Offiziell gibt es den Liviaplatz gar nicht, obwohl er der repräsentativste Stadtplatz im Waldstraßenviertel ist. Der Bürgerverein Waldtraßenviertel veranstaltet hier seine Bürgerfeste. Nur im Alltag sieht der Platz eher aus wie eine überdimensionierte Parkfläche. Man fädelt sich zwischen geparkten Autos durch, um schnell zur kleinen Brücke über den Elstermühlgraben zu kommen. Nur zu logisch, dass der Stadtbezirksbeirat Mitte beantragt hat, dem Platz endlich Aufenthaltsqualitäten zu geben.
„Der Stadtrat beschließt, den Liviaplatz im Waldstraßenviertel für mindestens zwei aber maximal drei Jahre zu einer Modellprojektzone zu erklären zwecks Untersuchens von Nutzungskonzepten und Platzneugestaltungsvarianten“, hieß es in der Dringlichen Angelegenheit, mit der der Stadtbezirksbeirat das Anliegen vortrug. „Im Produkt Stadtentwicklung werden dafür im Doppelhaushalt 2019/20 Gesamtaufwendungen von 75.000 Euro für das Aufstellen von Steinquadern, Sitzbänken, Pflanzschalen, Beschilderungen, Fahrbahnmarkierungen etc. geplant.“
Ein Anliegen, mit dem sich jetzt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau vollkommen einverstanden erklärt.
„Die Einrichtung einer Modellprojektzone am Liviaplatz bietet die Möglichkeit, sich dem denkmalgeschützten gründerzeitlichen Stadtraum in der gebotenen sensiblen Weise anzunähern“, schreibt das Dezernat in seiner Befürwortung des Projekts. „Von einer (Neu)Ordnung der Verkehrsfläche ist zu erwarten, dass sich die Nutzungskonflikte reduzieren und die Qualität des öffentlichen Raumes steigt.“
Offiziell hat der Platz keinen Namen, auch wenn sich der Name der in ihn einmündenden Liviastraße auf ihn übertragen hat. Eine Straße, die nicht ganz zufällig einen Frauennamen trägt, denn seit 1889 ist sie nach Livia Frege benannt, geborene Livia Gerhardt, die zu ihrer Zeit eine der faszinierendsten Sängerinnen in Leipzig gewesen sein muss. Sie trat vor ihrer Heirat mit dem Juristen und Rittergutsbesitzer Woldemar von Frege zusammen mit Clara Wieck in Konzerten auf. Nach ihrer Heirat konzertierte sie nur noch im privaten Kreis.
Und dass ihr Name im Waldstraßenviertel verewigt wurde, hat mit dem Fregeschen Besitz an der alten Funkenburg zu tun, die einen Großteil des heutigen Waldstraßenviertels einnahm. Das Gelände der Funkenburg wurde parzelliert und mit einem Straßenraster versehen, auf dem dann ab 1889 planmäßig luxuriöse Wohnhäuser für das Leipziger Bürgertum entstanden. Das Quartier ist bis heute fast komplett erhalten und wird bei Stadtrundfahrten gern als Vorzeigeviertel für die Gründerzeit in Leipzig präsentiert.
Aber auf dem großen Platz, auf den die Straßen sternförmig zulaufen, freilich zeigt sich die Gemengelage einer aufs Automobil fixierten Gesellschaft.
„Auf dem Liviaplatz konkurrieren verschiedene Nutzungsansprüche des ruhenden und fließenden Verkehrs mit dem Wunsch nach einer ‚echten‘ Platzgestaltung mit Aufenthaltsqualität“, benennt das Planungsdezernat das Problem. „Die Einrichtung einer Modellprojektzone ist daher auch seitens der Verwaltung ein nachvollziehbarer Schritt. Da das Modellprojekt letztlich den Zweck verfolgt zu entscheiden, ob eine bauliche Umgestaltung des Platzes sinnvoll ist, ergänzt der Verwaltungsstandpunkt den Beschluss um die Evaluierung des Projektes.“
Dabei will man schon 2020 beginnen, dem Platz mit zeitweiligen Einbauten die möglichen Konturen einer künftigen Platzaufteilung zu geben. Bis 2023 soll das Projekt laufen.
Dazu sollen schon in diesem Jahr 55.000 Euro für Planungsmittel und Herstellungskosten bereitgestellt werden. Der Rückbau der provisorischen Elemente soll dann 2023 erfolgen und rund 10.000 Euro kosten. Und projektbegleitend soll diese Platzverwandlung von 2020 bis 2023 evaluiert werden, wofür noch einmal 10.000 Euro bereitstehen.
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