Was passiert, wenn die Alte Elster gebaut werden sollte? Fließt dann noch Wasser ins Elsterbecken? Die Frage ist logisch. Und sie spielte auch 2003 eine Rolle, als Leipzig kurzerhand im Gefolge der „Jahrhundertflut“ von 2002 forderte, die Alte Elster neu zu bauen und ins Hochwasserschutzkonzept des Freistaats mit aufzunehmen. Dass die Alte Elster im Hochwasserschutz keine Rolle spielt, darüber haben wir schon geschrieben.
Wenn die Weiße Elster aber komplett über die neu gebaute Alte Elster fließen soll, dann bedeutet das für das Elsterbecken genau das, was auch unsere Leser feststellten: Im Normalfall fließt dann kein Wasser mehr ins Elsterbecken. Das Palmgartenwehr bleibt geschlossen und wird nur noch im Hochwasserfall geöffnet. Im Jahr 2018 wäre das Wehr also kein einziges Mal geöffnet worden. Seit 2013 nicht.
Das Elsterbecken würde sich in ein Standgewässer verwandeln und – da wird es richtig spannend: Es hört auf, ein Gewässer 1. Ordnung zu sein, also eines, um das sich der Freistaat mit der Landestalsperrenverwaltung kümmern muss. Denn die Funktion des Gewässers 1. Ordnung würde ja die Alte Elster übernehmen.
Es ist schon erstaunlich, dass die Leipziger Stadtverwaltung 2003 überhaupt den Wunsch geäußert hatte, das Elsterbecken zum Standgewässer zu machen. Dahinter schwebten noch die grandiosen Ideen für „Olympia 2012“. Da hätte man das Elsterbecken für die Ruderwettbewerbe fit machen und danach dauerhaft als Ruderstrecke erhalten wollen.
Die Idee geistert noch heute durch die Verwaltung.
Aber wenn das Elsterbecken zum Standgewässer wird, muss die Stadt nicht nur die Unterhaltungspflichten dafür übernehmen. Sie muss es auch ausbaggern. Denn in der jetzigen Form ist es in keiner Weise für Ruderwettbewerbe nutzbar. Regelmäßig muss die Landestalsperrenverwaltung (LTV) die abgelagerten Sedimente abbaggern. Kostenpunkt: um die 200.000 Euro. Das summiert sich über die Jahre schon.
Aber – was auch kaum einer weiß: Die LTV holt in der Regel nur bis zu 20.000 Kubikmeter Sedimente aus dem Becken und sorgt damit dafür, dass die Flussrinne im Becken überhaupt noch aufnahmefähig für den Wasserfluss ist. Täte sie das nicht, würde das Elsterbecken ziemlich bald über seine Ufer treten.
Und da erinnert man sich an eine besorge Anfrage der Grünen-Fraktion vor ungefähr zehn Jahren. Die hatte nämlich ihre Sorgen damit, dass die Sedimente im Becken, die sich seit dessen Fertigstellung in den 1920er Jahren abgelagert hatten, hochgradig mit Schwermetallen belastet sind. Sind sie auch. Gerade in der DDR-Zeit haben sich etliche Tonnen von Ablagerungen aus der DDR-Industrie im Becken abgesetzt.
Und die liegen noch heute dort. Die hat auch die LTV nicht angerührt, denn diese Sedimente könnte sie nicht einfach irgendwo ablagern und austropfen lassen, um sie weiterzuverwenden. Das wäre teurer Sondermüll. Die Beseitigung dieser Ablagerungen würde mehrere Millionen Euro kosten.
Die dann – logischerweise – die Stadt bezahlen müsste, wo auch die Leute sitzen, die das Elsterbecken unbedingt als Stillgewässer erhalten und den Rudervereinen zur Nutzung herrichten wollen.
Obwohl selbst die LTV dafür plädiert, genau das nicht zu tun. Denn im Hochwasserfall wird ja – wie erwähnt – das Palmgartenwehr eben doch aufgemacht. Und zwar richtig, damit die Hochwassermassen sofort ins Elsterbecken stürzen können. Und diese Hochwassermassen reißen dann wieder zehntausende Tonnen Sedimente mit. Die sich im Elsterbecken ablagern. Die Stadt muss dann also wieder baggern lassen. Das hört nicht auf. Und es ist wirtschaftlicher Unfug.
Und kein Mensch weiß, wie viele und was für Hochwasser wir in Zukunft bekommen.
Und selbst das Gegenteil stinkt zum Himmel. Denn wenn es über Jahre keine Hochwasser gibt, verwandelt sich das Elsterbecken in eine Kloake. Der Grund ist für die Leipziger etwa am Auensee zu sehen. Wenn das Wasser sich nicht bewegt und kein Frischwasser zufließt, aber permanent der Sonne ausgesetzt ist, ist das das ideale Biotop für Blaualgen. Die sind übrigens heute auch schon im Elsterbecken zu sehen und sie sorgen dafür, dass es im Becken mehrere sauerstofflose und damit tote Areale gibt.
Dieser Effekt würde sich mit der Abschottung des Wasserdurchflusses endgültig verstärken. Und um diesen neuen Binnensee nicht gänzlich sterben zu lassen, müsste die Stadt auch noch eine oder mehrere Belüftungsanlagen betreiben – so wie am Auensee. Das kostet natürlich auch wieder Geld. Wahrscheinlich sitzt im Rathaus ein Krösus, der sich das alles aus der Portokasse leisten kann.
Natürlich hat dieser Krösus nur daran gedacht, dass er die Ruderer von der Weißen Elster und vom Elsterflutbett weghaben möchte. Sie stören dort die emsigen Motorbootfahrer. Aber es wäre nicht nur ein teurer Spaß, der dauerhaft Geld fressen würde. Er wäre natürlich auch nicht nachhaltig. Denn nachhaltig sind Gewässer dann, wenn sie ohne weitere Eingriffe ihre Funktion erfüllen und sich selbst reinigen.
Deswegen plädiert selbst die LTV intern dafür, im Elsterbecken einen richtigen Fluss entstehen zu lassen.
Was natürlich den Verzicht auf die Alte Elster bedeutet. Das Wasser ist nun einmal nur einmal vorhanden. Und es wird dringend gebraucht, um dann im Elsterbecken auch diesen ganz und gar nicht mehr künstlichen Fluss mit Wasser zu beschicken. Die verlandeten Teile könnten sich genau zu dem entwickeln, was die Stadt in ihren Vorstellungen zum Naturschutzgebiet Auenwald auch gern beschreibt: ein Paradies für Wasservögel.
Wer sich die ganzen Visionen der Verwaltung anschaut, merkt schnell, dass das eine nicht zum anderen passt. Und das meiste ist eh nur Skizze, schnell mal über den Daumen gepeilt und dann den einschlägigen Medien als fertiger Plan angedient.
Damit der Fluss im Elsterbecken fließen kann, bedeutet das natürlich auch Änderungen am Luppewehr hin zur Neuen Luppe. Denn dort kommt das Wasser ja praktisch zum Stehen, wird richtig aufgestaut. Es nimmt dem Fluss seine Fließgeschwindigkeit, die er braucht, um die Sedimente mitzunehmen.
Wir sind also mittendrin in der Diskussion: Was wird dann eigentlich in der Nordwestaue? Jenem Auwaldgebiet, das die Stadt erklärtermaßen seit den 1990er Jahren irgendwie wieder an die natürliche Wasserbeschickung anschließen will – aber es passiert einfach nicht. Man kann den Refrain eigentlich nicht mehr hören.
Und der Refrain hat mit solchen Prestige-Projekten wie Alter Elster und Elsterbecken zu tun, die wie ein Pfropf jede wirklich umfassende Planung für eine lebendige Aue (und ein lebendiges Elsterbecken) seit Jahren verhindern.
Stattdessen aber sorgen diese Ideen dafür, dass sich Fachleute vergebens den Kopf darüber zerbrechen, wie sie dann, wenn die Alte Elster gebaut werden sollte, irgendwie hinterm Klärwerk Rosental doch noch irgendwie Wasser aus der Weißen Elster in die Neue Luppe überleiten. Denn dass da Wasser hinmuss, ist allen Beteiligten klar, denn man kann die Klärwasser aus dem Klärwerk nicht einfach unverdünnt durch die Aue leiten. Also holt man den Fluss über einen Bypass zurück, während man das Elsterbecken künstlich versucht am Leben zu erhalten?
Närrischer geht es fast nicht mehr. Oder mal so formuliert: Man will richtig viel Geld zum Fenster rausschmeißen, um Lösungen zu bauen, die mehr Probleme schaffen als sie lösen.
Und das alles hat nun mal mit der trockengelegten Nordwestaue zu tun.
Die Naturschutzverbände haben die naheliegenden Lösungen seit Jahren auf den Tisch gelegt. Aber die Vorschläge landen im zuständigen Dezernat nur in der Ablage. Nichts passiert. Und deshalb ist man auch im Projekt Lebendige Luppe so langsam etwas verzweifelt, weil diese Projektemacherei auch verhindert, dass jemals genügend Wasser in die Burgaue kommt.
Der Bau der Alten Elster wäre eine Jahrhundertkatastrophe für die Leipziger Burgaue
Der Bau der Alten Elster wäre eine Jahrhundertkatastrophe für die Leipziger Burgaue
Keine Kommentare bisher
Der eigentliche Luppenlauf, der die Nordwestaue zusätzlich zur Weißen Elster (mit dem Hundewasser) ursprünglich mit Wasser versorgte, ist ja noch da. Heute die kleine Luppe genannt. Sicher ist es etwas schwierig, sie zu revitalisieren und da müsste noch viel geprüft werden, aber unmöglich ist das vielleicht gar nicht. Es gibt Engpässe wegen Bebauung, nun ja, aber ein halbwegs gesunder Fluss würde die Wohngegend sogar aufwerten. Momentan ist dort nur ein kanalartiges vermülltes Etwas.
Nur interessiert sich keiner für die kleine Luppe.
Finde ich komisch.
Aber man kann auf ihr auch kein Boot fahren. Vielleicht darum.