Wenn man die Nachrichten aus dem Leipziger Neuseenland hört, dann glaubt man, es gehe immer nur um Kanäle, Motorboote und Vergnügungsparks, lauter Kunstprodukte in der Bergbaufolgelandschaft, die eigentlich mal als Erholungsraum für die Großstädter gedacht war. Doch wer auf umweltfreundliche Weise hinkommen will, scheitert oft daran, dass barrierefreie Angebote fehlen, Radwege im Nirwana enden oder sich in Buckelpisten verwandeln. Die simpelste Aufgabe, das Neuseenland umweltfreundlich zu erschließen, wird vernachlässigt.

Das thematisierte auch eine Petition aus dem November, die im Grunde eine Diskussion aus dem Nahverkehrsplan aufgriff, wo ja ein Thema zuletzt dominierte: die miserable Anbindung der äußeren Ortsteile an das Leipziger Nahverkehrsnetz. Und das nicht nur mit Straßenbahn- und Buslinien.

Wer in den Südwesten fährt, sieht eine Bahnstrecke mit lauter stillgelegten Stationen, obwohl hier nach wie vor eine Nahverkehsbahn nach Zeitz fährt. Aber sie hält weder in Kleinzschocher noch in Knautnaundorf. Die alten Haltepunkte sind stillgelegt.

Die Petition beschäftigte sich mit dem stillgelegten Haltepunkt in Knautnaundorf, der nicht nur den Ortsteil im Südwesten wieder besser mit dem Stadtzentrum verbinden könnte. Hier wäre – südlich der neu gebauten Erikenbrücke bei Hartmannsdorf – der nächste direkte Übergang von einer möglichen Bahnstation hinüber zum Zwenkauer See.

Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau stimmt dem Anliegen der Petition sogar zu: „Die Stadt Leipzig setzt sich beim Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) und bei der DB Station&Service dafür ein, dass in Knautnaundorf der Haltepunkt an der Bahnstrecke Leipzig-Gera wieder in Betrieb genommen bzw. in neuer Lage errichtet wird. – Die Stadt Leipzig setzt sich beim Freistaat Sachsen dafür ein, dass beim Neubau der Brücke der B 186 über die Eisenbahnstrecke und die Weiße Elster auch ein Geh-/Radweg realisiert wird.“

Eine unbefriedigende Situation

Die B 186 führt an der Stelle tatsächlich ohne Radweg über die Weiße Elster. Und stellt auch das Baudezernat fest: „Die Situation für Fußgänger und Radfahrer, von Knautnaundorf zum Zwenkauer See zu gelangen, ist schwierig und unbefriedigend. Der Lösungsansatz sollte und wird darin bestehen, die B 186 mit einem Geh-/Radweg zu ergänzen. Dies ist allerdings erst dann realisitisch, wenn das entsprechende Brückenbauwerk durch das dafür zuständige Landesamt für Straßenbau und Verkehr neu gebaut wird. Derzeit läuft dafür die Vorplanung. Allerdings lässt sich leider ein Termin für den Beginn des notwendigen Planrechtsverfahrens oder gar des Baus noch nicht benennen, da es dafür noch zu viele zu klärende Randbedingungen gibt.

Die im Radverkehrsentwicklungsplan 2010–2020 genannte Radwegbrücke in Verlängerung der Eythraer Straße konnte bislang noch nicht in das mittelfristige Straßen- und Brückenbauprogramm eingeordnet werden, da hier schon eine Vielzahl dringlicher Maßnahmen abzuarbeiten war und ist. Mit Blick auf die beträchtliche Anzahl dringend sanierungsbedürftiger Brücken mit starkem Verkehrsaufkommen, wird es auch in der derzeitigen Fortschreibung wahrscheinlich nicht möglich sein, diese Maßnahme einzuordnen.“

In der Petition wurde tatsächlich nur die Situation in Knautnaundorf thematisiert.

„Die Zielstellung der Herstellung eines Haltepunktes in Knautnaundorf wird durch die Stadt Leipzig mit dem Ratsbeschluss zum Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig im Dezember 2019 ebenfalls verfolgt“, meint das Planungsdezernat.

Und dann folgt der bekannte Eiertanz: „Aufgrund fehlender Zuständigkeit ist jedoch die Umsetzung der Maßnahme durch die Stadt Leipzig selbst nicht möglich. Der zuständige SPNV-Aufgabenträger, der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig, hat in seinem Nahverkehrsplan beschlossen, den Haltepunkt Knautnaundorf aufzulassen und zu prüfen, ob in der Ortslage Zitzschen ein neuer Haltepunkt zur besseren Erschließung des Zwenkauer Sees gebaut werden sollte. Die Stadt Leipzig hatte dem seinerseits zugestimmt, wird sich aber zukünftig beim ZVNL dafür einsetzen, dass in Knautnaundorf der Haltepunkt an der Bahnstrecke Leipzig-Gera wieder in Betrieb genommen bzw. in neuer Lage errichtet wird.“

ZVNL: Wir können doch nicht überall halten!

Ein geradezu peinlicher Vorgang: Einen Haltepunkt einfach abzuschaffen, ohne dass ein Ersatz dafür bereitsteht.

Und wie äußert sich der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig dazu?

„Der Haltepunkt Knautnaundorf wird seit dem Dezember 2017 nicht mehr vom SPNV bedient. Diese Entscheidung erfolgte in Abstimmung mit der Stadt Leipzig. Bis Dezember 2017 wurde lediglich einmal täglich in den Morgenstunden aufgrund fehlender Busanbindung aus Richtung Leipzig dort gehalten, um Beschäftigten die Fahrt zur Frühschicht zu gewährleisten. Es wurde dann allerdings festgestellt, dass auch hier keine Nachfrage mehr bestand. Die Nichtbedienung resultiert also zum einen aus der nicht vorhandenen Nachfrage und zum anderen aus infrastrukturellen sowie fahrplantechnischen Randbedingungen.“

Und dann verweist man einfach auf den Freistaat Thüringen als federführender Aufgabenträger, der sich hier „eine Beschleunigung der Verbindung nach Zeitz und dem Oberzentrum Gera“ gewünscht hat, „da so erhebliche Fahrgastpotentiale gehoben werden können. Es wurde daher geprüft, inwieweit der Betrieb beschleunigt und durch Baumaßnahmen die Streckengeschwindigkeit erhöht werden kann.“

Das grenzt dann schon an einen Narrenstreich: Die Haltepunkte verknappen, damit mehr Fahrgäste einsteigen.

Und das Ergebnis? Man hängt den Ortsteil Knautnaundorf einfach ab. Sollen die Leute doch mit dem Auto fahren.

Der ZVNL: „Weitere Haltauflassungen im ZVNL-Gebiet (außer Knautnaundorf) sind trotz entsprechender Forderungen der Nachbaraufgabenträger nicht vorgesehen, umgekehrt können aber nicht noch zusätzliche Halte eingerichtet werden. Am Haltepunkt Knautnaundorf befindet sich eine abgängige Fußgängerbrücke. Diese hätte mit einem siebenstelligen EURO-Betrag erneuert werden müssen, um nur diese eine Station weiterhin betriebsfähig zu halten (eine Verlängerung zum Zwenkauer See ist dabei noch nicht berücksichtigt).

Derzeit wird Knautnaundorf mit der Buslinie 120 erschlossen, die vom Leipziger Zentrum aus mit Umstieg vom Zug oder der Straßenbahnlinie 3 in Knauthain erreicht werden kann. Ein für die grundhafte Erneuerung notwendiger erheblicher täglicher Fahrgastzuwachs (Berufspendler) war und ist nach unseren Erkenntnissen für den ehemaligen Standort der Verkehrsstation Leipzig-Knautnaundorf nicht zu erwarten.“

So ticken die Verkehrsplaner in und um Leipzig: Statt die Strecke auf S-Bahn-Niveau auszubauen, wird sie runtergerechnet und so unattraktiv gemacht, das man die Reduzierung einfach immer mit fehlenden Fahrgästen begründen kann. Das ist schon im Leipziger Stadtgebiet schiefgegangen. Zukunftsweisend ist das jedenfalls nicht.

Warum nicht auch Groß-Dalzig opfern?

Lieber will man eine neue Station im südlicher gelegenen Zitzschen: „Der Petent erwähnt selbst die Herstellung eines neuen Haltepunktes. Die Zugänglichkeit zur Naherholung, z. B. Zwenkauer See, wird derzeit im Rahmen der Umsetzung des Nahverkehrsplans des ZVNL geprüft. Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Zwenkauer Sees zu einem attraktiven Naherholungszentrum ist der Ausbau weiterer Marinas und Badestrände vorgesehen. Hier sind im Bereich der Ortslage Zitzschen Entwicklungsmaßnahmen geplant. In diesem Bereich verläuft auch die Bahnlinie Gera-Leipzig nur in einem Abstand von 400 m zum zukünftigen Strand und Schiffsanleger.

Die Brücke über die Weiße Elster wurde in den letzten Jahren bereits erneuert. Eine etwaige Verkehrsstation in diesem Bereich käme außerdem ohne Fußgängerbrücke aus und wäre ohne Zusatzkosten vollständig barrierefrei. Insofern favorisiert der ZVNL im Gleichklang mit der angrenzenden touristischen Entwicklung einen Stationsneubau in Zitzschen.“

Aber das hätte wieder eine andere negative Folge, denn man will ja die Strecke unbedingt beschleunigen: „Im Gegenzug müsste dann aber der bisherige Haltepunkt Groß-Dalzig entfallen, da es aus den o. g. Gründen nicht zu einer Mehrung von Haltepunkten kommen kann. (…) Aufgrund der vorgenannten Gründe, aus Sicht des Fahrplans und der Nachbar-Aufgabenträger ist der Betrieb mehrerer Stationen allerdings nicht machbar. Den Forderungen des Petenten zum Anschluss an die Naherholung, für einen neuen Haltepunkt, die Einrichtung einer P&R-Anlage und damit die Entlastung Leipzigs vom MIV aus dieser Region würde mit der Errichtung des Haltepunkts Zitzschen gleichwohl voll entsprochen.“

Vielleicht sollte Leipzig endlich einmal aus dem ZVNL austreten. Solange so eine Denkweise dort vorherrscht, wird es keine sinnvollen Anbindungen der Region an die Großstadt geben und alles immer nur auf Sparflamme gefahren.

Denn im Leipziger Planungsdezernat sieht man die Sache seit dem Stadtratsbeschluss eindeutig anders: „Im Zusammenhang mit der Fortschreibung des Nahverkehrsplans der Stadt Leipzig (VI-DS-8001) hat der Stadtrat am 19.12.2019 beschlossen, darauf hinzuwirken, dass der Haltepunkt Knautnaundorf wieder in Betrieb genommen wird. Damit ergibt sich eine neue Sichtweise zu dem Thema bei der Stadt Leipzig. Die Stadt Leipzig wird sich deshalb zukünftig in den Gremien des ZVNL und gegenüber der Deutschen Bahn dafür einsetzen, dass in Knautnaundorf der Haltepunkt an der Bahnstrecke Leipzig–Gera wieder in Betrieb genommen bzw. in neuer Lage errichtet wird.“

Warum nicht mehr Haltepunkte an der Zeitzer Bahnstrecke im Südwesten?

Warum nicht mehr Haltepunkte an der Zeitzer Bahnstrecke im Südwesten?

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 24. Januar 2020): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen. Doch eben das ist unser Ziel.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen (zur Abonnentenseite).

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Aufrechterhaltung und den Ausbau unserer Arbeit zu unterstützen.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 350 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion „Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar