Am 8. Mai meldete die Stadtverwaltung direkt aus der Dienstberatung des Oberbürgermeisters: „,Großer Garten Paunsdorf: Umgestaltung beschlossen‘“. Ein Großer Garten in Paunsdorf? Gar ein Rittergut? So sehr können alte Ankerpunkte aus dem Stadtbild verschwinden, dass man nicht mal mehr auf die Idee kommt, es könnte so etwas in Paunsdorf geben. Mit der Straßenbahn fährt man sowieso meilenweit dran vorbei. Und von der Permoserstraße aus sieht man bestenfalls ein paar Baumwipfel.

Baumwipfel, die nicht verraten, dass sie zu einem über 300 Jahre alten Park gehören, der wieder zu einem Rittergut gehörte mit einem ordentlichen kleinen Schloss darauf, wie sich das gehörte. Doch das Schloss wurde gleich nach 1945 mit fast allen anderen Bauten des Rittergutes abgerissen, verschwand damit völlig aus der Wahrnehmung.

So verliert auch ein ganzer Ortsteil sein Gesicht und seine Struktur. Beim Stichwort Paunsdorf denkt der heutige Leipziger vor allem an die Großbausiedlung weiter im Nordosten, nicht an das alte Dorf Paunsdorf mit seiner 1783 errichteten Genezarethkirche, dem Dorfteich, der Häuslergasse und dem dahinter liegenden einstigen Gut.

Das Schloss ist verschwunden, der Gutspark hat bis heute überlebt, war aber bislang für die Öffentlichkeit abgesperrt. Das soll sich jetzt ändern.

Die Parkanlage „Großer Garten“, ein Teil des historischen Rittergutes aus dem 17. Jahrhundert im historischen Ortskern von Paunsdorf, soll umgestaltet werden. Die Verwaltungsspitze fasste auf Vorschlag von Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau und Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal am 8. Mai den entsprechenden Bau- und Finanzierungsbeschluss.

Mit der Umgestaltung der Anlage soll eine öffentlich nutzbare Grünverbindung zwischen Alt- und Neu-Paunsdorf mit Anknüpfung an den „Grünen Bogen Paunsdorf“ in der Nachbarschaft der 24. Grundschule und der Kita entstehen. (Das Gelände der Schule ragt rechts unten in den alten Rittergutspark hinein.)

Großer Garten Paunsdorf. Karte: Stadt Leipzig, ASG
Großer Garten Paunsdorf. Karte: Stadt Leipzig, ASG

Derzeit ist der „Große Garten Paunsdorf“ ein verschlossener Park. Schule und Kita nutzen ihn seit zehn Jahren nicht mehr. Auf dem Areal hat sich auch deshalb eine artenreiche kleine Wildnis entwickelt. Die Umgestaltung knüpft an diese Entwicklung an. Die Anlage soll ein Naturerfahrungsraum werden, der zum Spazieren und Verweilen einlädt und dessen Randbereiche mit ihren Gehölzen den im Park lebenden Vögeln und anderen Tieren die erforderlichen Rückzugsmöglichkeiten bieten.

Der Imker, der im Park seinen Standort hat, soll bleiben. Die beiden Haupteingänge am Lehdenweg und an der Theodor-Heuss-Straße werden durch einen Weg verbunden. Die Erneuerung der Parkeinfriedung dient der Besucherlenkung zum zentralen Eingangsbereich und der Sicherung von Ruhezonen im Park, betont die Vorlage zum Bauprojekt. Schule und Kita erhalten einen schuleigenen Zugang zum Park. Sogenannte „Wegzeichen der Natur“ ‒ Wegweiser aus Metall, deren Gestaltung sich an Naturformen anlehnt – sorgen für Orientierung.

Vorgesehen sind ferner mehrsprachige Informationstafeln zur Natur und Geschichte des Parks. Sie sollen in enger Kooperation zwischen der 24. Grundschule, dem NABU Leipzig und der Stadtverwaltung entstehen. Und die Geschichte berührt einige der bekanntesten Rittergutsbesitzer im Leipziger Raum. Um 1410 ist die Familie Pflugck mit dem Rittergut belehnt, später dominiert über Jahrhunderte die Familie Thümmel, in deren Zeit wohl auch die Anlage des Rittergutsparkes fällt.

Später hießen die Gutsherren Küstner, Arndt und Körner. Als aber 1839 auch die Eisenbahn nach Paunsdorf kam, war es mit der dörflichen Ruhe vorbei. Ab 1887 bemühte sich der Paunsdorfer Gemeinderat um eine Eingemeindung nach Leipzig. Aber tatsächlich eingemeindet wurde Paunsdorf erst 1922.

Und dann das. Mit dem Bau von Neu-Paunsdorf in den 1980er Jahren geriet der alte Dorfkern fast völlig aus dem Fokus der Aufmerksamkeit. Gleich drei stark befahrene Straßen sorgen heute dafür, dass man das alte Dorf kaum noch wahrnimmt – im Norden die Permoserstraße, im Süden die Riesaer Straße und – westlich der Kirche – die Theodor-Heuss-Allee. Da denkt niemand an Innehalten und Ruhe finden. Oder gar an die Existenz eines eindrucksvollen alten Parks in der Nähe. Deshalb wird er auch in den meisten Parkführern der Stadt einfach vergessen.

Und auch im Projekt „Grüner Bogen Paunsdorf“ hielt sich die Stadt bislang sehr bedeckt, was diesen Übergang vom Neu-Paunsdorfer Teil (über die Permoserstraße) zum alten Paunsdorfer Dorfkern betrifft: „Nach der Fertigstellung des Bürgerparks soll als nächster Bauabschnitt eine öffentlich nutzbare Grünverbindung zur alten Ortslage Paunsdorf mit dem historischen Großen Garten entwickelt werden.“

Das ist jetzt endlich der Fall. Auch weil Alt-Paunsdorf im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) als neuer Handlungsschwerpunkt ausgewiesen ist: Zu lange hat man den alten Dorfkern einfach links liegen lassen und das Wohn- und Entwicklungspotenzial nicht gesehen, das es hier gibt.

„Auf der Grundlage des B-Planes ‚Alte Ortslage Paunsdorf‘, des Stadtentwicklungskonzeptes Leipzig 2030 und der Einordnung in das Handlungskonzept Soziale Stadt Paunsdorf soll mit dem geplanten Vorhaben eine öffentlich nutzbare Grünverbindung zwischen Alt- und Neu-Paunsdorf mit Anknüpfung an den Grünen Bogen Paunsdorf, im Umfeld sozialer Einrichtungen (wie Schule und Kita) geschaffen werden“, heißt es jetzt in der Vorlage.

Die Gesamtkosten des Vorhabens betragen rund 360.000 Euro. Davon kommen 240.000 Euro aus dem Bund-Länder-Programm Soziale Stadt und 120.000 Euro aus dem städtischen Haushalt.

Die Ausschreibungen laufen jetzt. Gebaut werden soll von August 2018 bis September 2019.

Bänke, Findlinge, Papierkörbe und Poller sollen die Ausstattung des über 13.000 Quadratmeter großen Parks ergänzen.

Und ab 2020 soll der Park dann vom Amt für Stadtgrün und Gewässer für jährlich 9.500 Euro gepflegt werden.

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