Eigentlich soll es jetzt im Frühjahr losgehen mit dem Wohnungsbau auf dem Gelände des Bayerischen Bahnhofs. Doch bislang rührt sich noch kein Bagger. Dafür machen sich Anwohner Sorgen, mit dem neuen Wohngebiet könnten neue Verkehrsprobleme in der Südvorstadt entstehen. Und nicht nur die Anwohner sorgen sich. Auch sie SPD-Fraktion sorgt sich, dass ausgerechnet die neuen autoarmen Stadtviertel die Verkehrsprobleme in der Nachbarschaft verstärken.
„In Leipzig sollen in den nächsten Jahren mehrere autoarme Stadtviertel entstehen, so z. B. am ehemaligen Eutritzscher Freiladebahnhof, das Stadtquartier westlich vom Hauptbahnhof und am Bayerischen Bahnhof. Bewohner von benachbarten Stadtteilen befürchten, dass dadurch der Parkdruck vor ihrer Haustür noch einmal zunimmt“, benennt die SPD-Fraktion das Problem in ihrer Anfrage.
Und das, obwohl sie in der Kiebitzmark in Paunsdorf selbst den Bau eines autoarmen Quartiers unterstützt. Das Problem ist natürlich: Halten sich die Bewohner auch wirklich dran und nutzen eifrig ÖPNV und Fahrrad und verzichten auf die Anschaffung eines Autos?
Die Frage ist nur zu berechtigt. Denn in vielen innerstädtischen Quartieren ist das Wildparken mittlerweile ein Problem. Die Bewohner verzichten nicht auf das Auto, auch wenn die Straßenbahn direkt vor der Haustür hält. Wobei die Frage ist: Ist die Quartierserschließung tatsächlich so schlecht geplant, wie jetzt einige Bürger aus der Südvorstadt befürchten, die extra eine „Petition zur Neuplanung Quartier Bayerischer Bahnhof“ gestartet haben.
Ziemlich spät, denn sowohl die Stadtbau AG als auch die BUWOG wollen jetzt anfangen zu bauen. Der Zeitplan ist denkbar knapp. Die Schulen, die die Stadtbau AG bauen will, werden dringend gebraucht.
Logische Folge: Der Schülerverkehr wird sich zu einem großen Teil an den Haltestellen rings um die S-Bahn-Station Bayerischer Bahnhof abspielen. Reichen die Haltestellen überhaupt aus? Die Frage ist nur zu berechtigt.
Die ersten Wohneinheiten, die die Buwog plant, sollen am Dösner Weg entstehen, also ebenfalls Richtung Straße des 18. Oktober.
„Wir, Anwohner und Anwohnerinnen in der Leipziger Südvorstadt, machen uns große Sorgen wegen der neu geplanten Bebauung des Quartiers Bayerischer Bahnhof. Bei der Neuplanung hat, gegenüber dem Architekten-Siegerentwurf aus dem Jahr 2011, eine erhebliche Nachverdichtung von 83.000m² auf 130.000m² Wohnfläche stattgefunden“, heißt es jetzt in der Petition.
„Ohne die darüber hinaus geplanten Gewerbeflächen (150.000m²) zu berücksichtigen, wird das neue Wohngebiet allein durch ca. 7.000 Anwohner und Anwohnerinnen, Schüler und Schülerinnen (3 neue Schulen) frequentiert werden. Aus Bürgersicht wird in der vorliegenden Masterplanung von 2019 die Problematik Quartiererschließung und ruhender Verkehr nicht gelöst (fehlende Erschließungsstraße für das neue Wohngebiet, unzureichende Stellplätze und Halteplätze für den Hol- und Bringverkehr).“
Tatsächlich will die Buwog insgesamt 1.600 Wohnungen für 2.700 Einwohner bauen. Und auch die späteren Wohnbebauungen in der Kohlenstraße und der Lößniger Straße entstehen am Rand des Geländes, das im Zentrum grün werden soll. Eine innere Erschließungsstraße macht da wenig Sinn, eher die Frage: Wo steigen die Bewohner der eher südlichen Teile im Gelände in den ÖPNV ein? Sie haben zwar die S-Bahn-Station MDR vor der Nase, aber eine attraktive Straßenbahnverbindung fehlt – auch für das dort geplante Gewerbegebiet.
Aber 7.000 Bewohner (wenn es denn so viele werden), lösen die tatsächlich einen „Verkehrskollaps in der Leipziger Südvorstadt“ aus, wie die Petitions-Autoren befürchten?
Zuallererst befürchten sie „Parkplatzsuchverkehr (bis zur Karl-Liebknecht-Straße), schon jetzt gibt es zu wenig PKW-Stellplätze“, außerdem „Morgendlicher und spätnachmittaglicher Verkehrsinfarkt in der Lößniger Straße/Kohlenstraße und allen angrenzenden Straßen, da die einzige Zufahrt Richtung Südvorstadt die verkehrsberuhigte Lößniger Straße ist.“
Und dazu eine „Überlastung der ÖPNV-Haltestellen, unter anderem zu kleine S-Bahn-Stationen“. Zumindest vermisst man städtische Planungen zur Verstärkung etwa der Straßenbahnlinie 9 und „die Ertüchtigung des ÖPNV für Anwohner/Anwohnerinnen und 2.300 Schüler/Schülerinnen“.
Aber auch aus der SPD-Anfrage spricht ja die Skepsis, dass die künftigen Bewohner aufs Auto verzichten (auf Stellplätze in den neuen Wohnhäusern wird ja trotzdem nicht verzichtet, das Quartier wird nur autoarm – heißt: ohne große Parkplätze im Inneren).
Und die Petition zeigt, dass das Autodenken noch immer weit verbreitet ist: „Die Argumentation der Stadt, dass in 20 Jahren die Menschen nicht mehr Auto fahren, greift zu kurz. Diese Haltung reicht nicht aus, um das Problem wegzudiskutieren. Es bedarf eines Planes, der nicht an den Realitäten vorbeigeht.“
„Wir fordern eine separate Erschließung des Wohngebietes und öffentliche Stellflächen in Form eines Parkplatzes oder Parkhauses. Wünschenswert wäre darüber hinaus die Reduzierung der geplanten Geschosshöhe um eine Etage (so wie es in der restlichen Südvorstadt üblich ist) und die Erweiterung der Straßenräume zwischen den Blöcken, um dem Wohngebiet etwas von seiner ,Monumentalität‘ zu nehmen“, heißt es in der Petition, die sich auf die Informationen der Einwohnerinformation im September 2019 beruft.
Besonders die Lößniger Straße werde dann stärker belastet: „Wir weisen darauf hin, dass es sich bei der Lößniger Straße um eine verkehrsberuhigte Anwohnerstraße handelt. Mit Anlage des neuen Quartiers so wie derzeit geplant, würde der gesamte damit verbundene Verkehr über die Lößniger Straße rollen.”
Eine zumindest berechtigte Frage: Wurde die Verkehrsorganisation rund um das Gebiet Bayerischer Bahnhof tatsächlich mitgedacht? Oder müssen Leipzigs Planer jetzt ihre Hausaufgaben nachholen? Und werden verspätete ÖPNV-Planungen jetzt zum Problem? Denn wenn man weniger Autos im Quartier will, muss es ringsum gute ÖPNV-Angebote und auch die vom Stadtrat geforderten Radwegeverbindungen geben.
Linke zu den Entwicklungen am Bayerischen Bahnhof und am Eutritzscher Freiladebahnhof
Linke zu den Entwicklungen am Bayerischen Bahnhof und am Eutritzscher Freiladebahnhof
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Es gibt 2 Kommentare
Es wird auf der Westseite 650 PKW-Stellplätze in Tiefgaragen geben. Das ist alles andere als autoarm.
Trotz der sehr, sehr guten ÖPNV-Anbindung geht man davon aus, dass man gut 300 PKW/Stellplätze für 1.000 Einwohner*innen schaffen muss.
Es wird also eher nicht zu höherem Parkdruck im Viertel kommen, sondern zu vielen freien PKW-Stellplätzen in den Tiefgaragen.
Schon lange gibt es die Forderung nach einerBuslinie durch die Tarostraße, die den Weg der Anwohner zumübrigen ÖPNV deutlich verbessern würde. Wenn also imDösner Weg neue Wohnungen und Gewerbeflächen entstehen,sollte diese Linie dort dann ebenfalls entlang gefühtr werden.