Wirklich freie Bauflächen in Leipzig sind im Laufe der vergangenen Jahre endgültig zur Mangelware geworden. Entweder sind die Lücken an den Straßenrändern der Wohnviertel zunehmend geschlossen. Oder es sind kleine Parks entstanden, wie beim zuletzt abgeholzten Biotop „Leopoldpark“ oder beim sogenannten „Sternwartenwäldchen“, welche aufgrund privater Wohnungsbauvorhaben verschwinden. Weitere (größere) Parks werden zunehmend unter Schutz gestellt oder Bürgerinitiativen haben begonnen, ihre Unversehrtheit zu erhalten. Nun geht es um eine große Brachfläche zwischen Ida- und Elisabethstraße an der Eisenbahnstraße.

Das Dilemma in allen zurückliegenden Fällen von Verkäufen, Abholzungen und Bebauungsplanungen auf Flächen, die sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zu innenstadtnahen Biotopen verwandelt haben, war und bleibt: Leipzig braucht angesichts eines Leerstandes von nur noch rund 2 Prozent und systematisch steigenden Mieten neue, bezahlbare Wohnungen. Und aufgrund des hohen Zuzuges in die Stadt eben auch Schulen und Kitas – der Freiraum verengt sich zunehmend und die Grundstückspreise steigen. Vor allem in den Wohnvierteln werden die Flächen selbst zunehmend rarer.

Und so wird jede Entscheidung, ob Gelände und vor allem auch an wen verkauft werden, zunehmend skeptisch beäugt, ja teils mit Protesten und Petitionen begleitet.

So auch am Montag, den 12. März 2018, wenn ab 10 Uhr am Amtsgericht Leipzig gleich zwei zusammenhängende Grundstücke an der Eisenbahnstraße unter den Hammer kommen. Denn auf den gesamt 1.650 Quadratmetern zwischen Ida- und Elisabethstraße ist ein kleiner Park gewachsen, worauf nun als Aspekt „einige Anwohner der Eisenbahnstraße“ hinweisen: „Seit Jahrzehnten wird die Brachfläche von den Bewohnern des Viertels genutzt. Es gibt dort eine Tischtennisplatte, Beete und Platz zum Spielen für Kinder“, schreiben sie. Und dass sie am Montag am Amtsgericht sein werden, um zu protestieren.

Denn, so Henning Bach, Organisator der kommenden Proteste, „dass die Brache jetzt verkauft und bebaut wird, ist ein Verlust für unser Viertel“. So freue man sich zwar grundsätzlich „über Veränderungen in unserem Viertel und in unserer Stadt, aber wir wollen in solche Prozesse demokratisch mit einbezogen werden.“ Und diese Möglichkeit wäre durchaus gegeben, wie einst beim „Leopoldpark“, welchen die Stadt Leipzig hätte von privat erwerben können, befinden sich die Grundstücke hier nun in öffentlichem Besitz des Landes Baden-Württemberg.

Nach Informationen der Initiative wird „das Land Baden-Württemberg, an die das unbebaute Grundstück nach dem Tod der Eigentümerin gefallen ist, die Fläche an die höchstbietende Partei versteigern“. Bekannt ist dieser Umstand der Versteigerung übrigens durch eine Veröffentlichung des Amtsgerichtes seit spätestens 16. Januar 2018.

Dass die Brache jetzt einfach an den Höchstbietenden verkauft wird, ärgert Bach: „Es gibt hier im Viertel immer noch nicht genug Schulen und Kindergärten. Jetzt wird da eine Fläche einfach versteigert und jemand baut dort Wohnungen, die wir uns bestimmt nicht leisten können“.

Womit der Organisator indirekt an einer entscheidenden Frage in der aktuellen Wohnungs- und Schulbaudebatte Leipzigs angelangt ist.

Wer wird kaufen?

Werden die Stadt Leipzig oder die LWB nun, wo die beiden Grundstücke schon in die Zwangsversteigerung gekommen sind, mitbieten? Nur wenn das geschieht, ist eine „demokratische Mitbestimmung“ überhaupt möglich. Fällt das Gelände mit einem angegebenen Verkehrswert von insgesamt 154.000 Euro in private Hände, braucht sich kein Stadtrat mehr mit einer Schulplanung oder sozialem Wohnungsbau an diesem Ort zu befassen.

Dann gibt es noch maximal über die Rechtsgültigkeit eines Bauvorhabens zu befinden und die unter Umständen entstehenden Wohnungen gehen mit Sicherheit nicht unter 10 Euro an den Markt. Oder werden zu Eigentum gewandelt und einzeln verkauft, wie es zunehmend an der Eisenbahnstraße geschieht.

Saniert und dann die Ladenzeile zugemauert: 200 Meter vor dem Listplatz steht das Haus (Mitte, rechts) leer. Foto: L-IZ.de
Saniert und dann die Ladenzeile zugemauert: 200 Meter vor dem Listplatz steht das Haus (Mitte, rechts) leer. Foto: L-IZ.de

Denn längst ist die gesamte Magistrale entgegen jeder Titulierung als „gefährlichste Straße Deutschlands“ samt Umliegerviertel Ort zunehmender Spekulationen und Preisauftriebs geworden. So steht beispielsweise seit zwei Jahren ein saniertes Haus an der vorderen Eisenbahnstraße leer – warum fertiggestellte Wohnungen nicht an den Mietmarkt gebracht werden, kann man nur spekulieren. Weshalb die Initiative wohl zu Recht zum Kaufpreis des Geländes Eisenbahnstraße 105 mutmaßt: „Es ist aber davon auszugehen, dass bei der aktuellen Spekulationswelle mit Immobilien im Leipziger Osten ein deutlich höherer Preis gezahlt werden wird.“

Ziel der Proteste soll es demnach sein, auf die rasante Zuspitzung der Wohnungssituation im Leipziger Osten, wie auch im Rest der Stadt, hinzuweisen. „Wir werden den Verkauf nicht stoppen können“ gibt Henning Bach zu. „Aber wir wollen auf eine Entwicklung aufmerksam machen, die uns kaum noch Luft zum Atmen lässt“.

Apropos Luft zum Atmen

Das Problem steigender Baukosten mangels Personal, Baumaterial und einer Flut von technischen Vorschriften treibt die Durchschnittsmieten in Leipzig längst ebenfalls systematisch in die Höhe. Gerade hat sogar die städtische Baugesellschaft LWB verkündet, das Teile ihrer sanierten Häuser im Leipziger Süden nun Mieten von zirka 10 Euro verlangen zu wollen. Vormals zahlten die Mieter in der Brandvorwerkstraße 62-64 und der Hardenbergstraße 4-6 Kaltmieten von 3,71 Euro.

Bleibt also die Frage, wie heraus aus der Misere, will man in Leipzig nicht am Ende etwas in voller Ausprägung erleben, was längst begonnen hat: dass der preiswerte Wohnungsbau nur noch an den Stadträndern stattfindet und sich am Ende in Paunsdorf und Grünau Ghettos bilden. Und Schulbauten nicht mehr in Quartieren stehen, sondern sich Stück um Stück die Anfahrtswege verlängern. Eine Entwicklung, die sich nicht über Nacht, sondern Quadratmeter um Quadratmeter Bauland in den innenstadtnäheren Quartieren vollzieht.

Derzeit sucht die Stadt selbst öffentlich Grundstücke ab 9.400 Quadratmeter. Zum Bau von Grundschulen, Oberschulen, Gymnasien und Sporthallen. Vielleicht auch am 12. März, 10 Uhr am Amtsgericht Leipzig.

Nachtrag d. Redaktion: Ein Leser wies uns nach Veröffentlichung des Beitrages darauf hin, dass die Hinterseite des dargestellten Gebäudes seit einigen Monaten (weiter) saniert wird.

Gutachten zum Grundstück 1 auf dem „Zwangsversteigerungsportal“

Gutachten zum Grundstück 2 auf dem „Zwangsversteigerungsportal“

Der Termin am Antsgericht Leipzig

Das Ende für den Leopoldpark in Connewitz + Bildergalerie

Das Ende für den Leopoldpark in Connewitz + Bildergalerie

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In der LVZ stand vor einigen Wochen, dass eine große Firma ihren Hauptsitz in die Talstraße verlegen will und dazu einen Neubau plant. Habe den Namen der Firma leider vergessen. Die einzige freie Fläche ist dort der kleine Park gegenüber dem Uni-Klinikum Liebigstraße. Da werden doch bestimmt die Bäume abgeholzt. In der Sternwartenstraße ist es schon geschehen. Es wird immer schlimmer in dieser Stadt!

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