Die alte Mülldeponie im Stadtteil Möckern ist heute ein beliebtes Ausflugsziel. Sie liegt idyllisch in der Auenlandschaft und heißt inzwischen auch Nahleberg. Manch einer kennt diese einzige Erhebung weit und breit vielleicht nur unter diesem Namen – und weiß gar nicht, was sich unter ihrem grünen Mantel befindet. Doch der Mantel hat gewaltige Risse bekommen. Im Berg muss es brodeln. Die Deponie spuckt ihren Müll wieder aus. Wie ein Vulkan seine Lava.
Mitte der 2000er Jahre wurde die Halde für viel Geld saniert, abgedeckt mit Erde und gebrochenen Steinen, bepflanzt mit Ahorn, Esche, Hagebutte, Schlehe, Sanddorn und anderen Gewächsen. Seit 2008 ist der rekultivierte Berg für die Öffentlichkeit teilweise zugänglich, lockt Spaziergänger und Jogger auf sein Plateau. Von dort reicht der Blick über ganz Leipzig. Etwas abseits des Rundwegs, der nach oben führt, schlängelt sich eine Downhill-Piste nach unten.
Vor zwei Jahren wollte der Stadtbezirksbeirat Nordwest die begrünte Kippe weiter aufwerten und zu einen Naherholungsgebiet ausbauen. Das klang nach einer guten Idee. Heute zeigt sich, dass sie vielleicht doch nicht so gut war.
Über Twitter sendet uns der Nutzer @stefan_aus_L am 6. Oktober den ersten Hinweis auf den Müllausbruch: Ein Foto, das allerlei Unrat zwischen Laub und Gestrüpp zeigt. Darunter graue Kunststofffolien, die aus dem Boden quellen. „Die Alte Deponie in Möckern gibt ihren Müll wieder her“, twittert Stefan_aus_L und fragt: „Soll das so?“ Sicher nicht. Sein Tweet war auch an die Stadt Leipzig, lokale Umweltverbände und andere Medien gerichtet.
Das „Social Media Team“ der Stadt reagiert neun Tage später und fragt nach dem genauen Fundort. Kurz darauf teilt es mit, dass die Deponie in dem angegebenen Bereich „eine Fachliegenschaft der Abt. Stadtforsten des Amtes für Stadtgrün und Gewässer“ sei. Offenbar sind verschiedene Ämter oder Abteilungen für die sanierte Altdeponie in Möckern zuständig. „Die Kollegen haben eben zugesagt, sich der Sache anzunehmen“, zwitschert die Stadt weiter.
Zu diesem Zeitpunkt sind wir schon aktiv, haben etwa beim Umweltamt der Stadt unter Berufung auf das Sächsische Umweltinformationsgesetz einen Antrag auf Einsicht in alle Unterlagen mit umweltrelevanten Daten über die Altdeponie gestellt.
Warum der Aufwand? Weil wir uns am 12. Oktober auf dem Berg umgesehen haben und feststellten, dass der Müllausbruch schon viel weiter fortgeschritten ist, als es das Foto bei Twitter vermuten lässt. Für eine sanierte Deponie sieht es hier ziemlich unsaniert aus, so zumindest unsere Einschätzung.
Schon von weitem zeigt sich: Hier stimmt etwas nicht
Die Bergseite zur Neuen Luppe macht den Eindruck, als wenn Teile abgerutscht sind. Durch das Fernglas lässt sich Müll erspähen. Wenn der Hang vor gut 15 Jahren abgedeckt wurde, dann ist die Abdeckung mittlerweile wieder verschwunden, wahrscheinlich von Wind und Regenwasser abgetragen. Ähnlich ist das Bild an der Südseite, wo die Bahnstrecke verläuft.
Auf dem Plateau, auf dem der Stadtbezirksbeirat am liebsten Fernrohre, Sitzbänke und Tische aufgestellt hätte, ist die Lage unauffällig. Doch der Weg nach oben ist von Abfall gesäumt. Nicht vereinzelt, sondern flächendeckend schimmert der Dreck zwischen Bäumen und Sträuchern hervor. Folienfetzen, alte Shampoo-Flaschen, Gummi-Schläuche, Plastikverpackungen, auch gut erhaltene Glasflaschen, Kunststoffschnipsel, Blechdosen, Kabelreste und Schrott – näher betrachtet offensichtlich alles Konsum-Reste aus DDR-Zeiten.
Geht von der alten Deponie eine Gefahr für Mensch und Umwelt aus? Wie wurde hier saniert? Ist die Deponie jetzt wieder ein Sanierungsfall? Auf diese und andere Fragen suchen wir in den nächsten Tagen und Wochen Antworten – unter anderem in den Unterlagen der Behörden.
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Es gibt 2 Kommentare
War der untere Teil der Deponie jemals abgedeckt? Ich habe dort zum Beispiel im Bereich der Mountain-Bike Pisten kein Gramm Abdeckung gesehen und auch nicht auf der Seite zur Bahnstrecke hin. Ist da vielleicht jemand im Glauben, dass der Berg komplett abgedeckt wurde? Was ist wirklich gemacht worden? Vielleicht gibt es gar nichts aufregendes am Berg zu finden und es müsste einfach nur fertig saniert werden.
Na, vielleicht war es doch etwas voreilig, die Brücke als einzige Zufahrt abzureißen. Wenn man vor der Sanierung der Sanierung erstmal wieder eine Brücke bauen muß, dann dauert das so ewig, daß derweile der halbe Berg in den Fluß gerutscht sein wird.