Fast ein ganzes Jahr hat es gedauert: Im Februar 2017 hatte der NuKLA e. V. Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen Sachsenforst wegen des Verstoßes gegen das Naturschutzgesetz in besonders schwerem Fall gestellt. Doch nun hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt. Denn wenn die untere Naturschutzbehörde in Leipzig keinen Verstoß gesehen haben will, gibt es auch keinen. So funktioniert Naturschutz in Sachsen.
Der NuKLA e. V. konnte bekanntlich nachweisen, dass auf geschützten Auwaldflächen in der Zuständigkeit einerseits der unteren Naturschutzbehörde Leipzig (sprich: dem Amt für Umweltschutz) und solchen der unteren Naturschutzbehörde Nordsachen Lebensräume des besonders unter Schutz stehenden Eremiten durch Baumfällungen zerstört wurden.
Beide Waldflächen gehören zum FFH-Naturschutzgebiet Leipziger Auensystem und befinden sich westlich der Burgaue. Während der nördliche Teil zu Nordsachsen gehört, gehört der südliche zwar zu Leipzig. Doch er wird nicht von der Abteilung Stadtforsten der Stadt Leipzig bewirtschaftet, kommt deshalb auch nicht in den Leipziger Forstwirtschaftsplänen vor.
Stattdessen werden diese Waldflächen bei Böhlitz-Ehrenberg vom Staatsbetrieb Sachsenforst bewirtschaftet. Auch der stellt – quasi in Eigenregie – Forstwirtschaftspläne auf und versucht auch irgendwie, den Wald umzubauen. Aber selbst wenn er sich dabei Waldumbauziele setzt, gilt auch für den Betrieb Sachsenforst das Verschlechterungsverbot. Alte, artenreiche Biotopbäume dürfen nicht gefällt werden. Und wenn sogar noch seltene geschützte Arten gefunden werden, sind die Bäume erst recht tabu.
So sah es auch die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Nordsachsen und untersagte dem Staatsbetrieb weitere Fällungen, nur um dann festzustellen, dass sich der Staatsbetrieb daran nicht gehalten hat.
Das Leipziger Amt für Umweltschutz hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, sich näher mit der Sache zu beschäftigen, und die Fällungen einfach genehmigt. Auch mit dem Hinweis, dass man keine Hinweise auf bedrohte Tierarten habe.
Und das ist dann auch das Hauptargument der Staatsanwaltschaft, um die Ermittlungen im Leipziger Teil jetzt einzustellen.
Mit Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 21. Januar wurde der NuKLA e. V. jetzt informiert, dass im Bereich Nordsachsen die dort zuständige untere Naturschutzbehörde zu einem Teil dieser Fällungen kein Einverständnis gegeben hatte. Deshalb sei man dort noch in der Weiterbearbeitung begriffen.
Für den Bereich in der Zuständigkeit der Naturschutzbehörde der Stadt Leipzig habe man das Verfahren eingestellt. In der umfänglichen Begründung heißt es, die Fällungen seien eben mit der Zustimmung der unteren Naturschutzbehörde Leipzig erfolgt. Die verwies als Grundlage für diese Zustimmung gegenüber der ermittelnden Staatsanwaltschaft darauf, dass auf den Flächen, auf denen die Eingriffe erfolgten, keine Habitatflächen (z. B. Vorkommen von Eremiten) von geschützten Arten kartiert seien.
Ein Phänomen, dass den Leipzigern ja auch im Zusammenhang mit den geplanten Baumfällungen im Forstwirtschaftsplan 2019/2020 auffiel. Erst als die Fachexperten der Umweltvereine – darunter auch die des NuKLA e. V. – loszogen und die für große Fällungen vorgesehenen Waldstücke z. B. in der Nonne begutachteten, wurde sichtbar, wie viele der hier stehenden Bäume Quartier der besonders geschützten Tier- und Insektenarten sind, darunter diverse Fledermausarten und der Eremit, der auch in den von Sachsenforst gefällten Bäumen gefunden wurde.
Es gibt zwar ein zentrales Kataster beim Umweltministerium. Aber das interessierte das Leipziger Umweltschutzamt wohl nicht die Bohne. Man genehmigte die Fällungen einfach ohne Ortstermin und berief sich wohl auf die eigenen Kartierungen, für die das Wort „lückenhaft“ wohl eine derbe Untertreibung wäre.
Die Einschätzung des NuKLA e. V. zum Stand dieser Kartierungen: „Die Kartierungen fanden nur sporadisch statt, liegen teilweise mehrere Jahre zurück und zudem ist der Eremit nur zu bestimmten Zeiten vom Erdboden aus kartierbar. Er besiedelt Baumhöhlen ab 10 bis 25 Metern. Dieses ist u. a. hier nachzulesen.
Zum Kartieren vom Erdboden aus ist der Eremit nur feststellbar, wenn die Höhle bspw. bei einem Sturm zerstört wird und offenliegt (bspw. durch Abbruch eines Starkastes oder der Krone oder Teilen der Krone) und der Inhalt oder Teile des Inhaltes der Höhle (Kotpillen, Überreste von Imago) auf den Erdboden fallen. Auch wenn ein Räuber (Specht, Waschbär) Zugriff zur Höhle erlangt und dabei Teile des Inhaltes der Höhle (Kotpillen, Überreste von Imago) auf den Boden fallen, mag der Eremit feststellbar sein.
Zur Paarungszeit kann es vorkommen, dass adulte Tiere tot aus der Höhle herausfallen, dies ist aber nur im Zeitraum Juli-August möglich und bedarf großen Zufalles. Ansonsten ist der Eremit nicht so ohne weiteres feststellbar.“
Das heißt: Gerade die zuständige Umweltbehörde muss mit diesem geschützten Biotop anders umgehen. Die oberflächliche Haltung der vergangenen Jahre führt immer wieder dazu, dass wertvolle Bäume gefällt werden.
Der NuKLA e. V. dazu: „Um den Eremiten zweifelsfrei zu kartieren, wenn nicht einer der obigen Fälle eingetroffen ist (Zerstörung, Teilzerstörung der Höhle, Aktivitäten von Räubern an der Höhle, zufällig heruntergefallene tote adulte Tiere) kann nur durch das Heraufklettern auf den Baum und die Untersuchung entsprechender Höhlen mit einer kleinen Kamera wirklich Aufschluss darüber geben, ob der Baum zweifelsfrei ein Brutbaum ist oder nicht.
Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Tiere sich durchaus auch dynamisch verbreiten können, ja, müssen. So werden Brutbäume durch Zerfall und Räuber regelmäßig entwertet und die adulten Tiere suchen, geleitet durch Geruchssinn, neue Bäume mit entsprechend ausgestatteten Höhlen auf. So kann also quasi in jedem Sommer zur Paarungszeit ein Baum neu besiedelt werden, sofern er eine geeignete Baumhöhle aufweist.
Dies bedeutet: auch wenn in einem Gebiet einst keine Habitatflächen kartiert wurden, heißt dies nicht, dass sich dort nicht doch Habitatflächen befinden, sei es, weil man sie bei der Kartierung einst nicht entdeckt hat, oder sei es, weil sie seit der letzten Kartierung neu entstanden sind.“
Was eben bedeutet, dass im FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“ jederzeit damit zu rechnen ist, dass der Eremit auch auf Flächen zu finden ist, wo er „nur noch nicht“ entdeckt worden ist. Jede Fläche mit entsprechendem Altbaumbestand ist deshalb als potentielle Habitatfläche des Eremiten zu sehen.
Und man sieht ihn eben spätestens, wenn der Baum gefällt ist. Aber dann ist es zu spät. Und die Mitglieder des NuKLA e. V. mussten sich, als sie im Januar 2019 in das Fällgebiet von Sachsenforst kamen, von den dortigen Fällbrigaden so einiges anhören. Auf einmal waren sie die Bösen.
Obwohl NuKLA das tatsächliche Vorkommen des unter höchstem Schutz stehenden Käfers mehrfach in den gefällten Bäumen nachweisen konnte, der Eremit sich also nicht an die Kartierungen der Stadtverwaltung gehalten hat. Die Staatsanwaltschaft verweist dabei auf die oft Jahre zurückliegenden Untersuchungen des Prof. Hellriegel Instituts, mit dem die Leipziger Naturschutzbehörde seit Jahren kooperiert. Das Amt für Umweltschutz hat einfach nur in diese alten Kartierungen geschaut und nichts gefunden. Und am 6. Dezember 2018 ohne weitere Prüfung Grünes Licht für die Baumfällungen gegeben.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist das eine rein verwaltungsrechtliche Angelegenheit. Man sieht – zumindest im Leipziger Teil – keinen Anlass, wegen Zerstörung des geschützten Gutes zu ermitteln. Sachsenforst hat ja mit Genehmigung des Leipziger Umweltschutzamtes gefällt.
Was NuKLA – wie beim Forstwirtschaftsplan 2018/2019 – nicht auf sich beruhen lassen will und weitere Rechtsmittel einlegen will. Wohl wissend, dass man dann wohl wieder beim Leipziger Verwaltungsgericht landen könnte, das sich auch im Fall Forstwirtschaftsplan schwertat, der Stadt Grenzen zu setzen. Damals klagte der NuKLA e. V. ja bekanntlich. Die Klage liegt nun in zweiter Instanz beim Oberen Verwaltungsgericht in Bautzen. Eine Entscheidung gibt es möglicherweise im März.
Bis zum Herbst hoffte NuKLA e. V. ja noch, dass der Stadtrat den neuen Forstwirtschaftsplan für die Saison 2019/2020 ablehnen würde. Dass der so eigentlich nicht zustimmungsfähig war, sah auch die Stadtratsmehrheit so, verständigte sich dann aber lieber auf einen Kompromiss und beschloss zum Forstwirtschaftsplan ein Paket naturschutzfachlicher Auflagen. Und die bedeuten eben auch, dass viele der zur Fällung vorgesehenen Bäume nicht gefällt werden dürfen.
Der Eremit wurde auch hier gefunden, mitten in der Nonne, die nach den veralteten Kartierungen eigentlich eremitenfrei sein sollte.
„Ich selbst war übrigens dabei, als ein Gutachter im betreffenden Gebiet auf dem Stadtgebiet Leipzig an einem der frisch gefällten Bäume das Bein eines Eremiten gesichert hat. Sein Gutachten dürfte also noch mehr Klarheit in diese Thematik bringen“, erzählt Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKLA e. V., über seine Begehungen mit fachkundigen Vereinsmitgliedern im Waldgebiet des Sachsenforst.
„Auch bei späteren Begehungen meinerseits fand ich im betreffenden Gebiet Reste von Eremiten. Sie waren schon recht zerfallen, sind aber ziemlich eindeutig einem Eremiten zuzuordnen. Fazit: Nur weil man mal was nicht kartiert hat, heißt dies nicht, dass es nicht da ist.“
Wie zwei Umweltschutzbehörden meinten, sie seien für den Umweltschutz gar nicht zuständig
Wie zwei Umweltschutzbehörden meinten, sie seien für den Umweltschutz gar nicht zuständig
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Es gibt 2 Kommentare
Ja, Robin W. so ist das. Leider ganz genau so. Man (die LIZ) hätte also eigentlich die Umweltverbände außer NuKLA ganz anders erwähnen müssen. Statt dessen klingt es so, als würden vom Ökolöwen, NABU, BUND Fachkundige zu Hauf durch die Fällgebiete gehen und Habitate nachweisen (was zur Folge hätte, dass nicht gefällt werden darf!). Da davon (als Ergebnis) nichts zu spüren ist (außer NuKLAs Klage, Strafanzeige und nun, wie man hörte, vielleicht erneuter Klage), kann es mit dem Interesse am Nachweis geschützter Arten dorten nicht weit her sein. Wenn SO qualifiziert die neuerdings im FWP enthaltene naturschutzfachliche Prüfung im Vorfeld und während der Fällungen aussieht, dann gute Nacht! Abgesehen davon, dass damit der Pflicht zur vor den Fällungen durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung noch lange nicht Genüge getan wird: es nennt sich zwar ähnlich und klingt nach Rettung des Lebensräume, heißt letztlich aber absolut nichts. Nach wie vor kann man in der Burgaue (Achtung: nur mit Sonderbegehungserlaubnis durch den Förster betreten!) dank NuKLAs Klage die Biotopbäume (also Bäume, die mit höchster Wahrscheinlichkeit Lebensräume geschützter Arten z.B., wie dann auch nach Fällungen erwiesen, des geschützten Eremiten sind) mit §-Zeichen versehen stehen sehen – inkl. dem Fällquerstrich des erzürnten Försters direkt darunter.
Zunächst muss man festhalten, dass umweltstrafrechtlich auch Zerstörungen von sog. FFH-Lebensraumtypen (z.B. Hartholzauwald) relevant sind (§ 329 StGB). So hat Sachsenforst im Waldgebiet des Kanitzsch zahlreiche Kleinkahlschläge in wertvollsten Hartholzauwaldbeständen durchgeführt und z.T. sogar mit fremdländischen Arten wie Elsbeere und Schwarznuss ausfgeforstet. Also völlig offensichtlich eine Umweltstraftat!
Zum Eremiten ist zu sagen, dass der eigentlich fast unkartierbar ist, gerade wenn die Larven sich erst beginnen zu entwickeln. Und die Zugänge zu den Mulmhöhlen sind oft so klein, dass man sie selbst nicht erkennen würde, wenn man überall in den Baumkronen herumklettern würde. Die EINZIGE Methode, den Eremiten zu schützen wäre, alte Bäume grundsätzlich zu schonen. Aber die Holzstapel sahen stets ja ganz anders aus…
Im übrigen ist das Stehenlassen alter Bäume auf den Kleinkahlschlägen sowieso auch keine Lösung, da solche durch die plötzliche Freistellung in ihrer Vitalität stark geschädigt werden (man sieht es z.B. an den Wasserreisern, und man sehe sich die Bodenverwüstungen drumherum an!) und Stürmen ungeschützt ausgesetzt werden. Das sind schon fast indirekte Fällungen.
Skandalös diese Entscheidung! Ebenso skandalös ist, dass nur NuKla Protest erhoben hat und die anderen in Leipzig aktiven Naturschutzverbände (v.a. Ökolöwe, NaBu und BUND) brav schweigen (wie auch zu Stadtforsten). Aber vielleicht sind diese Verbände Lobbyisten der Forst- und Holzindustrie (das kennt man von einigen anderen Gebieten in Deutschland leider auch; es gibt aber auch Ortsverbände z.B. des NaBu, die für Waldschutz kämpfen. leider aber nicht in Leipzig…) ???