981 Millionen Euro will die CG Gruppe in das Neubauquartier Eutritzscher Freiladebahnhof investieren. Projekttitel: Leipzig 416. Und bislang ließ sich das Zusammenspiel mit der Stadt recht vielversprechend an. Aber jetzt ist irgendwie der Wurm drin. Zwei spektakuläre Kündigungen für Mieter auf dem Gelände sorgen für Verunsicherung. Wird das also wieder nur ein simples Investorenprojekt?
Auf der Homepage wirbt die CG Gruppe noch damit, dass sie hier kooperativ gemeinsam mit der Stadt planen will: „Der geplante Mix aus Wohn- und kulturellen Nutzungen, kleinteiligem Gewerbe und Einzelhandel, Büros, Dienstleistungen sowie Gastronomie soll baukulturell bedeutsame Einzeldenkmale integrieren. Im Sinne eines kooperativen Planungsansatzes ist in enger Zusammenarbeit mit dem Dezernat für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig eine prozessbegleitende Perspektivwerkstatt vorgesehen: Neben einer städtebaulichen Werkstatt für das Gesamtquartier sind Architekturwerkstätten für Teilquartiere in Begleitung durch das Gestaltungsforum der Stadt Leipzig geplant.“
Doch übers Wochenende wurde bekannt, dass zwei wichtigen Kultureinrichtungen auf dem Gelände – dem TV-Club und dem Kulturzentrum „So&So“ – der Mietvertrag gekündigt wurde. Und das, obwohl der Gebäuderiegel, in dem der TV Club untergebracht ist, denkmalsgeschützt ist und erhalten werden soll. Hier wünscht sich auch die Stadt eine „Kulturmeile“. Doch wie soll das gehen, wenn die beiden bekanntesten Kultureinrichtungen schon im Herbst dieses und kommendes Jahr vom Gelände verschwinden sollen?
Mit Erstaunen hat auch die Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat die Entwicklungen auf dem Areal des Eutritzscher Bahnhofs zur Kenntnis genommen.
„Durch die Kündigungen des TV-Clubs und des So&So schafft die CG-Gruppe Tatsachen, die in keinster Weise mit dem Ergebnis des umfangreichen Bürgerbeteiligungsprozesses zusammenpassen“, erklärt Franziska Riekewald, stellvertretende Fraktionsvorsitzende.
„Die sehr umfangreiche und gute Beteiligung der Öffentlichkeit im Nachbarschaftsforum wird mit dem Vorgehen der CG-Gruppe ad absurdum geführt. Mal wieder zeigt die CG-Gruppe, dass es ihr nicht um die gemeinsame Entwicklung eines Wohnquartiers geht, sondern ganz allein um Gewinnmaximierung und Profitstreben. Wir verurteilen dieses Vorgehen auf das Schärfste und fordern die CG Gruppe auf, die Kündigungen zurückzunehmen und die Gebäude des TV-Clubs sowie des So&So auf dem Gelände zu erhalten.“
Wie es weitergehen soll, wissen beide noch nicht. „So&So“ hatte zwar zwei Ausweichangebote bekommen, aber beide waren aus Sicht des Kulturzentrums nicht umsetzbar. Und die Stadt hat sowieso deutlich gesagt, dass sie den denkmalgeschützten Riegel als „Kulturmeile“ erhalten wissen will. Was auch ein Anlass dafür war, dass die beiden Stadträte Tim Elschner (Grüne) und Christopher Zenker (SPD) am 20. Juli beantragten, dass die Stadt sich die Flächen für das Gemeinwohl sichern sollte. Sie verstanden das als ein Geben und Nehmen – die CG Gruppe kann mehr Wohnungen vermarkten und die Stadt kann eine Schule bauen, Sportplätze anlegen und die „Kulturmeile“ erhalten.
Ein Gedanke, den auch die Fraktion Die Linke unterstütze, betont Franziska Riekewald, sie teile die Forderungen, dass die CG-Gruppe der Stadt Leipzig Flächen auf dem Gebiet des Eutritzscher Bahnhofs für einen Schulcampus, für kulturelle Nutzungen sowie für die Umsetzung kooperativer Wohnprojekte zur Verfügung stellen sollte. „Auch der Forderung nach einem ergänzenden städtebaulichen Vertrag schließen wir uns an.“
Aber auch der benachbarte Bürgerverein Gohlis e.V. zeigt sich überrascht über die neueste Entwicklung am Areal des ehemaligen Eutritzscher Bahnhofs. Er sieht aus der Nachbarschafts-Perspektive die kurzfristig erfolgten Kündigungen von TV-Club und dem „So&So“ mit kritischem Blick. Im bisherigen kooperativen Planungsverfahren bestand Konsens, dass deren Standorte erhalten bleiben. Unter Gebäuden, die unverändert erhalten bleiben, bestehe auch kein aktueller Anlass, nach Altlasten zu suchen. Daher könne der Bürgerverein die aktuelle Lage nicht nachvollziehen und fordere das Einhalten der bisher gemachten Vereinbarungen.
Über eine lange Zeit hinweg wurde in mehreren Nachbarschaftsforen über das „kooperative Bauverfahren“ ein Plan zwischen der Bürgerschaft, dem Investor und der Stadtverwaltung über die zukünftige Gestaltung des Areals des ehemaligen Eutritzscher Bahnhofs entworfen. Grundlage dessen war eine ausgewogene Mischung aus Wohnen, Gewerbe, Kultur und öffentlicher Raum. Im Konsens und mit Zustimmung aller anwesenden Akteure wurden Entscheidungen gefasst, die am Ende in einem Siegerentwurf mündeten. Diese Ergebnisse wurden auch bis zur letzten Sitzung des Nachbarschaftsforums im Juni 2018 konkretisiert.
Doch die aktuellen Veränderungen der bisherigen Pläne sind für den Verein nicht zufriedenstellend. Der Bürgerverein Gohlis zeigt sich beunruhigt und interpretiert die bekannt gewordenen Kündigungen als eine Verschiebung der Schwerpunkte weg von der Durchmischung des Areals hin zu einer hochprofitablen Wohnbebauung.
Dazu Hannes Meißner, Vertreter des Bürgervereins im Nachbarschaftsforum: „Wir erinnern die CG-Gruppe mit Nachdruck an die Einhaltung der Ergebnisse aus den Nachbarschaftsforen und fordern, dass die Planungen weiterhin entlang der vereinbarten Grundsatzentscheidungen erfolgen. Für uns ist auch weiterhin wichtig, dass die Ergebnisse des Nachbarschaftsforums von allen Beteiligten ernst genommen werden und so eine ausgewogene Mischung von Kultur, Gewerbe und Wohnen ermöglicht wird, aber auch ausreichend öffentlicher Raum entsteht.“
Meißner jedenfalls zeigt sich zutiefst besorgt: „Jetzt die eigenen Interessen am Nachbarschaftsforum vorbei durchzusetzen und dafür neue Erkenntnisse verantwortlich zu machen, führt die ganze Bürgerbeteiligung ad absurdum. Das viele Lob für das kooperative Beteiligungsverfahren bekommt nun einen sehr faden Beigeschmack. Wer Beteiligung will, muss auch deren Ergebnisse ernst nehmen – hier appellieren wir auch an die Stadt. Sonst wächst nur der Verdruss der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Demokratie.“
Und auch die SPD-Fraktion hat ihre Position formuliert:
CG-Gruppe muss sich an Absprachen halten
Nachdem dem ,So&So‘ auf dem Gelände des Freiladebahnhofs bereits gekündigt worden ist, hat der Investor nun dem TV-Club auch nur eine Bestandsgarantie am Standort bis Ende 2019 gegeben. Auch mehrere Unternehmen auf dem Areal stehen aufgrund außerordentlicher Kündigungen und fehlender Ersatzstandorte vor dem Aus.
Die Leipziger SPD-Fraktion beobachtet die aktuelle Entwicklung kritisch: „In mehreren Bürgerforen hatte sich die CG-Gruppe zum Erhalt der Kultureinrichtungen am Standort Freiladebahnhof bekannt. Die Kündigung des ,So&So‘ sowie die auf noch knapp anderthalb Jahre begrenzte Standortgarantie für den TV-Club lassen ein anderes Bild entstehen. Neue Stadtquartiere sind nicht nur zum Schlafen und Arbeiten da. Urbaner Raum ist nun einmal von einer Mischnutzung geprägt, also von Wohnen, Arbeiten, Kultur und Bildungsinfrastruktur gemeinsam. Wir appellieren an die CG-Gruppe, hier ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, den Kultureinrichtungen eine Zukunft auf dem Freiladebahnhof zu bieten“, so SPD-Fraktionschef Christopher Zenker.
Am vergangenen Freitag hat Christopher Zenker gemeinsam mit dem Grünen-Stadtrat Tim Elschner einen Antrag vorgestellt, in dem die beiden Ratsmitglieder fordern, dass die CG-Gruppe der Stadt nach Verhältnismäßigkeitsprüfung einzelne Baufelder des Areals übertragen soll. Es geht dabei vorrangig um Grundstücke, auf denen öffentliche Infrastruktur, also insbesondere Sportflächen und Schulen, entstehen soll.
Enthalten sind aber auch Grundstücke auf denen heute schon kulturelle Angebote vorhanden sind. Teil des Antrags ist auch der Wunsch, dass bis zum Abschluss der Prüfung durch den Vorhabenträger keine unabänderlichen baulichen Veränderungen vorgenommen werden sollen und etwaige Miet- und Pachtverträge befristet verlängert bzw. erfolgte Kündigungen zurückgenommen werden sollen.
„Wir hoffen, dass die CG-Gruppe jetzt nicht Fakten schaffen will, die den Absprachen im Nachbarschaftsforum zuwiderlaufen. Das kooperative Beteiligungsverfahren, für das das Projekt bislang gelobt wurde, wäre damit beschädigt. Wir hoffen deshalb, dass die Kündigungen ausgesetzt werden und zum kooperativen Verfahren zurückgekehrt wird“, so Zenker.
Ähnlich verhält es sich mit weiteren Gewerbetreibenden, wie Farben-Schulze oder Metallhandel Jacob, die ebenfalls auf dem Areal angesiedelt sind und teilweise noch länger laufende Mietverträge haben. Diesen wurde durch den Investor außerordentlich gekündigt, was zur Existenzgefährdung der Unternehmen führt.
Hierzu erklärt Heiko Bär, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses der Stadt und wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Die CG-Gruppe sollte sich an Absprachen halten und die Unternehmen am Standort bei der Suche nach Ersatzflächen sowie dem Umzug unterstützen. Es geht nicht, dass ein Immobilieninvestor nur seine Ziele erreichen will, aber die Suche nach Alternativstandorten für die Gewerbetreibenden und die Verlagerungskosten ausschließlich von der Stadt und den betroffenen Unternehmen getragen werden müssen. Hier steht nicht nur der Wert getätigter Investitionen auf dem Spiel sondern auch die Fortexistenz von Unternehmen, Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätzen. Ich sehe die CG-Gruppe in der Pflicht, sich im Sinne der kooperativen Baulandentwicklung um ihre Mieter zu kümmern, statt sie zu bekämpfen.“
Die SPD-Fraktion hofft, dass sich das Stadtplanungsamt und das Amt für Wirtschaftsförderung in den Konflikt einschalten und nach Lösungen suchen. Es geht neben dem Erhalt der Kultureinrichtungen auch um die Sicherung von Arbeitsplätzen.
CG Gruppe schafft Fakten: TV Club am Eutritzscher Freiladebahnhof auch gekündigt + Video
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Es ist unerträglich, wie die Berliner CG-Gruppe von Leipzig immer mehr Besitz ergreift. Der Inhaber Christoph Grömer, ein Self-made-Millionär, der in einer ARD-Sendung meinte, er wolle alles für die Ausbildung und das Wohl von Kindern tun (sogar eine Partei gründen), bleibt beim Krabbelgruppen-Niveau stehen, als ob nicht auch Kulturangebote für (mehr oder minder junge) Erwachsene von Belang sind. Die Stadt Leipzig verschläft ständig ihr Vorkaufsrecht und reagiert erst, wenn andere (wohl unumstößliche) Tatsachen geschaffen haben. Warum fällt das bislang nur 2 Stadträten auf? Nicht zu vergessen: Wenn die Stadt auf dem Areal mit Steuergeldern Schulen und Kitas baut, erhöht das den Verkehrswert des Grömer-Grundstücks.