Im Juni beschäftigte eine Anfrage von Elke Thiess aus der BUND Regionalgruppe Leipzig die Stadtverwaltung. Es ging um eine 130-jährige Eiche in Stünz, die eigentlich unter Schutz stehen sollte. Aber auch solche Bäume kann Leipzigs Verwaltung nicht retten, wenn der Grundstückseigentümer nicht will. Nach nur zwei Monaten wurde der Eiche der Schutzstatus entzogen, stellt jetzt der Ökolöwe erbittert fest.

„In der Gemarkung Stünz, Zweenfurter Str., Ecke Kötzschkestr., auf dem Flurstück 173, steht eine ca. 140 Jahre alte vitale Stieleiche mit einem Stammumfang von 280 cm und einem Kronenumfang von ca. 20 m. Dieser Baum zeichnet sich durch einen besonders schönen Habitus aus, welcher nur selten zu beobachten ist und das Ortsbild prägt“, hatte Elke Thiess festgestellt.

„Nach unserer Kenntnis gibt es für das Flurstück 173 Bebauungsabsichten. Bei einer Bebauung müsste der Baum gefällt werden. Der schwer ersetzliche Wert großer alter Bäume ist allgemein bekannt. Neben dem kulturell/ästhetischen geht es natürlich auch um den ökologischen Wert. Eichen sind Nr. 1 der Habitatbäume und bieten rund 500 Tier- und Pflanzenarten Nahrung und Lebensraum. Sie leisten in Ortschaften einen hohen Beitrag zur Luftreinhaltung, Frischluftzufuhr und zur Verbesserung des Mikroklimas.“

„Um die Ökosystemleistung einer 100-jährigen Eiche zu ersetzen müssten etwa 100 zehnjährige Eichen nachgepflanzt werden. Der BUND Leipzig hält alle Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung dieses Baumes als Naturdenkmal gemäß Satzung der Stadt Leipzig für gegeben. Schutzzweck wäre: Erhaltung aus kulturellen Gründen, zur Sicherung von Lebensgemeinschaften oder Lebensstätten bestimmter Tiere und Pflanzen sowie wegen seiner Schönheit und besonderen Ausprägung und Eigenart.“

Im Sommer gab sich das Umweltdezernat noch zuversichtlich, dass es die alte Eiche retten könnte.

„Die Stadt Leipzig hat unter anderem die Möglichkeit, den wertvollen Baum zu erhalten, indem sie ihn als Naturdenkmal unter Schutz stellt. Das Verfahren dazu läuft“, teilte es auf die Anfrage von Elke Thiess hin mit. „Es wurde ein Sachverständigen-Gutachten beauftragt und erstellt, welches die Schutzwürdigkeit des Baumes als Naturdenkmal feststellt. Der Baum wird nun durch eine Allgemeinverfügung einstweilig als Naturdenkmal sichergestellt, bevor er dann per Verordnung als Naturdenkmal festgesetzt wird. Eine Bauvoranfrage für das Grundstück wurde mit Verweis auf die Schutzwürdigkeit des Baumes durch die Stadt Leipzig abgelehnt.“

Mit der Unterschutzstellung wären bei Zerstörung auch entsprechende Strafzahlungen fällig, so das Umweltdezernat: „Die Beseitigung eines Naturdenkmals sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturdenkmals führen können, sind durch das Naturschutzgesetz verboten. Verstöße hierzu werden als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 50.000 EUR geahndet.“

So wirklich reich gesät sind ja die Naturdenkmale in Leipzig nicht. Und seit zehn Jahren sind auch keine neuen hinzugekommen, antwortete das Umweltdezernat ebenfalls. „In den letzten 10 Jahren (seit 2009) wurden seitens der unteren Naturschutzbehörde insgesamt 11 Naturdenkmale (10 Baum-ND, ein Weinstock) aufgehoben. Diese Naturdenkmale sind aufgrund ihres natürlichen Abgangs bzw. wegen der von ihnen ausgegangenen akuten Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und der deshalb als Notstandsmaßnahme erfolgten Fällung nicht mehr vorhanden, sodass die erlassenen Vorschriften in Bezug auf diese Bäume nicht mehr wirksam sind. Neuausweisungen von Naturdenkmalen gab es seit dem Jahr 2009 in der Stadt Leipzig nicht.“

Und nun die Hiobsbotschaft: Der 130 Jahre alten Eiche wurde nach nur zwei Monaten der Schutzstatus als Naturdenkmal wieder aberkannt. Obwohl die Naturschutzbehörde keine Zweifel an der Schutzwürdigkeit der Eiche hat, konnte der Flächeneigentümer den Schutzstatus anfechten, stellt der Ökolöwe fest. Seit 20 Jahren war dies der erste Einzelbaum in Leipzig, der auf Antrag des Ökolöwen als Naturdenkmal gesichert wurde.

„Echter Baumschutz sieht anders aus! Warum haben wir Naturschutzgesetze, wenn sie immer wieder ausgehebelt werden“, fragt Friederike Lägel, umweltpolitische Sprecherin des Ökolöwen. „Wir Ökolöwen und über 18.000 Leipzigerinnen und Leipziger fordern mit dem Appell ‚Mehr Grün für Leipzig’ einen wirksamen Baumschutz.“

Die 130-jährige Eiche in der Zweenfurther Straße/Ecke Kötzschkestraße wurde nach Bundesnaturschutzgesetz aufgrund ihrer Seltenheit, Eigenart und Schönheit zum Naturdenkmal erklärt. „Von über 120.000 Stadtbäumen in Leipzig gibt es nur 148 Bäume, die durch diesen Status geschützt sind – das ist viel zu wenig“, sagt Lägel. „In Leipzig gibt es weit mehr von diesen wertvollen Stadtbäumen, die genau den schutzwürdigen Anforderungen entsprechen.“

Aufgrund des öffentlichen Interesses und der Schutzwürdigkeit sei es nun Aufgabe der Verwaltung, die Unterschutzstellung der Eiche als Naturdenkmal rechtlich durchzusetzen, fordert der Ökolöwe.

Mit der Kampagne „Mehr Grün für Leipzig“ kämpft der Ökolöwe auch um den Schutz der Altbaumbestände in der Stadt.

Leipzigerinnen und Leipziger können den Appell „Mehr Grün für Leipzig“ unter www.oekoloewe.de unterschreiben.

Die Kampagne „Mehr Grün für Leipzig“.

 

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 1. Oktober 2019): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 450 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 4 Kommentare

Naja, lieber Klaus, vielleicht doch eher: das eine tun und das andere auch.
Allerdings frage ich mich, warum niemand protestiert, dass für soetwas Bizarres wie ein öffentliches Gefängnis für exotische Tierarten, den Leipziger Zoo, unser schönes Rosental seiner alten Bäume Fläche um Fläche beraubt wird: gerade wieder für ein Disneyland “Feuerland” massenhaft Rotbuchen. Hier könnte der Ökolöwe sich auch mal einschalten. Zoo ist sowas Perverses, da geht in 30 Jahren kaum noch einer hin, wie jetzt schon in einen Zirksu mit Tierdressuren: gefangene Wildtiere, die sich er erzwungenen Fortpflanzung erwehren (die süßen kleinen Elefantenbabys) oder gleich mal in den Freitod gehen (wie das Löwenpärchen), um dieser elenden Gefangenschaft mit Begaffern entgehen zu können. Statt dessen könnte man richtige Natur INS Rosental holen, natürliche Wildnis mit freilebenden, hier ansässigen Tieren. Aber da ist es schwierig, vor den Ausgang noch eine riesiges Einkaufsparadies zu setzen, durch alle Eltern ihre Kinder lotsen müssen – meist nicht, ohne da noch mal Geld ausgegeben zu haben.

Gestern war ich bei FFF unterwegs, ich sah Auwaldschutzkunstprojekte, da geht es sicher nicht nur um eine einzelne 130 Jahre alte Eiche.

Was die Grünen nur immer wieder haben – der Standort drängt sich förmlich zur Lückenbebauung mit einem Wohnhaus auf. Die Damen sollten sich um die seit Jahren stattfindenden großflächigen Abholzungen von Tausenden Bäumen im Auwald kümmern. Der Wald gehört der Stadt Leipzig und ist rund 5900 ha groß. Das Grundstück in Stüns gehört Privatleuten und ist 0,063 ha klein.
Wer einen wirkungsvollen Beitrag für die Biodiversität und den Klimaschutz leisten will, setzt sich dort ein, wo der Schwerpunkt liegt.
Da aber der Ökolöwe zahlreiche Projekte von der Stadt Leipzig mit vielen Tausend Euro bezahlt bekommt, „kratzt“ dieser Verein (man nennt ihn in der Szene liebevoll „ „Dosenfutterkatze der Stadt Leipzig“) offensichtlich lieber Privatpersonen, die ein Häuschen an der Straße bauen wollen.
Das war gestern Gesprächsthema auf dem Simsonplatz

Ich finde das nicht so dramatisch. Im Auwald ist das kein Problem, da dürfen laut den städtischen Behörden und des Ökolöwen alte Eichen gefällt werden, was sogar gut sein soll.

Wenn die Eiche da schon 130 Jahre steht, warum ist das dann überhaupt Bauland? Wer hat dieses Land als Bauland freigegeben, wann und warum? Kann ja kaum eine Kriegslücke sein.

Schreiben Sie einen Kommentar