Das Leipziger Wirtschaftsdezernat sagt es so zwar nicht – aber eigentlich steht es genau so in der Stellungnahme zum Grünen-Antrag zum Leipziger Stadtbad: Leipzig ist zu arm, um aus seinem 100 Jahre alten Stadtbad etwas zu machen. Also wird die Stadt noch was draufpacken und noch einmal versuchen, irgendwelche Investoren einzufangen.

Denn der Versuch, das Stadtbad am Markt zu platzieren, ist gescheitert. Die Ausschreibung musste ergebnislos eingestellt werden.

„Im Ergebnis der Ausschreibung musste festgestellt werden, dass die eingereichten Konzepte neben wirtschaftlichen Kritikpunkten insbesondere nicht den Anforderungen der denkmalpflegerischen und städtebaulichen gestellten Vorgaben entsprachen“, teilt das Wirtschaftsdezernat mit, das den Vermarktungsauftrag über das Liegenschaftsamt versucht umzusetzen.

„Die geplanten Umnutzungen z.B. für Wohnen, Büro- oder Einzelhandelsnutzungen wurden vom Denkmalschutz jeweils kritisch beurteilt, da die damit verbunden Ein- und Umbauten jeweils einen Eingriff in die Gebäudesubstanz bedeutet hätten. Die Umnutzung der entsprechenden Teilbereiche ist nach Angaben der Investoren jedoch zwingend notwendig, um den geplanten Investitionsaufwand sowie das Zuschussgeschäft aus der laufenden Badbetreibung zu finanzieren.“

Und dann wird das Dezernat sehr deutlich: „Die Diskrepanzen wurden jeweils als so hoch eingeschätzt, dass eine Justierung und Nachbesserung nicht ausgereicht hätte, um allen Belangen gerecht zu werden. Das aktuelle Ausschreibungsverfahren ist beendet.“

Eigentlich eine volle Betätigung für die Grünen-Fraktion, die im Juni beantragt hatte, die vergeblichen Verkaufsversuche endlich zu beenden und das 112 Jahre alte Stadtbad lieber wieder für städtische Zwecke umzubauen. Gibt ja jede Menge Bedarf in der Umgebung – zum Beispiel an Schwimmhallenangeboten für das neu entstehende Quartier am Eutritzscher Freiladebahnhof.

Logischer Antrag der Grünen: „Das Stadtbad verbleibt dauerhaft im Eigentum der Stadt.“

Aber genau diesen Punkt lehnt das Wirtschaftsdezernat jetzt rundweg ab. Schlicht deshalb, weil Leipzig das augenscheinlich nicht bezahlen könnte.

„In einer im Jahr 2011 angefertigten Machbarkeitsstudie durch die Kannewischer Ingenieurgesellschaft mbH wurden für eine Reaktivierung als Stadtbad und die erweiterte Nutzung als einzigartige ‚Wellness-Mall‘ Investitionskosten i. H. v. ca. 30,0 Mio. Euro veranschlagt. Als Einzugsgebiet wurden das Stadtgebiet von Leipzig sowie die nähere Umgebung (ca. 50 km) angesetzt. In der Studie wurde darauf hingewiesen, dass die denkmalpflegerischen Anforderungen zu erhöhten Investitions- und Unterhaltungskosten führen können. Die kalkulierte Finanzierungslücke entsprach zum damaligen Zeitpunkt bereits 1,0 Mio. Euro / Jahr“, rechnet das Wirtschaftsdezernat vor.

„Die Baukosten sind aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, sodass aktuell mit einem Investitionsvolumen von 40,0 Mio. Euro bis 45,0 Mio. Euro gerechnet werden sollte. Darüber hinaus sind auch die laufenden Unterhaltungskosten, insbesondere für Energie und Personal, erheblich gestiegen. Trotz günstigerer Marktzinsen ist somit davon auszugehen, dass sich die Finanzierungslücke weiter vergrößert hat.“

Das heißt: Wenn die Stadt das Gebäude wieder instand setzen wollte, müssten 45 Millionen Euro eingesetzt werden. Und da es dann trotzdem kein modernes Bad ist, werden die Betriebskosten die Stadt stark belasten: „Die Nutzung als weiteres, quartiernahes Schwimmhallenflächenangebot wäre aufgrund des notwendigen Sanierungsaufwandes sowie der hohen jährlichen Unterhaltskosten vergleichsweise höher als bei modernen Schwimmhallen.“

Aber was kann man da tun? Außer das von Kannewischer erstellte Papier zu hinterfragen, ob das nach sieben Jahren so immer noch belastbar ist? Immerhin hat ja eben diese Stadtverwaltung kurz danach auch darüber nachgedacht, eventuell das Naturkundemuseum hier mit unterzubringen. Aber augenscheinlich kollidiert jede wirtschaftliche Nutzung damit, dass dieses Gebäude 1906 als Stadtbad gebaut wurde und an der denkmalgeschützten Substanz nichts verändert werden darf.

Das Wirtschaftsdezernat hofft jetzt, wenn die Stadt noch eine zusätzliche Fläche draufpackt, könnte sich das Ganze doch noch zu einem attraktiven Angebot für Investoren entwickeln.

Nur besitzt die Stadt dieses Grundstück noch nicht. Es ist die benachbarte Rasenfläche an der Ecke Eutritzcher/Roscherstraße.

„Das Stadtbad soll mit dem Ergänzungsgrundstück, unter Berücksichtigung der erwarteten Dynamik aus der stadträumlichen Entwicklung auf dem benachbarten Areal des Freiladebahnhofs, neu ausgeschrieben werden“, meint das Wirtschaftsdezernat. „Ziel ist der Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages über die Gesamtflächen zur Umsetzung des Vermarktungsauftrages und der festgelegten Ziele gemäß Beschluss der Ratsversammlung Nr. RBV-1975/14 vom 19.03.2014 (Das Gebäude ist umfassend zu sanieren und ein öffentlich zugänglicher Ort zu schaffen, der die Stadt kulturell und sportlich bereichert. Dazu gehören Gesundheitsfürsorge, Wellness, Bildungs- und Kulturangebote).“

Es klingt fast so, als hätte der Stadtrat da 2014 etwas Unmögliches beschlossen. Denn alle diese Nutzungen refinanzieren ja keine Investitionskosten von 45 Millionen Euro. Es deutet vieles darauf hin, dass beim Projekt Stadtbad bislang falsch gedacht wurde. Nicht ohne Grund versuchen ja die Investoren, die ihre Angebote abgaben, auch Wohnungen und Bürofläche oder gar einen Supermarkt im Haus zu integrieren.

Jetzt glaubt das Wirtschaftsdezernat, dass man mit der noch zu kaufenden Ergänzungsfläche dieses Dilemma vielleicht beheben kann.

„Die Bemühungen über den Ankauf einer Teilfläche des Nachbargrundstücks ist bereits Verwaltungshandeln. Es ist zwingend notwendig, zusätzliche Stellplatz- und Nutzflächen in unmittelbarer Nachbarschaft dauerhaft zu sichern. Der Ankauf ist für die erfolgreiche Weiterentwicklung des Leipziger Stadtbades somit unabdingbar“, teilt es mit.

„Ein Neubau wird zur Verbesserung einer wirtschaftlich tragfähigen Gesamtkalkulation beitragen und das Finanzierungsdefizit aus dem Zuschussgeschäft einer Badbetreibung abmildern. Der Freistaat Sachsen verknüpft an den geplanten Verkauf jedoch ausdrücklich die Bedingung einer Zweckbindung für PKW-Stellplätze und ggf. Nutzung von Bürofläche.“

Das Grundstück gehört nämlich zum dort befindlichen Finanzamt.

Grüne sprechen sich für sofortigen Verkaufsstopp für das Leipziger Stadtbad aus

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