwünschter Parkdruck in die angrenzenden Einfamilienhausgebiete hinein entwickelt.“
Aber was empfiehlt dann das Planungsdezernat?
„Die Verwaltung empfiehlt daher im Alternativvorschlag eine Obergrenze von 550 Stellplätzen. Dieser Vorschlag berücksichtigt einerseits die bereits vorgenommene Rücknahme zweier, in der öffentlich ausgelegten Fassung des Entwurfs zum B-Plan Nr. 398 ,Parkstadt Dösen‘ noch enthaltenen Tiefgaragen im Bereich des WA 6 (Reduzierung um 30 Stp) sowie die Reduzierung des Stellplatzschlüssels auf etwa 0,9 Stp je WE gegenüber 1,14 Stp je WE (Reduzierung um ca. 25 %).
Eine weitere Reduzierung der festgesetzten Flächen für Stellplätze soll nicht erfolgen, da auch weiterhin gute Angebote zur Unterbringung der im Gebiet insgesamt anfallenden ca. 1.800 Fahrradstellplätze ermöglicht werden müssen. In den denkmalgeschützten Bereichen sind hierfür bislang oberirdische, offene Abstellanlagen für 6–10 Fahrräder vorgesehen. Ob hier auch geschlossene Systeme möglich sind, soll noch einmal geprüft werden. Hierbei sind insbesondere die denkmalpflegerischen Aspekte zu berücksichtigen.“
Aber wieso wurden dann schon Bäume gefällt? Sollten hier Tatsachen geschaffen werden?
Nein, erklärt das Baudezernat. Denn eigentlich möchte auch der Bauherr möglichst viel alten Baumbestand erhalten: „Der bestehende Baumbestand und die hohe Durchgrünung des Gebietes sind die wesentlichen ,weichen‘ Standortfaktoren für die angestrebte erfolgreiche Entwicklung und Wiederbelebung des Gebietes. Es ist daher ureigenes Interesse des Projektentwicklers, dass alle wirtschaftlich und fachlich sinnvollen Maßnahmen ergriffen werden, die den Erhalt des Baumbestandes, soweit dieser nicht wegen konkurrierender Flächennutzungen entfernt werden muss, gewährleisten können.
Zugleich ist jedoch festzustellen, dass zahlreiche Bäume, die bereits mit der Errichtung der Anlage um 1905 planmäßig angepflanzt wurden, mittlerweile ein sehr hohes Lebensalter erreicht haben und zudem aufgrund jahrelang ausgebliebener Pflege, zu enger Pflanzabstände oder falscher Standorte, starke oder sehr starke Schädigungen aufweisen. Auch führten nachträgliche Anpflanzungen sowie Wildaussaaten dazu, dass sich die Lebensbedingungen für die 1905 angepflanzten Bäume nicht verbesserten.“
Aber werden die gefällten Bäume wenigstens ersetzt? Ja, meint das Planungsdezernat: „Aufgrund dieses Antrags wurde nochmals geprüft, wie viele der aufgrund konkurrierender Festsetzungen zu beseitigenden und gemäß Baumschutzsatzung geschützter Bäume (116 Stück) im denkmalgeschützten Bereich ersatzweise anzupflanzen wären. Danach wären insgesamt 208 Bäume anzupflanzen. Die Zahl der nach Maßgabe des B-Planes im denkmalgeschützten Bereich anzupflanzenden Bäume beträgt hingegen 216 Stck. und übersteigt somit die nach Baumschutzsatzung notwendigen Ersatzpflanzungen um ca. 5 %.
Hinsichtlich des eingeforderten Vorschlags zur Durchführung von „freiwilligen Ersatzpflanzungen nach Maßgabe der Baumschutzsatzung anderen Ortes“ ist festzustellen, dass es dieses Vorschlags nicht bedarf, da auch unter Anwendung der Baumschutzsatzung keine weiteren Ersatzpflanzungen erforderlich sind. Für die Umsetzung der Ersatzpflanzungen besteht mit dem im ,Beiplan: Zielraster‘ und den unter Teil B: Text Nr. 8 getroffenen Festsetzungen zu den Baumpflanzungen eine Zielkonzeption, die das historische Konzept und die aktuelle Realität gut miteinander in Einklang bringt.“
Und dann war ja da noch der Wunsch der Linken, in der Parkstadt mehr mietpreisgebundenen Wohnraum zu schaffen, damit hier nicht nur die Reichen unter sich bleiben. Sie beantragten deshalb, dass 30 Prozent der Wohnungen mietpreisgestützt werden sollen. Aber der Antrag käme zu spät, betont das Baudezernat. Denn seit 2017 habe man den Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau immer wieder informiert darüber, dass der mietpreisgebundene Anteil nur in den neu gebauten Wohnungen auf dem Gelände anfällt, nicht im historischen Bestand. Für 34 Wohnungen sei mittlerweile auch Antrag auf Wohnraumförderung gestellt worden.
„Die im Antrag enthaltenen Forderungen greifen in erheblichem Umfang in die bislang bestehenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Entwicklung des Areals ein und hätten für die im Vertrauen auf den bisherigen Werdegang der Planung aufbauende Realisierung des Vorhabens weitreichende Folgen.“
Und auch eine kleine Verbesserung in der ÖPNV-Anbindung werde es geben, bestätigt das Dezernat noch zum letzten Antragspunkt: „Das heutige Angebot der ÖPNV-Erschließung an der zum Plangebiet am nächstgelegenen Haltestelle Pahlenweg in der Chemnitzer Straße (Buslinien 106, 108 und 141) entspricht dem in Kenntnis der geplanten Entwicklungen zur Parkstadt Dösen aufgestellten und im Dezember 2019 beschlossenen Nahverkehrsplan“, so das Planungsdezernat.
Das sind die Regionalbuslinien, die vor der Parkstadt heute schon halten. An eine Erweiterung von bestehenden LVB-Linien ist in dem Zusammenhang nicht gedacht. Nur an eine Verbesserung der Haltestellensituation: „Gegenstand der Planinhalte ist bereits u. a. die Verbesserung der Erreichbarkeit der an der Chemnitzer Straße liegenden Bushaltestellen. So werden die Haltestellen künftig gegenüberliegen und über eine Querungshilfe gut erreichbar sein. Zugleich wird der Gehweg verlängert und verbreitert.“
Und vielleicht kann ja die eine oder andere Buslinie auch ins Plangebiet einfahren. Das wäre dann ein Alternativvorschlag der Verwaltung.
Baumfällungen und Parkhauspläne machen die Parkstadt Dösen zum Politikum
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