Seit mittlerweile sieben Jahren beschäftigt sich das Projekt „Lebendige Luppe“ mit der Revitalisierung der Leipziger Nordwestaue. Wäre es nach den Plänen von 2012 gegangen, würden schon längst die Bagger neue Wasserläufe durchs Gehölz schlagen und einen künstlichen kleinen Fluss anlegen. Aber seit 2017 sind die alten Pläne Makulatur. Das wird ein Thema bei der Bürgermeistersprechstunde von Heiko Rosenthal am 17. Oktober im Stadtbüro.
Die Einladung zur Bürgermeistersprechstunde:
Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal lädt die Leipziger am Donnerstag, 17. Oktober, 16 Uhr, zur nächsten Bürgersprechstunde in das Stadtbüro am Burgplatz 1, Zugang über Markgrafenstraße 3, ein. Gemeinsam mit Rüdiger Dittmar, Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, wird er über relevante Themen der grün-blauen Infrastruktur in der wachsenden Stadt – insbesondere über die Entwicklung des Auwaldes und das Naturschutz-Projekt „Lebendige Luppe“ – informieren.
Die grün-blaue Infrastruktur ist ein wichtiger Bestandteil der dynamischen und wachsenden Stadt. Die Auen von Elster, Pleiße und Luppe sowie der Parthe mit ihren großflächigen Wald- und Wiesenlandschaften prägen als grün-blaues Rückgrat bis heute die Struktur und Attraktivität Leipzigs. Für gesunde Umweltbedingungen, individuell nutzbare Erholungs- und Bewegungsangebote in Freiräumen sowie als Biotopverbund für Arten und Lebensräume gewinnen sie mehr und mehr an Bedeutung.
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Was hat sich geändert?
2017 lud die Landesdirektion Sachsen die verantwortlichen Amtsmitarbeiter und die Umweltverbände zum Scopingtermin zum Projektstand „Lebendige Luppe“, das damals praktisch schon zum Stillstand gekommen war. Zum einen hatten sich sämtliche Vorschläge zerschlagen, wie man aus der Nahle dauerhaft Wasser für den geplanten neuen Flusslauf bekommen könnte. Verzweifelt suchte man nach einer Lösung, wenigstens aus der Kleinen Luppe Wasser zu bekommen. Aber auch das zerschlug sich.
Zum Scopingtermin machte dann die Landesdirektion deutlich, dass die Anlage eines neuen künstlichen Bachverlaufs in einem Gebiet, in dem überall noch die alten Flussverläufe des Luppesystems zu sehen sind, keinen Sinn machte. Und das gewählte Gebiet, das künftig wieder (künstliche) Überflutungen bekommen sollte, war viel zu klein gewählt. Es könne nicht darum gehen, die Burgaue ein bisschen zu vernässen. Wenn so ein Projekt geplant würde, müsste die komplette Nordwestaue und ihre gesamte Funktionsfähigkeit mitgedacht werden.
Das war die Gesamtkonzeption, die auch aus Sicht der befragten Umweltverbände komplett fehlte.
In der Einladung der Landesdirektion wurde das damals so formuliert: „Die mit dem Vorhaben verfolgten Ziele sollen damit im Kontext zu den übergeordneten naturschutzfachlichen Zielen in diesem Gebiet, welche in der Sicherung und Entwicklung der biologischen Vielfalt im Ökosystem der Leipziger Flussauenlandschaft, in der Bereitstellung und Verbesserung der Ökosystemdienstleistungen der Leipziger Flussauen für die Großstadt und ihre Bevölkerung und in der Schaffung eines durchgängigen Fließgewässernetzes zwischen Elsterbecken und Luppewildbett (Landesgrenze Freistaat Sachsen/Sachsen-Anhalt) stehen.“
Das war die deutliche Forderung, die alten Auenflüsse wieder richtig ans Elsterflusssystem anzuschließen. Sie erinnerte auch daran, dass das Projekt „Lebendige Luppe“ eigentlich drei klare Ziele hat:
„die Revitalisierung der Fließgewässer im nordwestlichen Auwald im Einklang mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) als Baustein eines durchgängigen, auentypischen Fließgewässernetzes zwischen dem Speisungspunkt bis Einbindung in das Luppewildbett,
– die Stabilisierung bzw. Aufwertung der Aue und ihrer Funktionen und
– die Sicherung und Entwicklung der auentypischen Biotop- und Habitatstrukturen und des Entwicklungspotenzials für Überflutungen zur Stabilisierung des Hartholzauenwalds (,no regret-Strategie‘).“
„No regret“ heißt in dem Zusammenhang eindeutig: Kein Projektbaustein darf dazu führen, dass man dessen Umsetzung später bedauert, weil er nachfolgende Lösungen verhindert. Und sei es auch nur, dass das Geld zum Fenster rausgeblasen wurde.
Und unüberlesbar war auch die Formel „Revitalisierung der Fließgewässer im nordwestlichen Auwald“. Das war die deutliche Absage an einen weiteren künstlichen Wasserlauf. Das beinhaltete die Wiederherstellung der Alten Luppe genauso wie die Einbeziehung der heute landwirtschaftlich genutzten Flächen, die eigentlich zur Aue gehören und in historischen Zeiten nur als Weideland genutzt wurden.
Die Einladung ging damals freilich noch davon aus, dass das Projekt „Lebendige Luppe“ mit diesen Zielen weitgehend übereinstimmen würde und wohl auch in die vom Freistaat geforderte Gesamtstrategie passen würde. Aber dem war nicht so, was damals auch schon die beteiligten Umweltverbände in einem gemeinsamen Papier deutlich machten. Zu diesen Verbänden gehörten der BUND, der NABU, der Ökolöwe, der NuKLA und der Landesverein Sächsischer Heimatschutz. Also alle für Leipzig wesentlichen.
Und sie sahen ihre Forderungen auch im Wesentlichen von der Landesdirektion übernommen.
Die acht Forderungen:
1. Projekt „Lebendige Luppe“ in ein hydrologisches und naturschutzfachliches Gesamtkonzept einbinden (Potenzialanalyse und Leitbild des LfULG).
2. Randbedingungen öffnen: Das Projekt wird nur bei Nutzung des natürlichen Wasserdargebotes gelingen. Anpassungen des Gewässerknotens und des integrierten Gewässerkonzeptes (IGK) sind dafür unerlässlich.
3. Wirksame auenökologische Flutungen zulassen (Häufigkeit, Dauer, Intensität). Dies ist ohne Einschränkung des Hochwasserschutzes möglich.
4. Variantenuntersuchung qualifizieren mit Priorität der auenökologischen Wirksamkeit (Oberflächen- und Grundwasserdynamik).
5. „Lebendige Luppe“ als naturnahes Hauptgewässer in Anlehnung an historische Verläufe, Profile und Wassermengen wiederbeleben (z. B. Alte Luppe). Die Wasserrahmenrichtlinie, insbesondere das Verbesserungsgebot, ist dabei wesentlicher Maßstab.
6. Dafür reicht eine Anbindung an die Kleine Luppe und die Ausbildung eines weiteren (Burgauen-)Bachs nicht aus. Eine Ausleitung aus der Nahle ist notwendig, um das natürliche Wasserdargebot der Aue zuzuführen.
7. Gesamtkonzept weiterentwickeln, um die Gewässer und Auen unterhalb des Palmengartenwehres insgesamt naturnäher zu gestalten sowie tangierende Maßnahmen rechtzeitig abzustimmen und mit Partnern in Angriff zu nehmen (Hochwasserschutz, Brücken, Siedlungsentwässerung, Ackerlandnutzung).
8. Das Projekt „Lebendige Luppe“, die nötigen Maßnahmen, Folgen und ihre (ökologischen) Ziele sollten sich im gesamten Handeln der Stadt Leipzig bzw. Schkeuditz wiederfinden. In allen Verwaltungsbereichen (Tourismus, Immobilien, Flächennutzung u.s.w.) muss das Projekt „Lebendige Luppe“ sowie das Gesamtkonzept des Leipziger Auensystems in die Entscheidungen Eingang finden.
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Ihre Erwartung: „Wir möchten die Vorhabenträger ermutigen, diese Punkte offensiv aufzugreifen und ein der Förderkulisse (BfN) entsprechendes, überregional bedeutendes und zukunftsfähiges Naturschutzprojekt zu gestalten. Die Verbände haben das Projekt seit der gemeinsamen Erklärung ,Lebendige Burgaue?‘ (März 2014) intensiv und kritisch begleitet. Wir werten die Hinweise der Landesdirektion als Bestätigung unserer fachlichen Arbeit für ein ambitioniertes Projekt ,Lebendige Luppe‘. Für die Zukunft empfehlen wir einen intensiven, ergebnisoffenen Dialog mit den lokalen Umwelt- und Naturschutzverbänden.“
Den könnte es, wenn man der LVZ da Glauben schenkt, jetzt mit einer neuen Arbeitsgruppe geben. Nur einer hat augenscheinlich mal wieder keine Einladung bekommen, wie es aussieht. Zumindest hat der NuKLA e. V. schon mal einen Brief an die zuständige Abteilung im Umweltdezernat geschrieben, warum man von einer Einladung noch nichts wisse.
Und Thema wird die deutliche Veränderung des Projekts auch zur Fachtagung „Lebendige Luppe im Kontext einer zukünftigen Auenentwicklung“ am 6. und 7. November im Leipziger KUBUS des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ).
Die gemeinsame Erklärung der Umweltverbände.
Wer Nahle und Neue Luppe nicht zu lebendigen Flüssen macht, rettet in der Nordwestaue gar nichts
Wer Nahle und Neue Luppe nicht zu lebendigen Flüssen macht, rettet in der Nordwestaue gar nichts
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Es gibt 2 Kommentare
Bereits 2014 war absehbar das Leipzig kein echtes Interesse an einer Revitalisierung der Burgaue hat. Das ganze war eine Schnapsidee aus dem Amt für Stadtgrün und Gewässer, wollte man doch als Ersatz für die Bootsnutzung im Floßgraben den Verbänden eine “Alternative” bieten. Das hat super geklappt bis dann NuKLA auf der Bildfläche erschien.
Damals sind wir dann nach Dresden zur Fachbehörde mit der Idee der “Lebendigen Burgaue”. Dort sind wir zunächst auf offene Ohren gestoßen und bekamen diese tolle Empfehlung, leider aber hat sich Leipzigs OBM Jung (SPD) und Bürgermeister Rosenthal (LINKE) zu keiner Zeit dazu geäußert, alles verlief im Sande.
Die Empfehlung:
„Aus Sicht des LfULG kann der Erhalt des Leipziger Auwaldes zu einem sächsischen Vorzeigeprojekt für die gemeinsame Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-, Wasserrahmen- und Hochwasserrisikomanagementrichtlinie unter Nutzung der Synergien entwickelt werden. Die erforderliche Sensibilisierung der jeweiligen lokalen und regionalen Aufgabenträger sollte durch das SMUL initiiert werden“.
Niederschrift erstellt am 19.08.2014
LfULG – Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (Fachbehörde des SMUL – Sächsisches Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft)
Wie funktioniert eine Ausleitung aus der Nahle, wenn diese doch viel zu tief liegt?
Und wenn man sie irgendwie auf dem jetzigen Niveau hin bekommt – was passiert dann mit der Ausleitung, sollte man einmal das Nahlebett höher legen, um dem Auwald das zurück zu geben, was er braucht? Wasser nämlich.