Wie heißt es doch so schön auf einer der Tafeln, die seit dem letzten Sommer im Waldgebiet Die Nonne zu sehen sind? – „Eine der wichtigsten Aufgaben der Bewirtschaftung im Leipziger Auenwald ist die nachhaltige Sicherung des Baumartenreichtums sowie der Strukturvielfalt der Hartholzaue, um dadurch die gesamte Biodiversität (Artenreichtum) zu erhalten.“ Eigentlich hätte man erwarten dürfen, dass dort stehen würde: „Die wichtigste Aufgabe ist ...“ Aber das kann nicht der Förster lösen. Aber wem schreiben wir das?
Am 24. Oktober stimmte der Leipziger Stadtrat dem vom Umweltdezernat vorgelegten Forstwirtschaftsplan zu. Wider besseres Wissen, könnte man schreiben. Aber ganz so einfach ist es nicht. Denn die Diskussion zeigte so erstaunlich offen wie selten, dass im Stadtrat so gut wie gar kein Wissen über den Auenwald, die Hartholzaue, die Rolle der Forstwirtschaft und die Probleme der Aue existiert.
Die „alten Schlachtrosse“ aus dem Stadtrat (die sich teils sogar selbst so nennen), die 1992 schon dabei waren und damals die bis heute gültige Auwaldstrategie beschlossen, waren die einzigen, die überhaupt zum Thema sprechen konnten. Die jüngeren Stadträte folgten. Man hob mehrheitlich die Hand und stimmte überhaupt zum ersten Mal einem Leipziger Forstwirtschaftsplan zu.
Vorher war der immer nur durchgewunken worden, der Stadtrat wurde informiert, die Abteilung Stadtforsten bestellte die Fällbrigaden und femelte und fällte drauflos. Mit einer durchaus eindrucksvollen Begleitung. Auch das spielte am 24. Oktober eine Rolle. Denn nachdem zuvor der NuKLA e.V. an die Ratsfraktionen appelliert hatte, dem Forstwirtschaftsplan nicht zuzustimmen, verschickten kurz vor der Abstimmung elf Wissenschaftler/-innen einen Brief, in dem sie zu einigen Argumenten des NuKLA e.V. ihre Gegenargumentation vortrugen.
Angefangen vom Widerspruch gegen das NuKLA-Argument, es fehle im Auenwald ein belastbares Monitoring. Wahrscheinlich haben sie sogar recht, wenn sie feststellen, kaum ein Waldgebiet in Deutschland sei so emsig wissenschaftlich untersucht worden wie der Leipziger Auenwald. Zuweilen scheinen ja ganze Armadas von Wissenschaftler/-innen im Auwald allgemein und in der Burgaue im Speziellen unterwegs zu sein. Die einen untersuchen Baumkronen, die nächsten die Käferpopulationen, andere buddeln sich in den Boden, um die Bodenzusammensetzung zu erkunden, manche schauen nach Fledermäusen, andere begutachten den Baumbewuchs auf den Femelflächen.
Und da ist man eigentlich schon mittendrin im Drama der Burgaue, die unter den Leipziger Auwaldbeständen in Teilen noch den urwüchsigsten Bestand aufweist. Aufgewiesen haben wird. Denn die hier noch in Resten bestehende Hartholzaue stirbt. Nicht nur, weil möglicherweise mit dem Eschentriebsterben auch noch die hartholzauentypischen Eschen verschwinden werden, nachdem die Ulme im großen Ulmensterben schon verschwand.
Sondern weil seit fast 90 Jahren das Wasser fehlt, weil damals die Neue Luppe gebaut wurde, die dem Auwald wie ein Trichter das Wasser entzieht, und außerdem seitdem die Deiche die Burgaue von allen Hochwassern abriegeln. Bei den damaligen Meliorationsarbeiten wurden auch sämtliche alten Wasserläufe der Luppe abgeklemmt. Sie liegen trocken. Man sieht sie als tiefe Gräben im Gebiet der Waldaue.
Dort sollen – falls das Projekt Lebendige Luppe jemals umgesetzt wird – die neu modellierten Wasserläufe kĂĽnftig wieder mehr Wasser in die Aue bringen – mehr, als heute Burgauenbach und Bauerngraben fĂĽhren. Doch alles deutet darauf hin, dass es dieses Wasser nicht geben wird. Die Bremser sitzen in entscheidenden Positionen im Rathaus. Denn immer dann, wenn es wirklich um die Ă–ffnung der Burgaue geht, werfen sie ihr Veto in den Ring, verhindern eine Ă–ffnung der Deiche an der Nahle oder erzwingen sogar einen EisenbahnbrĂĽckenbau, der einen zusätzlichen Wasserkanal fĂĽr die Lebendige Luppe gar nicht zulässt.
Das ist übrigens der Punkt, in dem sich alle beteiligten Wissenschaftler/-innen und Umweltverbände vom NABU bis zum NuKLA einig sind: Eine Überlebenschance hat die Leipziger Hartholzaue nur, wenn sie wieder an das natürliche Wasserregime angeschlossen ist und wieder regelmäßige Überflutungen bekommt. Das Projekt Lebendige Luppe sollte das in gewisser Weise schon einmal vormachen, wie es gehen könnte. Aber immer dann, wenn es wirklich um Wasser geht, gibt es das barsche „Nein!“ aus den entscheidenden Ämtern.
Das heiĂźt: Genau das, was den Auenwald retten kann, wird von Leipzigs Verwaltung systematisch verhindert.
Logisch, dass sich die Diskussion der engagierten Vereine dann gründlich verlagert. Statt mit einem Stadtrat, der wenigstens ahnt, worum es geht, um die Öffnung der Aue zu kämpfen überall dort, wo es hochwassertechnisch möglich ist, und das gemeinsam mit der Landestalsperrenverwaltung auf den Weg zu bringen, steckt man hinter den Deichen fest und ringt mit dem Stadtförster Andreas Sickert um den bestmöglichen Weg, doch noch irgendwas zu retten von der Hartholzaue. Mit forstwirtschaftlichen Methoden, natürlich.
Denn wenn naturschutzfachliche Lösungen verbaut sind, bleibt nur noch der Förster, der in Leipzig durchaus ein umtriebiger ist. Er hat zumindest ein paar Ideen, wie es gehen könnte. Aber das hat auch Konsequenzen. Und zwar naturschutzfachliche. Denn wie bewertet man die künstlichen Veränderungen in einem Wald, dem seine natürlichen Existenzgrundlagen entzogen sind? Reichen dazu die vielen dutzend wissenschaftlichen Untersuchungen? Reicht dafür die von der Abteilung Stadtforsten schon vor 20 Jahren erarbeitete „Konzeption zur forstlichen Pflege des Leipziger Auenwaldes“, auf der auch der Forstwirtschaftsplan beruht, den der Stadtrat am 24. Oktober beschloss? Den aber ein Widerspruch des NuKLA e.V. ausbremste.
Darüber grübelt derzeit das Verwaltungsgericht. Die Kontrahenten haben alle ihre Unterlagen eingereicht – der NuKLA e.V. die Argumente, mit denen ein Stopp der Fällarbeiten begründet wird, die Leipziger Stadtverwaltung ihrerseits die Begründung der forstlichen Eingriffe. Es geht dabei auch um die Interpretation der sächsischen und bundesweiten Naturschutzgesetze.
Denn der Leipziger Auenwald ist ein Naturschutzgebiet, eben kein einfacher Stadtwald. Jeder Eingriff verändert ein Stück eigentlich geschützter Natur. Er verändert die Artenzusammensetzung. Und zwar nicht nur für einzelne Baumarten, sondern für ganze Lebensgemeinschaften, das, was die Erklärungstafeln in der Nonne „Biodiversität (Artenvielfalt)“ nennen.
Jeder Holzeinschlag ist ein Eingriff in die vorhandene Artenvielfalt. Die noch vorhandene, muss man sagen. Denn alles, was die Wissenschaftler/-innen in den letzten Jahren untersuchen konnten, ist ein Auenwald im Trockenzustand. Jeder Einschlag begünstigt auenuntypische Gewächse, kritisiert NuKLA. Und ein Blick auf die schon „bearbeiteten“ Flächen in der Burgaue bestätigt das: Es sind junge, dicht stehende Ahornwälder. Dichte Gehölze, in denen die gewünschte Stieleiche keine Chancen hat.
Aber wurden denn nicht auch starke Eichen gefällt, um Mittelwald und Femellöcher herzustellen?
Genau an der Stelle beginnt der „Krieg der Farben“, wie er Ende 2018 schon in einem Waldstück an der Friesenstraße für Aufsehen sorgte. Das Waldstück liegt zwar am Rand des Auenwaldes, aber außerhalb des Landschaftsschutzgebietes.
Aber in den letzten Wochen ging der „Krieg der Farben“ weiter – diesmal freilich mittendrin im Landschaftsschutzgebiet, mitten in der Burgaue. Höchste Zeit für einen Vor-Ort-Besuch.
Welchen historischen Waldzustand in der Aue hätten wir denn gern?
Welchen historischen Waldzustand in der Aue hätten wir denn gern?
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Danke, dass sich die LIZ diesem sehr komplexen Thema stellt!
Vielleicht eine kleine Erklärung fĂĽr “Quereinsteiger”: Ahorn liebt es hell und vor allem trockern. Er gehört deshalb natĂĽrlicherweise nicht in den Auwald, wächst aber schnell und invasiv ĂĽberall dort, wo (trockene) lichte Stellen sind, z.B. auf den Femelflächen, auf denen via Abhoolzen der groĂźen Eichen und pflanzen kleiner Eichensetzlinge die Eiche “befördert” werden soll. Da Ahorn schneller wächst als Eichen, haben letztere in diesem Wettlauf keine Chance. Das, was die Eichen brauchen, um sich hier durchzusetzen, sind wiederkehrende Ăśberflutungen: die können Eichen bis zu 30 Tagen unbeschadet ĂĽberstehen, während der
Ahorn “ertrinkt”. So wĂĽrde sich die auentypische
(Baum-)Artenzusammensetzung von selbst herstellen und die Eichen sich ganz von allein und natĂĽrlich verjĂĽngen – wenn denn das notwendige Wasser in
die Aue käme.
Und: nicht die Landestalsperrenverwaltung verhindert, dass Wasser in die aue kommt. Sie setzt nur ihr Hochwasserschutzkonzept um. Die FlächeneigentĂĽmerin des Auwaldes (Stadt Leipzig als Vertretreterin der BĂĽrgerschaft, der der Leipziger Auwald gehört) ist es, die entsprechende naturschutzfachliche MaĂźnahmen (z.B. die Möglichgkeiten ökologischer Flutungen, Schlitzung von Deichen bzw. RĂĽckverlegung statt Erhöhung der selben) einfordern mĂĽsste, was sie aber nicht tut. Womit wir bei der Frage dieses Artikels sind: warum darf denn das eigentliche Problem des Auwaldes (fehlende hydrologische Dynamik) nicht gelöst werden?! Warum passieren immer wieder “Verwaltungsfehler” bezogen auf die Möglichkeiten, Bedingungen fĂĽr wirklich relevante Revitalisierung der hiesigen Gewässer und damit der Auengeiete zu nutzen: beim Neubau des Nahleauslassbauwerkes, bei der Planung fĂĽr die neuen ICE-BrĂĽcken im Nordwesten der Stadt, bei einer Renaturierung des Elsterbeckens am Sportforum, bei der widerrechtliche Bebauung des Uferschutzstreifens direkt an der Alten Luppe in Böhlitz-Ehrenberg… WARUM??