Mit dem Antrag der Linksfraktion ist seit dem Herbst endlich das Thema Elsterbecken auch auf dem Tisch des Stadtrates. 14 Jahre lang war es in der Versenkung verschwunden. Und 14 Jahre lang galt eine Beschlusslage, die das Becken eigentlich in einen faulen Tümpel verwandelt hätte – oder verwandeln würde, wenn sich hier wieder das Eigeninteresse einiger Verwaltungsbeamter durchsetzt. Die haben auch versucht, die neue Entwicklung am Elsterbecken gleich wieder zu unterbinden.
Denn schon am 26. September 2017 gab es eine Gewässerschau Oberflächenwasserkörper (OWK) Weiße Elster-11 (DESN_566-11), Gewässer I. Ordnung, vom Elsterbecken bis zur Stadtgrenze. Da wurde der miserable Zustand der Weißen Elster westlich vom Rosental genauso thematisiert wie der vor sich hinfaulende Zustand des Elsterbeckens. Und auch damals war schon klar, dass die Pläne der Stadt, das Elsterbecken als Ruderbecken herzustellen, nicht umsetzbar sind. Und dass der geplante Bau der Alten Elster vor allem die wertvolle Nordwestaue endgültig trockenlegen würde.
Nur: An die Öffentlichkeit dringen sollten die Befunde nicht.
Nur einer hielt sich natürlich nicht daran, wohl wissend, dass alle fachlichen Einsprüche der Umweltvereine nicht berücksichtigt werden, wenn nicht in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, was da falsch läuft. Oder falsch gesteuert wird, weil es einer kleinen Gruppe einflussreicher Kanalenthusiasten immer wieder gelingt, über die Leitungsebene ihre eigenen Interessen auf Kosten der Allgemeinheit durchzusetzen.
Der NuKLA e.V. hat zumindest seine eigene Stellungnahme zur Gewässerschau öffentlich gemacht. Formuliert hat sie Prof. Dr. Bernd Gerken, der als deutschlandweit ausgewiesener Chemiker, Forstzoologe und Ökologe seit geraumer Zeit den NuKLA e.V. und sein Aueninstitut fachlich unterstützt.
Und für ihn war 2017 klar, dass auch das Elsterbecken Teil einer lebendigen Auendynamik werden muss.
„Wer das Elsterbecken jetzt sieht, blickt in schwarztrübe Fluten, dümpelnd und in der warmen Jahreszeit auch stinkend“, schrieb er damals an das Leipziger Amt für Umweltschutz. „Wir empfehlen, das Elsterbecken grundlegend umzugestalten. Zunächst wäre es umfassend zu entschlammen. Sodann kann aus dem vorhandenen gebietstypischen Geschiebe ein naturnahes Gerinnesystem modelliert werden, das der Fluss nach der Erstanlage im Weiteren selbst gestalten wird. Das LTV hat dazu bereits vor Jahren eine ausführliche Betrachtung und konkrete Planungen vorgelegt.“
Augenscheinlich wusste er aber nicht um die hochbelasteten Sedimente im Elsterbecken, deren Entsorgung nach heutigen Preisen rund 100 Millionen Euro kosten würde. Deswegen plädieren Fachleute eher dafür, die alten Sedimente aus den Zeiten der ungeklärten Industrieentwässerung im Becken zu belassen, wo sie nicht aufgewirbelt werden und deshalb auch den Fluss nicht weiter belasten. Der Fluss zeichnet sich auf Satellitenaufnahmen heute schon im Becken ab, wäre deutlich schmaler und das Wasser würde schneller fließen, wenn einfach der Wasserspiegel im Becken um 50 bis 100 Zentimeter abgesenkt würde.
Wenn der Fluss aber schneller fließt, lagert er auch keine weiteren Sedimente ab, sondern schwemmt sie mit – runter in die Aue, wo die Sedimente heute fehlen.
Bernd Gerken: „Es hat unseres Erachtens keinen Sinn, auf eine Regattastrecke zu warten. Die käme nur einem kleinen Segment der Bevölkerung zugute, ansonsten bliebe den Menschen die bisherige phantasielose Wasserfläche bestehen. Zudem wären damit beträchtliche Folgekosten verbunden, da ständig bis an die Beckenränder entschlammt werden müsste. Mit den Forderungen der WRRL wäre dies schon gar nicht vereinbar.
Hingegen entspricht die Gestaltung und eigendynamische Entwicklung naturnaher Gerinne im Elsterbecken den Erfordernissen der WRRL und erfüllt Ansprüche der Bevölkerung an einen Erholungsraum bietenden stadtnahen Fluss.“
Die Abkürzung WRRL steht für (europäische) Wasserrahmenrichtlinie. Sie verpflichtet die EU-Mitgliedsländer dazu, ihre Flüsse wieder zu revitalisieren, die Gewässergüte wieder so weit zu verbessern, dass darin wieder ein natürlicher Reichtum an Fischen, Wasserpflanzen, Krebsen, Muscheln usw. entstehen kann. Davon sind sämtliche sächsischen Flüsse meilenweit entfernt.
Trotz Ende der umweltverschmutzenden Industrie sind auch die Leipziger Flüsse Parthe, Pleiße, Luppe und Weiße Elster so hochgradig belastet, dass sie über die Güteklasse 5 nicht hinauskommen. Hauptursache sind massive Einschwemmungen von Nitraten und Pflanzenschutzmitteln aus der Landwirtschaft, aber auch das Fehlen eigener Reinigungspotenziale, denn kanalisierte Flüsse bieten kaum Platz für Schilf, Mäander und Flussinseln, alles Flussbestandteile, die auch helfen, die Wasserqualität zu verbessern.
„Auf dem entstehenden naturnahen Gerinne- und Insel-System werden sich verschiedene auentypische Pflanzen- und Tiergemeinschaften ansiedeln, wozu unter anderem Pionierkrautfluren und offene Kies-, Sand, und Lehmgründe gehören werden. Um den Hochwasserschutz zu gewährleisten ist durch naturnahe Maßnahmen bis auf eine geringe Anzahl von Einzelgehölzen der flächige Gehölzbewuchs zu unterbinden“, schrieb Gerken 2017. Im beigefügten Interview erklärt er, warum er derart vehement für wilde, also möglichst naturnahe Flüsse kämpft.
Nur in Leipzigs Verwaltungsspitze wird dieses Wissen bislang abgeblockt. Man setzt weiter auf völlig überteuerte Kanalprojekte, statt dem Flusssystem, das eindeutig über die Güteklasse 5 nicht hinauskommt, endlich die Chance zu geben, wieder Selbstreinigungskräfte zu entwickeln.
„Einen lebendigen Vergleich bietet die Isar im Inneren der Stadt München“, schrieb Gerken. „Dort tummeln sich tagein tagaus bei günstigem Wetter viele Menschen – und auch für den Artenschutz bedeutsam hat sich eine wertvolle Fauna wieder eingestellt, wozu dort unter anderem der Huchen gehört! Bei uns in Leipzig werden unter anderem die Flußjungfern, Steinfliegen und Eintagsfliegen sich tummeln, die flusstypischen Unio-Muscheln und andere werden profitieren. Und das wird dann im Stadtinneren erlebbar! Das wird absehbar ein Modellprojekt der Auen-Revitalisirung. Die Stadt und die LTV werden in Kooperation mit den Verbänden gemeinschaftlich wirksam für den Artenschutz der Fließwasserinsekten und der Fische wirken – UND diese Maßnahmen dienen direkt der Bevölkerung! Für die Erholung suchenden Menschen werden zu den vorhandenen Wiesen außerhalb des Einzugsbereichs des Flusses (= oberhalb der vorhanden Mauern) die Inseln am fließenden Wasser hinzugewonnen!“
Um irgendwie nach dem Bau eines teuren Kanals namens Alte Elster dann doch wieder ein bisschen Wasser in die Elsteraue zu bekommen, bastelt das Amt für Stadtgrün und Gewässer seit über zehn Jahren an einer künstlichen Überleitung aus dem Gewässerknoten von Parthe und Weißer Elster in die dann praktisch trockengelegte Neue Luppe. Völlig überflüssig sei so ein Projekt, schätzte Gerken ein: „Für die Partheüberleitung gibt es immer noch keinen Antrag. Ist also noch kein Thema. Ob man sie für den HWS braucht, wird sich zeigen.“
Tatsächlich braucht man sie nur, wenn man die Alte Elster tatsächlich baut und dann die Hauptwasser der Weißen Elster am Sportforum entlang rauschen lässt. Dann wird nämlich der doppelte Hochwasserfall – wenn Weiße Elster und Parthe gleichzeitig Hochwasser führen – zum Problem. Dann stauen sich die Wassermassen möglicherweise hinterm Klärwerk Rosental. Aber nur möglicherweise, denn das Palmgartenwehr wird auch künftig geöffnet, wenn es Elsterhochwasser gibt. Die Wassermassen stürzen ins Elsterbecken. Und führen Sedimente mit, die dort entweder liegen bleiben, weil ein viel zu breites Becken die Wassergeschwindigkeit quasi auf Null stoppt. Oder sie werden abgeführt mit dem Fluss, wenn dort ein Fluss fließen darf.
Darum geht es jetzt in der Debatte um den Antrag der Linksfraktion, der das Thema nach 14 Jahren endlich wieder auf den Tisch gebracht hat. Der Stadtrat hat jetzt die große Chance, den millionenteuren Fehlbeschluss von 2004 zu korrigieren und im Elsterbecken tatsächlich eine naturnahe und vor allem bezahlbare und zukunftsfähige Lösung zu beschließen.
Die Gewässerdynamik in der kompletten Nordwestaue muss geändert werden
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