Der Ärger um den Pleißemühlgraben geht weiter. Die Pressekonferenz, in der die Stadtverwaltung erzählen will, warum sie sich für eine Trassenführung an der Hauptfeuerwache entschieden hat, soll zwar erst in der nächsten Woche stattfinden. Aber die Verwaltung rückt kein Jota von ihren Plänen ab, den Pleißemühlgraben direkt an den Goerdelerring zu verlegen. Bei Pro Leipzig ist man entsprechend konsterniert.
Und die Bürger, die sich an dem 2017 großspurig initiierten Bürgerbeteiligungsverfahren beteiligt haben, dürften wohl zu Recht sauer sein. Denn die damit verbundene Abstimmung ergab 64 Prozent Zustimmung zum Vorschlag, den Pleißemühlgraben wieder in seinem historischen Verlauf hinter der Hauptfeuerwache und direkt am ehemaligen Naundörfchen zu führen.
Bei Pro Leipzig geht man davon aus, dass die Stadt Leipzig in diesem Fall ganz eindeutig das Votum der Bürgerbeteiligung ignorieren will, was natürlich die Frage aufwirft: Wie ernst meint es eigentlich das Leipziger Rathaus überhaupt, wenn es heiß diskutierte Stadtthemen zur Bürgerbeteiligung freigibt, hinterher aber lauter Gründe findet, warum das Votum der Bürger nicht zählt?
Bisherige Berechnungen sahen jedenfalls keinen finanziell starken Unterschied zwischen beiden Bauvarianten.
Und dass die LVZ nun am 9. November berichtet, es hätten sich auf einmal starke finanzielle Argumente für die Dittrichring-Variante gefunden, verblüfft bei Pro Leipzig, wo man sich gemeinsam mit dem Verein Neue Ufer seit rund 30 Jahren darum bemüht, Leipzigs alte Mühlgräben wieder ins Stadtbild zurückzuholen und damit auch vernachlässigte Stadtquartiere wie das Naundörfchen wieder ins Bewusstsein der Stadt zurückzuholen.
„Damit setzt man sich über ein deutliches Votum jener Leipziger Bürger hinweg, die zwischen November 2017 und März 2018 viel Zeit und Energie in ein aufwendiges und kostenintensives (!) Beteiligungsverfahren investiert hatten“, kommentiert der Verein diese neue Volte der Verwaltung.
„Nach gut besuchten Diskussionsrunden, Führungen, Befragungen sowie zwei Online-Abstimmungen hatten sich 64 % der beteiligten Bürger für die Beibehaltung des historischen Verlaufs ausgesprochen. Die Verwaltung argumentiert demgegenüber mit höheren Kosten und angeblicher Funktionseinschränkung für die Feuerwehr – und das, obwohl der Verein Neue Ufer ein praktikables Alternativkonzept ausgearbeitet hatte, das die volle Einsatzfähigkeit der Feuerwehr garantiert.“
Aber die Ignoranz der Verwaltung deutete sich ja schon an – samt der Tatsache, die Bürgerbeteiligung ins Leere laufen zu lassen.
„Nachdem im März das eindeutige Votum der Bürger bekannt wurde, versagte die Verwaltung die im Beteiligungsverfahren versprochene Anerkennung des Ergebnisses und verzögerte dessen Weitergabe an den Stadtrat – womöglich, um in diesen acht Monaten vor Ort vollendete Tatsachen zu schaffen, da der Umbau der Hauptfeuerwache bereits in vollem Gange ist“, stellt Pro Leipzig fest.
„Die Absichtserklärung der Verwaltung ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht aller Bürger, die Freizeit und Kraft für den Beteiligungsprozess opferten, sie ist auch ein Verrat an jenen Multiplikatoren, die sich die Verteidigung der Demokratie auf die Fahnen geschrieben haben. Auf genau diese Weise fördert man Politikverdrossenheit, Frustration und Radikalisierung.“
Die Verwaltung muss in der Pressekonferenz schon starke Gründe vorbringen, um ihren Schwenk plausibel zu machen. Wirklich starke. Denn auch wenn das Projekt mit Fördergeldern gebaut wird, geht es um Steuergelder. Und da muss auch eine Meldung wie „Die Verwaltungsspitze hat die Beschlussvorlage zur Trassierung des Pleißemühlgrabens parallel zum Goerdelerring als Vorzugsvariante der Stadtverwaltung bestätigt. Sie geht nun in die Gremien und anschließend in die Ratsversammlung“, gut begründet werden.
Wann legt denn die Stadt endlich die Planungen zum Pleißemühlgraben an der Haupfeuerwache vor?
Wann legt denn die Stadt endlich die Planungen zum Pleißemühlgraben an der Haupfeuerwache vor?
Es gibt 7 Kommentare
Nun, nach den bisherigen Veröffentlichungen in mehr oder weniger seriösen Medien warne ich vor Fake-Facts.
Glaubt man der LVZ, würde statt den reichlich 3000m² hinter der Feuerwache (lt. Maps, die bei der historischen Variante entfallen) unbedingt ein Neubau mit 8200m² erforderlich. Seltsam viel.
Man beziffert den Ersatzneubau mit insgesamt 15Mio Euro (Heitmann, Bild). Das heißt, 30Mio abzüglich 15 wären 15Mio für den historischen Verlauf, zuzüglich realistischem Ersatz für 3000m².
Also 18 Mio soll der Verlauf am Ring kosten,
15 Mio + x (real) die historische Variante.
Ich vermute, die Verwaltung will mit intransparenten Zahlenspielen den favorisierten Verlauf erzwingen und den Stadtrat damit zur Entscheidung drängen, welcher eigentlich dem Beschluss aus den 90er Jahren folgen sollte: nämlich den historischen Verlauf wieder herzustellen.
Lieber Christian, wenn es Sie beruhigt: ich finde die zementierte Gosse an der Jahnallee auch furchtbar. Vor allem, da sie von Müll durchsetzt ist und ich vergangenen Sommer immer wieder zahlreiche tote Fische dort vorfand. Das soll also eine städtebauliche Aufwertung sein: ah ja. Das Beton-Etwas an der Wundtstraße ist auch nicht besser.
Ja und nun bekommen wir noch so ein Stück Abflussrinne mitten in die Innenstadt.
Man könnte den Pleißenmühlgraben so schön machen, aber in Leipzig mag man eben Beton lieber. Und vor allem mag man ja größenwahnsinnige Mega-Projekte wie den Leipziger Citytunnel (935 Millionen Euro hat der gekostet!) oder einen gewissen Kanal mit Schiffshebewerk (über 130 Millionen Euro geschätzt, Tendenz steigend).
Das Rathaus liebt doch solche gigantischen Baustellen mit sehr viel Beton und sehr hohen Kosten. Und schauen Sie, man träumt im Rathaus von diesem sehr großen Hochhaus neben der Feuerwache. Was aus sehr viel Beton bestehen wird und ein Prestige-Objekt werden soll. Was dann für teures Geld vermietet werden soll. Und dem der Pleißenmühlgraben im Weg ist, wenn er den historischen Lauf wieder bekäme.
Da interessiert das Rathaus doch nicht, was der einfache Bürger denkt.
Ich fände es ja wichtiger, die Wünsche der Bürger wichtig zu nehmen und anstatt weitere hunderte Millionen von Euros für windige Mega-Prestige-Projekte in die Luft zu blasen, Sozialwohnungen zu bauen, die tausende Schlaglöcher zu stopfen, die Schulen zu renovieren… aber auch ich bin ja nur ein einfacher Bürger, und meine Wünsche zählen in dieser Stadt eben nichts. Hier zählen nur die Interessen von (möglichen) Investoren.
Nach der Bürgerbeteiligung war ich guter Dinge, dass man sich für eine unserer Stadt angemessene und attraktive Variante entscheidet.
Erstens, weil sich eine eindeutige Mehrheit der Meinungsäußerer abzeichnete; zweitens, weil sich die Variante “Fluss an Straße” bisher nicht als attraktiv erwiesen hat.
(Ausnahme kurzes Stück am Gericht, aber mit breiter Wiese daneben)
Dachte ich.
Die aktuellen Informationen ernüchtern mich.
Sieht denn keiner, wie unmöglich so ein zementierter Flusstrog in der Jahnallee oder in der Wundtstraße ist? An einer so dicht befahrenen Straße dient so ein paralleler Steinkanal nicht der Erholungsqualität, von attraktiver Stadtgestaltung mal ganz abgesehen.
Ja, das Flüsslein hinter der Feuerwache ans Licht zu holen ist schwierig – aber der Gewinn dürfte den Aufwand jahrzehntelang, wenn nicht sogar noch länger, erheblich aufwiegen.
Sehenden Auges die schlechtere Variante mittels einer machthaberischen Verwaltung durchzupeitschen, tut weh und verdirbt der Stadt wieder einmal die besseren Möglichkeiten.
Aber es ist auch wie immer so: Es tut nur den Mitbürgern weh, die sich dafür interessieren und Gedanken machen.
Nun darf man sich ausrechnen, wer inzwischen Mehrheiten organisiert oder dumpf Verwaltungsakte durchführt.
David gegen den verselbstständigten Goliath.
Ein Armutszeugnis für Leipzig.
Das Interesse der Bürger am Verfahren war größer, als es die 339 letztlich abgegeben Stimmen vermuten lassen. Letzteres hatte damit zu tun, dass sowohl BWL-Sprech als auch die komplizierte Online-Registrierung viele ältere Mitbürger („Stakeholder“) abgeschreckt hatten. Aber ob 100 oder 10000 (eine Mindeststimmenzahl war nicht definiert), den Beteiligten wurde im Verfahren zu verstehen gegeben, dass ihr Votum letztlich angenommen werde und als Empfehlung an den Stadtrat ginge. Dieses Versprechen nun zu brechen, weil das Ergebnis nicht passt, ist die unseriöse Tour der Verwaltung und erzürnt alle Beteiligten zurecht. Und ja, der Anlass ist eher marginal (verglichen mit drängenderen Problemen wie Schul-, Kita- und Wohnungsbau). Aber das Schlimme ist ja, dass die Möglichkeit der Bürger, auf gesellschaftliche und stadtpolitische Entscheidungen wirksam Einfluss zu nehmen, mittlerweile auf solche „Marginalien“ geschrumpft ist – und jetzt ignoriert man selbst noch die. Insofern sind Pleißemühlgraben und Gewässerausbau nur Symptome für tiefergehende Tendenzen. Letztendlich kann der OBM bei Anti-Legida-Veranstaltungen oder Lichtfesten eine starke Bürgergesellschaft und Demokratieverteidigung nur einfordern, wenn er nicht selbst im Rathaus eine Verwaltungsdiktatur befördert.
Mit dieser Argumentation ist Jung auch kein Bürgermeister…
Nein, in einem spezial”demokratischen” regierten Rathaus wird Beteiligung simuliert und entscheiden letztendlich lediglich wirtschaftliche Belange.
Jung will ja auch alles unternehmen, um ein Nachtflugverbot zu verhindern.
Aktuell findet auch ein “Runder Tisch” (der wahrscheinlich so heißt, weil man sich dort auch einen Wolf läuft) zum Gewässerausbau statt, dessen Ergebnis auch schon feststeht. Uswusf…..
https://www.l-iz.de/politik/engagement/2018/10/Leipziger-Aufruf-2019-wirbt-fuer-eine-mutig-gelebte-Demokratie-240888
Auf die Frage, warum man eine solche Bürgerbeteiligung macht? Weil sie vorgeschrieben ist!
Im April stand in dieser Zeitung zu lesen:
“Aufgrund der in Papierform und online ausgezählten 339 Befragungsbögen konnte ein Meinungsbild erhoben werden, meldet das Amt für Stadtgrün und Gewässer am Mittwoch, 4. April. Demnach stimmten 64 Prozent der abgegebenen Stimmen für den historischen Verlauf hinter der Hauptfeuerwache und 36 Prozent für den Verlauf in einem neuen Flussbett entlang des Goerdelerringes.”
339 abgegebene Stimmen sind bei über 570.000 Einwohnern jetzt nicht wirklich viel und es war ja auch kein Volksentscheid, dessen Ergebnis bindend wäre.
Eine solche Befragung ist halt nur ein Faktor im Entscheidungsfindungsprozess der Verwaltung.
Wenn sich jetzt 10.000 oder gar 100.000 Bürger beteiligt hätten und so ein eindeutiges Ergebnis wäre zustandegekommen, sähe die Lage sicher anders aus… Leider ist aber das Interesse der Bürger für die Belange ihrer Stadt eher überschaubar…
Wozu macht man eine solche Bürgerbeteiligung?