Der am 14. November seitens des Dezernats Umwelt, Ordnung, Sport vorgelegte Beschlussvorschlag für die Ratsversammlung bestätigt die Trassierung des Pleißemühlgrabens zwischen Käthe-Kollwitz-Straße und Ranstädter Steinweg parallel zum Goerdelerring weiter als Vorzugsvariante. Damit ignoriert die Stadtverwaltung nicht nur ein eindeutiges Bürgervotum für den historischen Trassenverlauf, sie blendet das jahrelange Bemühen von Bürgervereinen, insbesondere des Vereins Neue Ufer, und das Überwiegen der fachlichen Argumente für den historischen Trassenverlauf einfach aus.
Da die Stadtverwaltung in den Auseinandersetzungen mit den Bürgern keine überzeugenden inhaltlichen Argumente für die eigene Variante finden konnte, hängte sie stets das Damoklesschwert der Kosten über das Thema. Nun zeigt die Kostenermittlung in der Beschlussvorlage eindeutig, dass die Freilegung des Pleißemühlgrabens im historischen Verlauf 15,58 Millionen Euro und die Neuverlegung an den Goerdelerring sogar 16,17 Millionen Euro kosten und die Variante der Stadtverwaltung damit sogar teurer sein würde.
Da damit auch das allerletzte Argument der Stadtverwaltung für die eigene Variante zusammenzubrechen drohte, wurde in die Kosten kurzerhand eine potemkinsche „Ergänzende Feuerwache“ mit satten 14,91 Mio. Euro hineingerechnet. In Summe kostet demnach die Öffnung im historischen Verlauf mit allen Folgekosten 30,49 Millionen Euro, während die von der Stadtverwaltung geplante Öffnung als Straßengraben am Goerdelerring mit allen (wohl auch kräftig heruntergerechneten) Nebenkosten nur 18,47 Millionen Euro kosten würde.
Die konkreten Vorschläge des Vereins Neue Ufer zur Verlagerung eines hinter der Feuerwache liegenden Garagenhofes wurden seitens der Stadtverwaltung in keiner Weise berücksichtigt und geprüft, wie gestern Rüdiger Dittmar, der Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, zugab.
Er konnte auch die Frage nicht beantworten, was die „Bürgerbeteiligung“ zum Verfahren gekostet hat. Dabei wäre eine Antwort einfach gewesen: Der Stadtverwaltung hat sie vor allem viel Zeit gekostet und ein externes Büro zur Moderation des Verfahrens – beides finanziert vom Steuerzahler.
Den Akteuren vom Verein Neue Ufer und den anderen engagierten Bürgern hat sie vor allem Freizeit – möglicherweise auch vertane Lebenszeit – gekostet, dazu viel Vereinsgelder für Planungen und Visualisierungen. Der größte Verlierer in dem Verfahren ist aber die Stadtgesellschaft insgesamt. Ihr wurde eindeutig vor Augen geführt, dass Bürgerbeteiligung und Mitbestimmung in dieser Stadt zwar bei jeder Festtagsrede beschworen werden, in der Praxis aber unerwünscht sind oder ignoriert werden.
Wenn Amtsleiter Dittmar einschätzt, dass das Verfahren „ein Gewinn für alle Seiten“ gewesen sei, dann grenzt das schon an Verhöhnung der engagierten Bürger. Der Stadtrat muss nun entscheiden, ob er dieser Ratsvorlage zustimmt, sie zurückweist oder gar einen Vorschlag aus den eigenen Reihen unterstützt. Er muss dabei auch entscheiden, ob die praktizierte Ignorierung der Bürgermeinung seitens einzelner Teile der Leipziger Stadtverwaltung weiter befördert werden sollte.
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Natürlich muss nicht jeder Wunsch eines Bürgervotums erfüllt werden, wenn gute Gründe vorliegen. Das kann auch an einer Finanzierung scheitern.
Aber dass hier durch die Stadtverwaltung zusätzlich ein Kostenblock konstruiert wurde, der gute Argumente, einen Stadtratsbeschluss und ein Bürgervotum ausbremsen soll, ist an Ignoranz und Überheblichkeit schwer zu überbieten.
Und das trotz geringerer Kosten der Baumaßnahme!
Ich hoffe, der Stadtrat lässt sich nicht drängeln und veralbern.
Und hinterfragt diesen offenkundigen Schachzug der sich verselbständigten Verwaltung.
Bevor nicht auch die Hofverlagerung auf den Vorplatz “realistisch” geprüft wurde, darf keine Abstimmung darüber durchgeführt werden.