Johann Wolfgang von Goethe hätte sich ganz bestimmt gewundert, welchen Rummel die Leipziger um seine Person und sein berühmtestes Drama veranstalten und dass sie es tatsächlich fertigbringen, einen seiner ironischsten Verse wieder über den Dächern der Stadt zu installieren. Aber die Leipziger mögen diesen Frosch-Spruch: „Mein Leipzig lob' ich mir ...“ Und seit Donnerstagabend, 26. Juli, leuchtet er auch wieder.

Denn am Donnerstagabend kehrte das historische Wahrzeichen wieder zurück an den Leipziger Himmel: Das bekannte Goethe Zitat „Mein Leipzig lob’ ich mir…“ und die Begrüßungen „Willkommen in Leipzig“ auf Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch wurden droben auf dem Dach der „Höfe am Brühl“ feierlich durch Centermanager Robin Spanke und Oberbürgermeister Burkhard Jung eingeweiht.

Mit 5.450 Arbeitsstunden, 185 Litern Grundierungsfarbe und 126 Litern Decklack wurde der 42 Jahre alten Leuchtreklame durch einen aufwendigen Restaurationsprozess wieder zu neuem Glanze verholfen. Insgesamt 2.200 Meter neueste LED-Neonflex-Schläuche wurden in die fast 100 Meter lange, 5 Meter hohe und 30 Tonnen schwere Leuchtreklame verbaut. Durch die Umrüstung von Neon auf LED konnte der Energieverbrauch um 78 Prozent verringert werden. Betrieben wird die Anlage nun mit 100 Prozent grünem Strom der Stadtwerke Leipzig.

„Mein Leipzig lob´ ich mir“ erstrahlt wieder in gewohnter Schönheit am Leipziger Himmel. Foto: Höfe am Brühl
„Mein Leipzig lob´ ich mir“ erstrahlt wieder in gewohnter Schönheit am Leipziger Himmel. Foto: Höfe am Brühl

„Es ist ein schönes Gefühl, dass wir Leipzig mit der Leuchtreklame ein Stück Historie zurückgeben können und die Schriftzüge auf dem Dach der Höfe am Brühl ab sofort wieder das Stadtbild prägen. Die Leuchtreklame ist damit einer von vielen historischen Bezügen, die an die geschichtsträchtige Vergangenheit der Höfe am Brühl erinnern“, freute sich Robin Spanke, Centermanager der Höfe am Brühl.

Der 15,92 Meter breite und 4,29 Meter hohe Schriftzug „Mein Leipzig lob’ ich mir…“ erleuchtet nun auf südlicher Seite der Höfe am Brühl und ist aus Richtung der Innenstadt – Sichtlinie Reichsstraße – gut sichtbar. Dank des angebrachten Willkommensgrußes und des Leipziger Stadtwappens (4,80 Meter hoch und 3,80 Meter breit) diagonal in Richtung Hauptbahnhof ist die Ankunft in Leipzig ab sofort noch schöner als zuvor. Es leuchtet wieder. Und mancher wird an das eindrucksvolle Gedicht von Ernesto Cardenal erinnert sein: „In der Nacht leuchten die Wörter“.

Hier leuchten sie tatsächlich und erzählen natürlich von jenem ziemlich kurzen Kapitel Leipziger Geschichte, in dem dutzende eindrucksvoller Leuchtreklamen geschaffen wurden, die die eigentlich ziemlich ramponierte Stadt eben doch zum Leuchten brachten. Neben der „Willkommen“-Leuchtschrift, die jetzt auf den „Höfen am Brühl“ zu sehen ist, existierte heute vor allem noch die eindrucksvolle Löffelfamilie, die einst für den VEB Feinkost warb. Im Museum der bildenden Künste ist die eindrucksvolle Zündkerze gerettet, die dort Zeugnis dafür ablegt, dass Leuchtreklame in den 1960er und 1970er Jahren immer auch ein Kunstwerk war.

„Willkommen in Leipzig“: Diese Begrüßung leuchtet ab sofort in Richtung des Rings. Foto: Höfe am Brühl
„Willkommen in Leipzig“: Diese Begrüßung leuchtet ab sofort in Richtung des Rings. Foto: Höfe am Brühl

Verschwunden ist die ambitionierte Margon-Wasser-Reklame aus der Hainstraße. Und die Leuchtreklame auf den Häusern an der Grünewaldstraße ist eher kläglich erhalten – ohne Leuchtmittel. Und den Meissner Schwertern an der Richard-Wagner-Straße ergeht es noch elender.

Die jetzt wieder leuchtende Werbung auf den „Höfen am Brühl“ begrüßt natürlich auch wieder internationale Besucher mit der 62 Meter breiten und 4,25 Meter hohen Anlage in französischer, englischer und russischer Sprache.

„Die Rückkehr dieser Leuchtreklame ist ein besonderer Augenblick für unsere Stadt. Sie gehört zu den Glanzlichtern Leipziger Lichtwerbeanlagen und hat das Gesicht der Innenstadt über Jahrzehnte geprägt. Und natürlich interpretieren wir Goethes Faust-Zitat nur zu gern als Lob, auch wenn es wohl nicht ganz so schmeichelhaft gemeint war“, sagte Oberbürgermeister Burkhard Jung.

Der bekannte Spruch von Goethes Faust „Mein Leipzig lob’ ich mir…“ wird heute rege verwendet und ist ein Ausdruck des Stolzes auf die schöne sächsische Stadt, interpretieren die „Höfe am Brühl“ den Goethe-Spruch für sich. Ein Spruch, den im „Faust, der Tragödie 1. Teil“ übrigens ein trinkender Student sagt, nachdem er von Mephistopheles ein wenig gefoppt worden war.

Im Grunde geht es in der ganzen Szene nicht um Bildung, wenn der Frosch sagt „Mein Leipzig lob’ ich mir. Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute …“, sondern um Feiern und Ausschweifungen. Mephistopheles: „Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest. / Mit wenig Witz und viel Behagen.“

Aber das hat einer, der sich in Leipzigs Stadtgeschichte gut auskennt, schön ausführlich erklärt: Otto Werner Förster in seinen „Leipzier Recherchen“.

Aber zu einem Teil des Leipziger Selbstempfindens gehört ja auch eine gewisse westsächsische Ironie. Da wirbt man dann auch mit so einem Studentenspruch und mit Augenzwinkern für sich. Und zwinkert sich zu, wenn ernsthafte Touristen den Spruch sogar ernst nehmen und dann eiligst zu Auerbachs Keller spurten, um den großen Atem der Geschichte und des kurzen Goetheschen Aufenthalts als Student in Leipzig zu erleben.

Goethe schwebt wieder über Leipzig

Goethe schwebt wieder über Leipzig

 

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