Am 15. November soll der Planfeststellungsbeschluss zu den drei neuen Eisenbahnbrücken in der Elsteraue gefallen sein. Und das Entsetzen in den Leipziger Umweltvereinen ist entsprechend groß. Denn in diesem Fall erlebten sie, wie eine konfuse Verwaltung reagiert, in der zwar gern von Naturschutzbelangen geredet wird – wenn sich dann aber die Fachämter genau so zu Wort melden, werden ihre Forderungen einfach ignoriert.

Denn nicht nur die Naturschutzvereine haben seit 2016 immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass man die von der Bahn geplanten neuen Brücken so bauen muss, dass künftig sowohl die Fragen der Wegeführung als auch die Fragen der Auenrevitalisierung und des Hochwasserschutzes nachhaltig verbessert werden können. Und insbesondere haben sie darauf gedrungen, dass die Stadt Leipzig dem Vorhaben der Bahn zustimmt, in der Aue pfeilerlos zu bauen.

Es existiert ein reger Briefwechsel mit der Stadt, der im Juli noch einmal in genau dieser Forderung kulminierte. Und in der Antwort aus dem Planungsdezernat klingt das dann auch so, als hätte man es zumindest verstanden und dann abgewogen – und sich dann eben doch für eine Kompromissvariante entschieden. Obwohl das, was die Stadt von der Bahn gefordert hatte, kein Kompromiss war, sondern der Wunsch, einen Denkmalbestand optisch zu erhalten, der heute schon keiner der geforderten Belange genügt.

Radfahrer müssen mit unzumutbaren Unterquerungen vorlieb nehmen, Radwege unter der Nahlebrücke sind nicht angedacht, die Brücke wird nicht so weit angehoben, um einen Spielraum für die künftige Auenrevitalisierung zu gewinnen. Und das nur, weil augenscheinlich die Federführenden im Planungsdezernat meinen, hier einen völlig sinnlosen Denkmalschutz durchsetzen zu müssen, wissend, das von den alten Brücken nichts übrig bleiben wird und die neuen schon allein wegen des notwendigen Fledermausschutzes völlig anders wirken werden.

Die Eisenbahnbrücke über die Nahle. Foto: Ralf Julke
Die Eisenbahnbrücke über die Nahle. Foto: Ralf Julke

Die Bahn hatte über alle drei Flüsse (Weiße Elster, Neue Luppe und Nahle) Stabbogenbrücken vorgeschlagen

Brücken mit großer Spannweite, ohne Pfeiler im Flussbett, in denen sich bei Hochwasser das mitgeschwemmte Gut verhaken könnte.

Der Brief der Verwaltung verweist zwar auf eine Sitzung des Stadtplanungsausschusses im Januar 2017, in dem man das Projekt vorgestellt habe. Aber entweder haben die Mitglieder des Ausschusses völlig geschlafen an diesem 31. Januar. Oder es trifft genau das zu, was die Umweltverbände kritisieren:

„In der damaligen Stellungnahme der Stadt sind wesentliche Sachverhalte nicht enthalten. Weder die Varianten der Vorplanung noch die Konsequenzen der verwaltungsinternen Abwägung hinsichtlich Gewässer- und Auenentwicklung (Lebendige Luppe), Hochwasserschutz und Infrastruktur (Wege und Naherholung) oder die Hinweise zum Erörterungstermin (Aufhebung Denkmalschutz) wurden dem Fachausschuss vorgestellt. Angesichts der Konsequenzen hätten diese Brücken hinsichtlich Funktion, Gestaltung und Kosten ein Thema für den Stadtrat sein müssen. Die Hinweise der LDS und der Umweltverbände wurden im weiteren Verfahren offenbar nicht kommuniziert.”

Geht das immer so ab in den Fachausschüssen des Stadtrates? Dann muss man sich über einige Entscheidungen nicht mehr wundern.

Auch nicht darüber, dass diese Brückenentscheidung nie zu einer Stadtratsentscheidung geworden ist. Bauträger ist zwar die Bahn. Aber die Bürger der Stadt haben – anders als es die Verwaltung behauptet – ein sehr hohes Interesse daran, dass hier nicht wieder ein fauler Kompromiss gebaut wird. Aber gerade was die Wegequerungen betrifft, hat sich die Stadt sogar auffällig zurückgehalten und nur beim Elsterradweg an der Neuen Luppe eine winzige Verbesserung erreicht, sodass die Radfahrer sich unter der Brücke nicht gleich den Kopf einstoßen.

Selbst die Planungsgesellschaft der Bahn hat mehrfach darauf hingewiesen, dass sie von der Stadt eigentlich nur kompetente Zuarbeiten und Anforderungen gewünscht hat – aber die bekam sie nur von den Umweltverbänden, die unter anderem dringend darauf hinwiesen, dass die Nahlebrücke viel zu eng ist. Nicht nur wegen eines künftigen Radweges zum Nahleberg.

Die Bahn konnte nur mit den Schultern zucken, als sie auf die Forderungen der Umweltvereine einging: „Die vom ADFC gestellten Forderungen an die Stadt Leipzig sind keine Sache der Vorhabenträgerin.“

Was im Klartext heißt: Die Stadt hätte den Radweg in die Planungen einbringen müssen und wenigstens den Freiraum dafür beantragen müssen. Aber es wird noch besser. Denn praktisch wurde mit dem Planfeststellungsbeschluss am 15. November 2018 das Projekt „Lebendige Luppe“ beerdigt.

Wer sich erinnert: Der „Lebendigen Luppe“ fehlt das Wasser. Um regelmäßig auch kleine Hochwasser durch die neu entstehenden Gewässer in der Burgaue leiten zu können, müsste ein Deich geschlitzt werden und die Sohle der Nahle um einen halben Meter angehoben werden. Denn augenblicklich liegt die Nahle zu tief, hat sich in ihrem Kanalbett zu tief in den Untergrund gefräst.

Einige Zeit lang klang das aus der Verwaltung dann immer so, dass die Landestalsperrenverwaltung (LTV) daran schuld sei. Aber so langsam ist die Behauptung nicht mehr belastbar. Denn bei der LTV weiß man sehr genau, was das bedeutet: Dann erhöht sich nicht nur der Wasserspiegel im unteren Abschnitt an der Burgaue, sondern zwangsläufig auch im oberen Abschnitt unter den Eisenbahnbrücken.

Die jetzt für die „Kompromissvariante“ berechnete Durchflusshöhe für ein 150-jähriges Hochwasser reicht dann nicht mehr aus. Wer also die Aue mit Wasser versorgen will, muss die Eisenbahnbrücken höher legen – die Berechnungen der Umweltverbände zeigen, dass 30 bis 40 Zentimeter reichen würden. Und das mit pfeilerlosen Brücken, wie von der Bahn vorgeschlagen.

Wenn die Brücken jetzt aber in der niedrigeren „Kompromissvariante“ gebaut werden, wird diese Art der Auenrevitalisierung unmöglich gemacht.

Und nicht nur das versetzt der „Lebendigen Luppe“ den Todesstoß.

Im Brief an die Verwaltung haben die drei Umweltverbände BUND, Ökolöwe und ADFC auch darauf aufmerksam gemacht, dass das Projekt „Lebendige Luppe“, weil es die gewünschte Anhebung der Nahle nicht bekommt, gerade erst einen Rettungsvorschlag gemacht hat, stattdessen Wasser über einen Bypass aus der Kleinen Luppe in die Burgaue zu leiten.

Der Spaß dabei ist: Auch dieser kleine Seitenkanal parallel zur Nahle müsste unter der Nahlebrücke mit hindurch.

Dafür ist aber auch in der jetzt geplanten Variante kein Platz geplant. Und die Stadt Leipzig fühlte sich – trotz der Mahnungen aus dem Amt für Umweltschutz und dem Amt für Stadtgrün und Gewässer – nicht bemüßigt, diese Forderung mit in die Planungen einzubringen.

Es gab bis zum Juli nicht mal eine Planskizze für das Vorhaben. Lakonische Auskunft der Bahnplaner: „Potenzielle Projekte, die gegenwärtig keine ausreichende Planungsreife haben, können durch die Vorhabenträgerin in der Planung nicht berücksichtigt und weiter vertiefend untersucht werden.“

Wie gesagt: Das war Stand Juli. Was im Klartext heißt: Die Forderungen der beiden naturschutzfachlichen Ämter der Stadt wurden nicht berücksichtigt. Die Stadtverwaltung kümmerte sich lieber zwei Jahre lang um die Farbgebung des Fledermausschutzes.

Das Ergebnis?

Das kannte die Stadt Leipzig schon im Juni. Denn da sie die ganze Zeit so tat, als ob sie das Bauwerk nichts anginge, bekam die Bahn auch keinen konkreten Anforderungskatalog auf den Tisch. Und für das Projekt „Lebendige Luppe“ heißt das ganz simpel, wie die Stadt selbst an die Landesdirektion schrieb: Sollte die Forderung, das Projekt „Lebendige Luppe“ unter der neuen Nahlebrücke plantechnisch umzusetzen, nicht erfüllt werden, „sind nachhaltige Entwicklungen im angrenzenden Gebiet (EU-Schutzgebiet) nicht mehr möglich.“

Wobei die Landesdirektion ja nicht der Planer war, der diese Forderungen gebraucht hätte. Die Mindestanforderungen hätte die Bahn gebraucht, um ihre Brücken entsprechend zu planen.

Es ist wohl das schönste Beispiel für kaputte Kommunikation im Leipziger Rathaus, das uns seit Langem begegnet ist.

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Es gibt 5 Kommentare

Der Gedanke drängt sich unausweichlich auf, lieber Uwe, nicht nur Dir: die Leipziger Stadtverwaltung ist doch nicht blöd! Sie arbeitet wie wild und mit allen Mitteln daran, das WTNK durchzubringen. Da wäre es doch am Besten, der Auwald würde seine Schutzstatus’ verlieren (z.B. durch aktives Beseitigungen der Lebensräume geschützter Arten als konzertierte Aktion mit Harvestern im Wald oder saurem Wasser im Floßgraben), und selbst das eigene Projektchen Lebendige Luppe (das von Beginn an nur ein Feigenblatt-Projekt war), wird nur zu gern “hingehängt”, weil es nun leider nicht gehen wird? Und der Stadtrat? Überfordert? Ja. Und nein. Es gibt genug gut laufende Kommunikation zwischen Verwaltung und Stadtrat, wo dann die Grünen des Stadtrates den von ihren eigenen Mitgliedern fundiert begründeten Antrag (den Forstwirtschaftsplan abzulehnen) zurückziehen: in Leipzig werden die leisen Töne gepflegt, auch mit den Verbänden. Man hat sich eingerichtet. Vielleicht wollen die LeipzigerInnen das mal ändern?

Genauso Uwe.
Das WTNK schwebt über allen Entscheidungen welche der Bürgermeister Rosenthal (Die Linken) im Einvernehmen mit dem OBM Jung (SPD) trifft.

Solche Ignoranz macht vor allem wütend, weil da Tatsachen geschaffen werden, die auf Jahrzehnte eine Revitalisierung des Auenwaldes unmöglich machen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass genau das gewollt ist, denn wenn man den Auenwald eh nicht retten kann, gibt es ja keinen Grund mehr, das WTNK nicht doch wie gewollt umzusetzen…

Mein Leipzig lob ich mir, die Verwaltung(en) dieser Stadt, sie werden von der Politik bestimmt, die Amtsleiter meist Politiker, werden vom Stadtrat bestellt, der Stadtrat wird wiederrum von der Verwaltung beeinflusst. Und so weiter. Im kommenden Jahr sind Kommunalwahlen….

Welchen Sinn hat Denkmalschutz, der so aussieht: Wir reißen die Originalsubstanz ab und bauen was neues hin, was im weitesten Sinne so ähnlich aussieht? Ich kenne keinen Denkmalschützer, weder in Leipzig noch anderswo, der das auch nur ansatzweise vertreten würde. Wenn die Originalsubstanz weg ist und aus technischen Gründen in ganz anderen Dimensionen neugebaut werden muß, dann soll man es dem Bauwerk auch ansehen, aus welcher Zeit es stammt.
Ich vermute, das der Denkmalschutz hier nur vor’s Loch geschoben wird.
Und ganz allgemein ist das wieder ein Lehrstück in echter gelebter Demokratie, macht richtig Lust auf mehr.

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