Es wird kein transparentes Verfahren. Jedenfalls nicht so, wie es das Dezernat Stadtentwicklung und Bau jetzt plant. Nach einem mittlerweile sehr vertrauten Muster: Man verhandelt schon mal, macht Versprechungen und legt Dinge fest, die jede künftige Bürgerbeteiligung ad absurdum führen. An eine – wie von den Grünen beantragte – Evaluation der Pläne am Sportforum denkt das Baudezernat gar nicht. Die Enttäuschung der Grünen über „ihre“ erste Bürgermeisterin in Leipzig dürfte sich langsam in Verzweiflung verwandeln.

Im August 2018 hatten sie erstmals beantragt, den 2014er Stadtratsbeschluss zum Sportforum zu evaluieren und den inzwischen deutlich veränderten Bedürfnissen im Stadionumfeld anzupassen. Darauf bekamen sie vom Dezernat Stadtentwicklung und Bau, dem die einst von den Grünen nominierte Bürgermeisterin Dorothee Dubrau vorsteht, die Auskunft, dass man gar nicht daran denke, die 2014 beschlossenenen Leitlinien zu ändern.

Das klang so: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, für den Bereich zwischen der Arena Leipzig, der Friedrich-Ebert-Straße, der Eitingonstraße, der Goyastraße sowie der Straße Am Sportforum, bis Ende des 1. Quartals 2020 ein Entwicklungskonzept zu erarbeiten, welches die Belange der Entwicklung des Stadions, des damit verbundenen Verkehrs, der Realisierung des Sportmuseums und der Absicherung der sozialen Infrastruktur (Grundschulen) unter Berücksichtigung des Hochwasserschutzes (mögliche Öffnung Alte Elster) zusammenführt.“

Das Baudezernat setzte also selbst einfach wieder ein paar Marksteine, an denen es gar nicht zu rütteln gedachte. Bis hin zur „möglichen Öffnung Alte Elster“.

Das hat mit einer Evaluation nichts zu tun. In einer wirklich transparenten Evaluation wird ermittelt, ob die alten Bausteine des Beschlusses so überhaupt gebraucht werden. Und zwar objektiv, ohne Vorfestlegung einer Verwaltung, die an ihren Lieblingsprojekten nicht rütteln lassen will.

Denn für den Hochwasserschutz macht die Alte Elster keinen Sinn.

2019 freilich spitzte sich die Lage zu, denn auf einmal war von Verhandlungen der Verwaltung mit dem Fußballclub RB Leipzig zu hören, die dem Bundesligisten ausgerechnet das Grundstück andiente, auf dem nach Vorstellungen der Grünen eigentlich eine dringend benötigte Schule gebaut werden sollte. Und die nächste Hiobsbotschaft kam aus dem Stadtbezirksbeirat Mitte, der die vorgesehene Minimalvariante für die Straßenbahnwendeschleife, die eigentlich die Besuchermengen zu Fußballspielen und Arena-Veranstaltungen aufnehmen müsste, für völlig unzureichend befand.

Die Grünen reichten also eine Neufassung ihres Antrags ein: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt eine Evaluation des Ratsbeschlusses RBV-2101/14 („Beschluss zur Umsetzung und Planungsbeschluss für das Nutzungskonzept für den öffentlichen Raum im Umfeld des Sportforums und Information zum Sachstand“) vom 18.06.2014 vorzunehmen und dem Stadtrat bis Ende II. Quartal 2020 Bericht zu erstatten.“

Und im Einleitungsteil der Stellungnahme, die jetzt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau vorgelegt hat, klingt es zwar so, als würde die Verwaltung jetzt freudig zustimmen, das ganze Vorhaben zu evaluieren.

Aber das ist nur Nebengeplänkel, auch wenn es vollmundig heißt: „Die Realisierung der mit Ratsbeschluss RBV 2101/14 vom 18.06.2014 zu planenden und umzusetzenden Maßnahmen des Nutzungskonzeptes für den öffentlichen Raum im Umfeld des Sportforums soll evaluiert und die entsprechenden Ergebnisse dem Stadtrat bis Ende des II. Quartals 2020 vorgelegt werden.“

Weiter klingt es sogar so, als würde es den Antrag der Grünen-Fraktion übernehmen: „Davon ausgehend soll die Stadtverwaltung für den Bereich zwischen Arena Leipzig, der Friedrich-Ebert-Straße, der Eitingonstraße, der Goyastraße sowie der Straße Am Sportforum in einem transparenten und mit dem Stadtrat abgestimmten Verfahren bis Ende 2020 einen Masterplan erarbeiten, der schwerpunktmäßig

– die erforderliche Verbesserung der ÖPNV-Anbindung an der Ostseite der Veranstaltungsstätten RedBull Arena und Arena Leipzig mit der 2014 beschlossenen großen Wendeschleife der LVB,

– die Reduzierung der im Stadionumfeld bei Großveranstaltungen vorhandenen PKW-Stellplätze, die Aufwertung der vorhandenen P+R-Angebote bei Konzentration auf die Nutzung der Mobilitätsangebote des Umweltverbundes sowie

– eine dem Umfeld und der Verkehrsfunktion angemessene Gestaltung des Stadionvorplatzes beinhaltet.“

Aber in der Erläuterung der Stellungnahme wird dann deutlich, dass das Planungsdezernat nicht mal daran denkt, an den eigenen Vorstellungen irgendetwas zu ändern.

Schon gar nicht diskutieren will man über die Verhandlungen mit RB Leipzig.

Konkret liest man dazu: „Eine Nichtverpachtung des Grundstücks auf dem ehemaligen Schwimmstadiongelände beeinträchtigt die laufenden Verhandlungen mit dem privaten Vorhabenträger zur gemeinsamen baulichen Entwicklung des Sportmuseums, der notwendigen Infrastruktur für eine sachgerechte Betreibung der RedBull Arena und des dazugehörigen Sport- und Trainingsbetriebs und zur Errichtung eines Parkhauses – auch im Kontext mit den Bedarfen der Quarterback Immobilien Arena und der Bewerbung um die Fußball-EM 2024.

In Verhandlung ist unter anderem ein Erbbaupachtrecht zur dauerhaften Sicherung kommunalen Eigentums. Für den privaten Vorhabenträger ist aus kaufmännischer Sicht eine eigentümerähnliche Stellung zur Umsetzung für die Stadt (Sportmuseum) und den Investor (Infrastruktur zur Stadionbetreibung und zum Sportbetrieb) unabdingbar. Ein Abbruch der Verhandlungen gemäß Antrag gefährdet die Konzept- und Projektentwicklung erheblich und wäre nachteilig für die Stadt Leipzig.“

Die Lindenallee an der Arena markiert den Verlauf der Alten Elster. Foto: Ralf Julke
Die Lindenallee an der Arena markiert den Verlauf der Alten Elster. Foto: Ralf Julke

Und indem die Stadt RB Leipzig 2018 die Kapazitätserweiterung des Stadions genehmigt hat, hat sie gleichzeitig den Zubau weiterer Stellplätze zugesichert. Das liest sich nun so: „Die mit der Baugenehmigung vom 29.06.2018 zur Kapazitätserweiterung des Stadions unter Berücksichtigung des Mobilitätsmixes erforderlichen Stellplätze wurden nachgewiesen und durch Baulast gesichert. Damit sind alle im unmittelbaren Umfeld des Stadions verfügbaren Flächen ausgeschöpft.

Die für die sachgerechte Betreibung des Stadions erforderlichen Stellplätze im Liga- und im europäischen Spielbetrieb setzen die Bereithaltung von zugewiesenen Stellplätzen für VIP-Gäste, Medienvertreter, Broadcaster und Fans mit Handicap voraus. Der Bedarf liegt für die RB Arena bei 1.000 bis 1.200 Stellplätzen. Eine Verlagerung auf Verkehrsmittel des Umweltverbundes ist hier nicht möglich, da es sich bei diesen Stellplätzen nicht um Besucherstellplätze handelt. Parksuchverkehr kann deshalb auch ausgeschlossen werden.“

Verkaufen wolle die Stadt das Gelände zwar nicht. Man will es aber in Erbpacht geben.

Und erweitern soll RB Leipzig seine Kapazitäten auch am Cottaweg dürfen: „Im Rahmen der Erarbeitung des Masterplanes soll zusätzlich für das Gebiet östlich und westlich des Cottaweges die bauliche Realisierbarkeit weiterer Entwicklungsnotwendigkeiten von RB Leipzig bei Ausschluss der Schaffung weiterer Stellplätze für den Veranstaltungsbetrieb und den Cottaweg selbst geprüft und dem Stadtrat transparent dargelegt werden. Der Prüfauftrag sollte auch die Vervollständigung des Grünzuges westlich des Cottaweges durch Renaturierung bislang versiegelter und für o. g. Entwicklungen nicht benötigter Flächen enthalten.“

Aus Radfahrersicht ist das eine verkehrspolitische Katastrophe, denn damit wird die Befahrbarkeit des Elsterradwegs und des parallelen Cottawegs bei Fußballspielen künftig noch gefährlicher. Oder ganz unmöglich.

Die Verwaltung betont zwar, sie habe die Verkehrsströme untersucht. Aber das Ergebnis sieht nicht danach aus.

Und der Masterplan enthält schon jetzt eine Reihe Vorbedingungen, an denen die Verwaltung nicht rütteln lassen will, auch wenn das Planungsdezernat diesen Plan dem Stadtrat erst Ende 2020 vorlegen will.

„Die Stadtverwaltung hat bereits mit der Grundlagenerarbeitung für den Masterplan Stadionumfeld begonnen und beabsichtigt, das Verfahren bis Ende 2020 zu inhaltlichen Ergebnissen zu führen“, kann man da lesen.

„Dabei soll der Stadtrat und auch die Öffentlichkeit in die Entwurfsphase eingebunden werden. Die genannten inhaltlichen Befassungen mit den Themen Verbesserungsmöglichkeiten des ÖPNV, Fuß- und Radverkehrs, die Berücksichtigung des ruhenden MIV des Waldstraßenviertels, die angemessene Gestaltung des Stadionvorplatzes, die Berücksichtigung notwendiger Infrastrukturen für die Betreibung der RedBull Arena einschließlich der Verwaltungsunterbringung RB, die Anforderungen von Schule und Kita, die Berücksichtigung der Ansiedlung des Sportmuseums sowie die Öffnung der Alten Elster werden im Rahmen der Planung intensiv erfolgen.

Nicht Gegenstand der Aufgabenstellung wird jedoch die zusätzliche Unterbringung von Teilen der Stadtverwaltung mit Ausnahme des Amtes für Sport sein, da die begrenzten Flächenangebote dies absehbar nicht hergeben werden.“

Das sind so viele Festlegungen, dass man sich fragt: Auf welches Lieblingsprojekt wird die Verwaltung verzichten, um überhaupt noch Platz für die anderen Bausteine zu haben? Bis hin zu den „Verbesserungsmöglichkeiten des ÖPNV, Fuß- und Radverkehrs“, von denen bislang noch nichts zu lesen war?

Statt endlich die Feuerbachschleife zu bauen, versucht Leipzigs Verwaltungsspitze, RB ein Filetstück zu verkaufen

Statt endlich die Feuerbachschleife zu bauen, versucht Leipzigs Verwaltungsspitze, RB ein Filetstück zu verkaufen

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 1. November 2019): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 400 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 2 Kommentare

“Die mit der Baugenehmigung vom 29.06.2018 zur Kapazitätserweiterung des Stadions … erforderlichen Stellplätze wurden … durch Baulast gesichert.” Dann wurden da schon mal Tatsachen geschaffen, auf diese Flächen hat die Stadt keinen Zugriff mehr. Dort kann man nichts mehr planen, braucht man nix mehr zu evaluieren oder Bürger zu beteiligen. Es sei den, die Beteiligung läuft wie immer und der Bürger wird “informiert”.

Hallo Redaktion,
sehr geehrter Herr Dobschütz,
zum Artikel zur Planung Baudezernat für Vorplatz Sportforum hier einige Anregungen von mir um vielleicht Beweggründe seitens des Baudezernats auszuloten.
Es sind ja noch die vormaligen Bearbeiter in der Verwaltung mit dem Konzept beschäftigt, also kann man nur ausloten, wer was warum so vorsieht. Das soll heissen, dass vieleicht Sie als L.IZ mal bei der LTV, Herrn Bobbe, vorstellig werden mit der Frage, ob die Öffnung der Weißen Elster im alten Flussbett überhaupt noch zum Hochwasserschutz erforderlich ist und ob der Freistaat in absehbarer Zeit dann auch Gelder zum Umbau zur Verfügung stellt oder ob diese Option offen gehalten werden sollte. Und 2: auch Frau Dubrau interviewen, warum anscheinend die Interessen von RB mit Erweiterung von Stellplatzflächen vorangig wahrgenommen werden gegenüber den Interessen der Stadtbevölkerung mit ÖPNV-Wendeschleife, Schule und Freizeitgestaltung bzw. wäre das auch eine Frage an die OBM-Kandidaten, wie sie mit dieser verfahrenen Situation umgehen würden.
Mit freundlichem Gruß
C. Korth

Schreiben Sie einen Kommentar