Seit das Institut für Länderkunde die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs für sein neues Gebäude am Wilhelm-Leuschner-Platz öffentlich machte, sind einige Leipziger regelrecht entsetzt. Denn erstmals wurde greifbar, was eigentlich in den Jahre zurückliegenden städtebaulichen Wettbewerben zur Neubebauung der riesigen innerstädtischen Brache als Ergebnis herauskam. Das Grün verschwindet. Der NABU ist entsetzt. Und der Stadtbezirksbeirat beantragte, die städtebaulichen Leitlinien auch auf der Westseite des Platzes zu benutzen.
Das ist eigentlich dann die Ostseite des Peterssteinweges. An der Nonnenmühlgasse wird ja schon emsig gebaut. Und auch hier wird den Leipzigern so langsam klar, was die vielstöckige Bebauung dieser Innenstadtgrundstücke am Ende tatsächlich bedeutet. Man hat sich über 70 Jahre lang praktisch daran gewöhnt, dass man südlich vom Neuen Rathaus überall Grün sieht, als wären hier lauter Parks entstanden. Wertvolle Biotope sowieso, weshalb ja mittlerweile vier Naturschutzverbände massiv protestieren, denn bei den städtebaulichen Planungen wird fast immer vergessen, dass die vertriebenen Tiere aus diesen grünen Oasen ja irgendwo hin müssen. Aber selbst in den offiziellen Grünanlagen räumt das Leipziger Amt für Stadtgrün auf, als wäre nur eine kahle Fläche auch eine akzeptable Fläche. Ganze Gehölze werden entfernt. Und damit die möglichen Rückzugsräume für Tiere.
Am Peterssteinweg hatte der Stadtbezirksbeirat Leipzig-Mitte die Sorge, hier könnte demnächst ein weiterer gesichtsloser Klotz hingebaut werden, und stellte den Antrag, die städtebaulichen Maßgaben von der Ostseite des Wilhelm-Leuschner-Platzes auch auf dieses Baufeld auszuweiten.
Aber das sei doch gar nicht nötig, beruhigt jetzt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau auf seine nonchalante Art. Hier werde es doch auch schön.
Und auf den städtebaulichen Wettbewerb auf der Ostseite lässt man nichts kommen. Der habe doch ein richtig formidables Ergebnis gebracht.
„Die Bebauung des Wilhelm-Leuschner-Platzes ist ein hervorragendes und wesentlich stadtbildprägendes Vorhaben in diesem besonders bedeutsamen Innenstadtbereich am Promenadenring und vis-a-vis des Neuen Rathauses. Das Anliegen des Antrages, die bauliche Vervollkommnung des Wilhelm-Leuschner-Platzes auf allen künftigen platzbegrenzenden Gebäudefronten durch eine wertige Architektur und nachhaltige städtebauliche Lösungen zu erreichen, wird von der Verwaltung ausdrücklich unterstützt und ist bereits Verwaltungshandeln.“
Aber auf das Areal zwischen Dimitroffstraße, Harkortstraße, Martin-Luther-Ring und Peterssteinweg müsse man das nicht übertragen. Hier gelte schon seit dem historischen Jahr 1996 der rechtsverbindliche Bebauungsplan Nr. 16.1 „City-Süd, Nonnenmühlgasse“. Das ist zwar eine komplette Generation her. Und dass so viele Architekturplanungen heute auf so viel Missfallen stoßen, hat ja auch damit zu tun, dass die Leipziger mittlerweile gesehen haben, was oft dabei herauskommt, wenn wirklich gebaut wird. Und sie haben gemerkt, dass die Vorstellungen der 1990er Jahre viele Wünsche einer Gegenwart, in der wertvolle Stadtbiotope verschwinden, nicht mehr erfüllen.
„Der Bebauungsplan Nr. 16.1 enthält Örtliche Bauvorschriften, die ein angemessenes Maß an architektonischer Qualität und die Verortung von Werbeanlagen festschreiben“, meint das Planungsdezernat. Und: „Kein Gebäude im Bereich ‚City-Süd‘ wurde ohne ein vorangestelltes konkurrierendes Verfahren errichtet.“
Als Beispiel nennt es den Neubau der Propsteikirche St. Trinitatis, für den 2009 ein zweistufiges Wettbewerbsverfahren stattfand. „Die Gestaltung des Wohn- und Geschäftshauses mit Kita Nonnenmühlgasse 3-5/Ruth-Pfau-Straße wurde im März 2015 im Gestaltungsforum der Stadt Leipzig intensiv diskutiert“, betont das Dezernat. „Das Wohn- und Geschäftshaus Martin-Luther-Ring 1-5 ist Ergebnis eines Gutachterverfahrens aus dem Jahr 1996. Die Gestaltung der Station des City Tunnels unter dem Leuschner-Platz ist das Resultat eines Einladungswettbewerbes nach GRW 1995 im Jahr 1997.“
Die Öffentlichkeit bekam dann freilich stets erst die Wettbewerbsergebnisse zu sehen.
Und was ist nun mit der Fläche direkt vor der Polizeidirektion, wo heute noch ein paar Bäume stehen und ein provisorischer Parkplatz existiert?
„Die Flurstücke 797 und 799 wurden durch die Stadt Leipzig als Arrondierung an die Eigentümerin der dahinterliegenden Flurstücke (St. Elisabeth gGmbH) mit der Verpflichtung zur Durchführung eines Wettbewerbsverfahrens nach RPW zur Architekturfindung des künftigen Baukörpers veräußert. Die GRK-Gruppe als neue Eigentümerin hat diese Verpflichtung übernommen und wird erst nach Durchführung des Wettbewerbsverfahrens ins Eigentum über die Grundstücke unmittelbar am Peterssteinweg gelangen. Die Stadtverwaltung befindet sich dazu im Gespräch mit der GRK-Gruppe“, teilt das Planungsdezernat mit. Womit auch schon mal klar ist, dass hier mit der GRK Holding einer der großen Leipziger Immobilienentwickler zum Zug kommt.
Und was dann gebaut wird, will die Verwaltung nicht ganz dem Eigensinn des Bauherrn überlassen: „Die Verwaltung behält sich ergebnisabhängig ein entsprechendes Handeln zur Sicherung städtebaulicher Ziele vor. Das betrifft zum einen den Umgang mit notwendigen Befreiungen von Bebauungsplan-Festsetzungen und zum anderen die Fortschreibung notwendiger Bauleitplanung (Änderungen B-Plan Nr. 16.1 „City-Süd, Nonnenmühlgasse“ bzw. separate vorhabenbezogene Bebauungspläne).“
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