Nicht nur der sichtlich nicht eingehaltene Abstand zum Wald ist ein Problem bei der Genehmigung für die sechs neuen Einfamilienhäuser am Forstweg in Böhlitz-Ehrenberg. Auch bei einem zweiten Punkt vermisst man den klaren Einspruch der Leipziger Naturschutzbehörde. Denn Ufer dürfen auch in Sachsen nur in ganz wenigen Ausnahmefällen bebaut werden. Und hier wird gleich ein ganzer Uferstreifen bebaut.

Warum das so ist, kann man im Sächsischen Wassergesetz nachlesen und im „Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts“ der Bundesrepublik, auf das sich das Sächsische Wassergesetz direkt bezieht. Denn beide Gesetze regeln den Schutz der Gewässer und die Verhinderung von Uferbebauung, also die „Errichtung von baulichen und sonstigen Anlagen, soweit sie nicht standortgebunden oder wasserwirtschaftlich erforderlich sind“. So zu lesen in Paragraph 24 des Sächsischen Wassergesetzes.

Eigenheime gehören eindeutig nicht zu „standortgebundenen oder wasserwirtschaftlichen“ Anlagen. Sie haben im Uferbereich nichts zu suchen, nicht nur wegen möglicher Überschwemmungsgefahren, wie Familie Viecenz in ihrer Klage gegen die Baugenehmigung für sechs Eigenheime direkt an der Alten Luppe insistiert hatte.

Wobei es nicht nur um Ufer geht, sondern um einen kompletten, fünf Meter breiten Gewässerrandstreifen, den das „Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts“ eindeutig definiert: „Gewässerrandstreifen dienen der Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen oberirdischer Gewässer, der Wasserspeicherung, der Sicherung des Wasserabflusses sowie der Verminderung von Stoffeinträgen aus diffusen Quellen.

(2) Der Gewässerrandstreifen umfasst das Ufer und den Bereich, der an das Gewässer landseits der Linie des Mittelwasserstandes angrenzt. Der Gewässerrandstreifen bemisst sich ab der Linie des Mittelwasserstandes, bei Gewässern mit ausgeprägter Böschungsoberkante ab der Böschungsoberkante.

(3) Der Gewässerrandstreifen ist im Außenbereich fünf Meter breit.“

Gewässerrandstreifen eindeutig ignoriert: Zaun, Aufschüttung und Drainagen reicxhen bis an die Uferböschung der Alten Luppe. Foto: Ralf Julke
Gewässerrandstreifen eindeutig ignoriert: Zaun, Aufschüttung und Drainagen reichen bis an die Uferböschung der Alten Luppe. Foto: Ralf Julke

Das Sächsische Wassergesetz geht beim letzten Punkt noch einen Schritt weiter: „(2) An das Ufer schließt sich abweichend von § 38 Abs. 2 Satz 1 und 2 WHG landwärts ein zehn Meter, innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen fünf Meter, breiter Gewässerrandstreifen an. Die Gewässerrandstreifen sollen vom Eigentümer oder Besitzer standortgerecht im Hinblick auf ihre Funktionen nach § 38 Abs. 1 WHG bewirtschaftet oder gepflegt werden.“

Man kann sich streiten, ob man es hier mit „im Zusammenhang bebauten Ortsteilen“ zu tun hat oder schon mit einer richtigen Ortsrandlage, wo 10 Meter als Abstand gelten.

Einschränkend kann die Behörde „durch Rechtsverordnung schmalere Gewässerrandstreifen festsetzen, soweit dies im Einzelfall aus überwiegenden öffentlichen Interessen oder wegen unzumutbarer Härte für den betroffenen Grundeigentümer erforderlich ist und die Sicherung des Wasserabflusses und die Erreichung der Bewirtschaftungsziele dadurch nicht gefährdet sind.“

Einfamilienhäuser sind ganz bestimmt kein „öffentliches Interesse“. Und eine Versagung der Baugenehmigung für noch nicht existierende Häuser wäre ganz bestimmt keine „unzumutbare Härte für den betroffenen Grundeigentümer“.

Auch im Sinn des Gewässerschutzes hätte also die Leipziger Naturschutzbehörde hier einschreiten müssen.

Dass der Wasserabfluss hier ein echtes Problem für die Häuslebesitzer werden kann, ist noch ein weiteres Thema. Denn die neuen Häuser wirken jetzt wie ein Sperrriegel für den Hang. Wohin künftig die Regenwasser abfließen, wenn es zu Starkregen kommt, dürfte durchaus eine spannende Frage sein.

Und das Bundesgesetz regelt nun auch, dass man in den Bewuchs dieses Gewässerrandstreifens – außer aus forstwirtschaftlichen Gründen – nicht eingreifen darf.

Verboten ist „das Entfernen von standortgerechten Bäumen und Sträuchern, ausgenommen die Entnahme im Rahmen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft, sowie das Neuanpflanzen von nicht standortgerechten Bäumen und Sträuchern“, so steht es im „Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts“.

Aber um Platz für die Baufelder zu schaffen wurden – Familie Viecenz hat mitgezählt – 57 Bäume gefällt, die meisten davon genau auf diesem Gewässerrandstreifen, der auch wichtig ist zur Uferstabilisierung. Das Gelände wurde dann auch noch teilweise aufgeschüttet, mit Zäunen versehen und mit schwerem Baugerät zerfahren. Alles eigentlich untersagt.

Was eben auch heißt: Dieser Gewässerrandstreifen hat seine Schutzfunktion verloren. Der Wasserabfluss ist nicht mehr gewährleistet. Und als die schweren Baufahrzeuge anrückten, kamen auch schon Teile der Uferböschung ins Rutschen, sodass Sachsenforst einen Teil der Uferbäume aus Sicherheitsgründen fällen musste.

Man ahnt schon: Das ist eigentlich kein Fall für eine Familie, die hier schon lange lebt und die sensible Umgebung kennt. Die anderen Nachbarn, die anfangs ebenfalls mit Einsprüchen versuchten, den gefährlichen Bau zu stoppen, wurden mittlerweile mit saftigen Gebührenandrohungen der Stadtverwaltung zum Stillhalten gebracht.

Luppe soll auch noch das sechste der geplanten Einfamilienhäuser entstehen. Foto: Ralf Julke
Direkt an der Alten Luppe soll auch noch das sechste der geplanten Einfamilienhäuser entstehen. Foto: Ralf Julke

Das Verstörende ist eher, dass das Verwaltungsgericht den (falschen) Argumenten der Leipziger Verwaltung folgt und meint: „Für eine Verletzung des nachbarschützenden Gebotes der Rücksichtnahme wegen fehlenden Waldabstandes ist nichts ersichtlich. Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Waldgesetz für den Freistaat Sachsen – SächsWaldG – müssen bauliche Anlagen mit Feuerstätten von Wäldern, Mooren und Heiden mindestens 30 m entfernt sein; die gleiche Entfernung ist mit Gebäuden zu Wäldern einzuhalten.“ Das Gericht aber bezieht sich nur auf die von der Stadt eingereichten Stellungnahmen und sieht daraus keine Nichteinhaltung des Abstands zum Wald.

Der aber – man sehe nur die Sicherheitsfällungen des Sachsenforst – ganz eindeutig bis an die Grundstücksgrenzen reicht.

Und dass auch die Gewässerrandstreifen hier nicht „standortgerecht im Hinblick auf ihre Funktionen“ behandelt werden, wie es das Sächsische Wassergesetz fordert, wäre eigentlich auch nicht zu übersehen. Wenn man denn hinschaute und die Stellungnahmen einer in Naturschutzbelangen sehr eigensinnigen Verwaltung nicht immer für bare Münze nehmen würde.

Aber was kann ein Leipziger tun, wenn Ämter ihre Verantwortung nicht wahrnehmen?

Die Frage muss hier offenbleiben.

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Es gibt 5 Kommentare

Die anerkannten Naturschutzvereine könnten hier definitiv und erfolgreich (mit hoher Wahrscheinlichkeit allerdings nicht in der 1. Instanz, beim Verwaltungsgericht Leipzig) klagen, weil ganz offensichtlich Naturschutzrecht gebrochen wurde – wenn die Betroffenen das Geld spenden würden. Allerdings kenne ich nur einen solchen Verein, der in Leipzig dazu bereit ist, sich mit der Stadt anzulegen, jedenfalls soweit mir bekannt ist. Ist auch der einzige Leipziger Naturschutzverein, der unabhäng IST (nicht nur so tut also ob), da er nicht am Geldtropf der Stadt hängt. Nicht nur die Natur nimmt Schaden, auch die Hausbesitzer werden ihr blaues Wunder erleben, gern (für alle am Bauprojekt Verdienenden) wenn die Gewährleistungsfrist von 5 Jahren vorbei sind. Denn ein “versteckter Mangel”, auf den man sich nach einem späteren Starkregen und seinen Folgen berufen könnte, ist das alles nun nicht mehr. Eigentlich sollten alle Betroffenen (die EigentümerInnen!) sich zusammen- und hinsetzen und entscheiden, ob sie sich das bieten lassen wollen (und am Ende alles in den Sand setzen): es ist Betrug mit hoher krimineller Energie. Und: ich glaube nicht (mehr) daran, dass die Zeichnungen aus Versehen fasch erstellt wurden.

“Man darf wirklich ins Zweifeln kommen, was sich die Leipziger Stadtverwaltung an dieser Stelle eigentlich gedacht hat und warum das Gericht den Argumenten auch noch gefolgt ist.”
2.400 m² * 150 €= 360.000 €. Könnten Teil der Antwort sein.
Dann darf man noch überlegen, ob es zwischen Reinbau und Personen der Verwaltung übereinstimmende Interessen gibt.

Es ist nicht die Frage, was “man” tun kann, wenn die Stadt ihre Verantwortung nicht wahrnimmt. Natürlich kann “man” klagen. Schließlich leben wir doch seit nunmehr fast 30 Jahren in einem Rechtsstaat? Eigenes Geld in die Hand nehmen und an Stelle der Stadt dafür sorgen, daß Gesetze eingehalten werden. Ist eine Alternative.
Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, hat eine Privatperson eine Klage auf die Geltung naturschutzrechtlicher Regelungen gestützt. Wofür sie allerdings nicht Adressat und somit nicht aktivlegitimiert ist, weshalb die Klage abgewiesen wurde.
Anders wäre es gewesen, ein anerkannter Naturschutzverband hätte die Klage geführt (da fällt der Ökolöwe schon mal aus). Der hätte die Klage aber selbst finzieren müssen.
Nukla klagt wohl gerade gegen die Stadt wegen vermutlich rechtswidriger Baumfällungen.

Zweifelhaft ist demgegenüber allerdings, ob das das Bild einer funktionierenden Demokratie ist. Deren Grundlage der funktionierende Rechtsstaat ist. Hier jedoch offenkundig versagt hat. An einer willkürlich handelnden Stadt. Beteiligte Ämter: mit der Forstbehörde das Amt für Stadtgrün und Gewässer und die Naturschutzbehörde. Amtsleiter Dittmar und Freifrau von und zu ; Chef: Rosenthal. Wieder mal. Das sind keine Zufälle oder Versagen, das scheint System zu sein.

Selbst bei der Gewässernutzung hat die Stadt nicht nur versagt sondern in einer Garantenstellung permanent Recht gebrochen.
Hier hat die Stadt “nur” eine Aufsichtsfunktion – die sie nicht nur nicht wahrnimmt sondern über die Sach- und damit die Rechtslage auch noch einen Irrtum erzeugt.
Nein, das ist kein Bild einer funktionierenden Demokratie.
Das hätte das Gericht (vermutlich Gabrysch) nicht nur feststellen können sondern müssen.

Liebe L-IZ,
euer diesjähriges Jahresendrätsel ist ja wirklich eine harte Nuss.. ^^
Ich versuch’ mal eine Lösung anhand des angehängten Bildes.
Also, das mit den 33 Metern ist ja noch einfach.. Das ist die Katasternummer 33 des Grundstücks südlich der Alten Luppe (in manchen Karten auch als Mühlbach bezeichnet), vermutlich im Besitz des Landes Sachsen.
Passt da aber eigentlich nicht hin, mit dem eingezeichneten Luppe-Verlauf.
Es sei denn, die eingezeichnete Alte Luppe ist die nördliche Böschungsoberkante und das Grundstück Nr. 33 erstreckt sich von Bachmitte bis südliche Böschungsoberkante.
(449/5 wäre dann der Leipziger Auenwald, also nirgendwo 30 m Abstand?)
Das würde auch die (vermutlich) falschen Orthophotos des Geländes erklären.
Das Rätsel hätte vermutlich das Liegenschaftsamt der Stadt Leipzig vor seinem Kaufexposé 0701-14 aus dem Jahre 2014 lösen sollen:
Forstweg 34 in 04178 Leipzig
Gemarkung: Gundorf
Flurstück: 34/19
Grundstücksgröße: 2.371 m²
Eigentümer: Stadt Leipzig
Mindestgebot: 245.000 €
https://www.expo.wirtschaftsregion-leipzig-halle.de/files/expo/Benutzer/Stadt-Leipzig/2014/pdf-expose/0701-14_Gundorf34-19.pdf

Dort die untere Karte:
“Die blaue Markierung in der Flurkarte (siehe unten)
entspricht dem Baufenster, welches die bebaubare
Grundstücksfläche anzeigt. Es handelt sich um eine
nicht maßstabsgerechte Kennzeichnung”

Die blaue, bebaubare Fläche ist hier mind. 5 m von der Böschungsoberkante entfernt. Wie sich das lt. „Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts“ auch “bei Gewässern mit ausgeprägter Böschungsoberkante ab der Böschungsoberkante.” gehört.
Das graue “Alt”-Gebäude ist da eigentlich wohl auch schon illegal..
Die Beschreibung “nicht maßstabsgerechte Kennzeichnung” in einer Karte mit als Koordinaten eingemessenen Grundstückspunkten deutet mindestens auf “Verwirrung” hin..
Die eingezeichnete Waldgrenze sieht dann aus, als ob die nördlichen Grundstücksgrenzen einfach um die 10 m nach Norden kopiert bzw. im falschen Orthophoto abgezeichnet wurde?
Zum Maßstab, das Bestandsgebäude auf 34/9 könnte 10 m in Nord-Süd-Richtung (ohne Terasse) lang sein.

Das angehängte, aktuelle Katasterkarten-Bild erhält man, wenn man bei geoportal.sachsen.de/ bei Themenkarten > Flurstücke und Gemarkungen nach “forstweg, leipzig” sucht. Ein Flurstück 34/19 gibt es da allerdings nicht, ist wohl eine Zusammenfassung von 34/23 bis 34/28.

Wie auch immer.. spätestens als ausführende Baufirma hätte man wissen müssen, das man nicht am Rande eines Trichters baut, also das mit den 5 oder auch 10 m Abstand zur Böschungsoberkante..

Und wenn sich das Grundstück Nr. 33 von Bachmitte bis südliche Böschungsoberkante erstreckt und da jemand schon vorher Bäume gefällt hat..

Früher gab’s da mal baubegleitende Vermessung, als Ingenieur-Leistung einer Vermessungsfirma ist das aber inzwischen vermutlich zu teuer. Dann wären schon bei der Erstellung des Bau-Antrags-Planes die Widersprüche aufgefallen.
Zumal wenn es vor Ort vorhandene, einmessbare Grenzsteine gibt.

Also, meine Rätsel-Lösung: Bei der Eingemeindung von Gundorf/Böhlitz-Ehrenberg ist irgendwas mit der Digitalisierung der Geländeeigenschaften (Böschung, Waldgrenze, Flusslauf..) schief gegangen. Und “Digital-Gläubige” haben den Fehler fortgeführt..

Dankeschön an euch, liebe LZ und L-IZ für eure wichtige Arbeit. Wenn man seit Jahren dort lebt und sehenden Auges teilnehmen muss, wie eine bis dahin stabile Landschaft zerstört wird und anstatt Amtshilfe nur Drohungen erhält, braucht man jemanden, der sich wirklich dafür interessiert und das Thema öffentlich macht.

Ganz liebe Grüße zum Neuen Jahr, vor allem auch den Nachbarn des Neubaugrundstücks und euch, liebe LZ und L-IZ
von Ellen

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