Dinge dauern in Deutschland. Das wird gern beklagt, hat oft aber auch ganz handfeste Gründe. Seit 2014 arbeitet die Stadt Leipzig an der Idee, aus dem Sellerhäuser Bahnbogen eine grüne Meile auf dem alten Bahndamm zu machen, der den Leipziger Osten durchzieht. Früher fuhr hier mal die S-Bahn. Aber selbst der Erwerb des Bahnbogens von der Bahn dauerte über zwei Jahre Jahre, konnte Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau am Mittwoch, 13. November, feststellen.
Da stellte sie die Preisträger im Architekturwettbewerb für die künftige Gestaltung des Bahnbogens vor. Der soll ja künftig Teil eines grünen Aktivbandes werden – mit einem von Landschaftsarchitekten gestalteten Geh- und Radweg auf der stillgelegten Bahnstrecke sowie dem Viadukt. Anwohnern, Besuchern und Touristen soll hier aktive und ruhige Erholung ermöglicht und durch eine stärkere Verknüpfung des Wegenetzes die Barrierewirkung der Bahntrasse überwunden werden.
Im Bereich des Viadukts ist ein „Stadtbalkon“ mit Ausblick auf das Leipziger Stadtpanorama geplant. Mit Fördermitteln aus dem Bundesprogramm Nationale Projekte des Städtebaus hatte die Stadt einen entsprechenden Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben – 20 Landschaftsarchitekten aus ganz Europa nahmen sich der Aufgabe an.
Ohne Fördergelder hätte das Projekt jetzt noch nicht umgesetzt werden können. Auch das betonte Dubrau.
Das Wettbewerbsgebiet ist Teil des sogenannten Parkbogen Ost. Der Sellerhäuser Bogen umfasst dabei eine etwa 1,5 Kilometer lange und etwa 6,9 Hektar große ehemalige S-Bahn-Trasse zwischen Sellerhausen und Anger-Crottendorf. Sie führt über fünf Brücken, von denen vier unter Denkmalschutz stehen, die daher nicht zu stark verändert werden dürfen.
Vorgabe für den Wettbewerb der Landschaftsarchitekten war zudem, dass der Charakter der Bahntrasse auch in Zukunft sichtbar sein soll – etwa indem der vorhandene Gleisschotter genutzt wird. Eine attraktive Begrünung, Orte für Begegnung und Aktivitäten sollten ebenso geschaffen werden wie Ruhebereiche. Auch sollten die Architekten Gestaltungsideen entwickeln, die auf andere Teilflächen des Parkbogens Ost übertragen werden können, sodass eine gestalterische Klammer gesetzt wird. Großer Wert wurde zudem darauf gelegt, dass der Sellerhäuser Bogen barrierefrei zugänglich ist.
Am Wochenende waren die Wettbewerbsergebnisse schon in der Pfeilerhalle des Grassi-Museums zu sehen. Am Sonntag, 11. November, tagte die Jury, an der auch vier ausgewählte Bürger (ohne eigenes Stimmrecht) teilnehmen konnten. Gerade weil der Parkbogen seit fünf Jahren auch intensiv von Bürgern begleitet wird, wird er am Ende wohl ein gelungenes Projekt der Stadtgestaltung. Der mit 24.000 Euro dotierte Siegerentwurf stammt vom Berliner Büro Sinai Gesellschaft von Landschaftsarchitekten.
„Es ist etwas Besonderes, dass wir hier eine ehemalige Bahnfläche zu einem Park entwickeln können. Vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt und knapper werdenden Freiflächen ist das auch in Leipzig keine Selbstverständlichkeit“, freut sich Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. „Die Entwürfe und Ideen werden einen großen Beitrag dazu leisten, nicht nur die Nutzungsmöglichkeiten und Qualitäten des Parkbogens Ost, sondern auch der angrenzenden Flächen aufzuwerten.“
In der Jurybegründung heißt es: „Der Entwurf beschreibt einen konsequent umgesetzten Höhenpark auf drei Ebenen, die er als Basisebene mit dem angrenzenden Stadtraum, als Höhenebene mit der Dammkrone und als Böschungszone mit Verbindungselementen durch Rampen und Treppen ausprägt. Dies gelingt der Entwerferin durchgängig und überzeugend […]. Besonders überzeugend ist die Gestaltung im südlichen Anschluss an die Anger-Crottendorfer-Bahnschneise.“
Das Berliner Büro soll nun mit der Realisierung der Ideen beauftragt werden. Dafür müssen die Pläne weiter ausgearbeitet werden, als Baubeginn wird das Jahr 2021 angestrebt. Auch eine weitere intensive Bürgerbeteiligung soll es geben.
Die 2 Millionen Euro reichen natürlich nicht für das komplette Stück Bahnbogen. Auch die Sanierung des Viadukts erfolgt außerhalb dieser Summe. Wirklich schon umgesetzt wird der südlichste Teil des alten Bahndamms vom S-Bahn-Haltepunkt Anger-Crottendorf bis zur Theodor-Neubauer-Straße (und der dort befindlichen Feuerwache, die sich immer mehr zum Kultur-Hotspot im Osten entwickelt). Schon in diesem Anschnitt wird sichtbar werden, wie diese künftige Leipziger Highline funktionieren wird, auch wenn das Vorbild in New York natürlich deutlich mehr Geld zur Verfügung hatte.
Fahrradrampen sollen auch hier schon die leichte Auffahrt auf den Damm ermöglichen. Auf der Krone des 300 Meter langen Teilstücks werden auch Elemente an die alte, einst hier befindliche S-Bahn-Station erinnern. Für den Brückenkopf kann sich das Architektenteam tatsächlich auch so etwas wie ein zweistöckiges Café und eine Tribüne für Veranstaltungen vorstellen. Auf der Nachbarfläche sollen Sport- und Feizeitmöglichkeiten entstehen.
Die für den ersten Bauabschnitt geplanten Kosten betragen zwei Millionen Euro, die zu 80 Prozent von der europäischen Union gefördert werden. Über den Bau- und Finanzierungsbeschluss zur Sanierung des Viadukts muss noch der Stadtrat entscheiden.
Der Wettbewerb aber umfasste natürlich das komplette 1,5 Kilometer lange Stück Bahnbogen und ist so ausdifferenziert, dass die Stadt damit jetzt um weitere Fördergelder werben kann. Denn erst mit Fördergeldern wird der Traum umsetzbar, den kompletten Hochweg bis zur Schulze-Delitzsch-Straße mit Park- und Aufenthaltsangeboten auch neben dem Damm zu verwirklichen.
Denn der alte Eisenbahndamm soll – so Adolf Walter Faust von Sinai – wirklich Parkcharakter erhalten. Der Radweg, mit dem man bequem quer durch den Osten fahren kann, ist nur ein Teil des Ganzen. Es soll echte Aufenthaltspunkte geben, vielleicht auch kleine Gärten und Obstwiesen. Treppen sollen an vielen Stellen den leichten Aufstieg ermöglichen. Und die Wege sollen so gestaltet sein, dass man hier gemütliche Rundwege machen kann.
Ab dem 25. November sind die Entwürfe der vier Preisträger sowie weiterer Einreicher im Stadtbüro am Burgplatz 1 (Zugang über Markgrafenstraße 3) zu sehen. Im Vorfeld des Wettbewerbs hatten Ideen der Bevölkerung zum Parkbogen Ost bereits zu einem Masterplan für das Areal geführt, der 2017 verabschiedet wurde.
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