Das mit dem Slogan für die Georg-Schumann-Straße war ja dann wohl wieder Quatsch aus der Marketing-Tüte. Kein Mensch konnte sich den Werbespruch, den man sich 2012 für die Georg-Schumann-Straße hat einfallen lassen, merken. Im Grunde steckte nur drin, was sich das damalige Magistralen-Management wünschte, was auf der Magistrale im Leipziger Nordwesten passieren sollte: Geschäftig sollte sie werden, spannend und auch ein bisschen sozial.
Das neue Magistralen-Management hat im August und September 2017 extra eine kleine Umfrage gestartet, um zu erkunden, wie die Georg-Schumann-Straße fünf Jahre danach wahrgenommen wird. Über 800 Interessierte nahmen daran Teil. Aber für den Slogan war das Ergebnis niederschmetternd.
„Der Slogan ‚geschäftig. spannend. sozial‘, der 2012 für die Georg-Schumann-Straße erarbeitet wurde und seitdem für die Entwicklung und die Geschehnisse entlang der Magistrale steht, ist 9 von 10 Teilnehmern nicht bekannt“, stellt das Magistralen-Management jetzt in Auswertung der Umfrage fest.
Was an der Beliebigkeit der drei Bauteile des Slogans liegen könnte. Wir leben in einer Marketingwelt, in der einem aus allen Richtungen derartige Slogans um die Ohren gehauen werden. Städte, Unternehmen, Ministerien, Kulturhäuser, Versicherer, Banken, Stiftungen … überall versuchen sich sogenannte Kreativ-Teams Mutmacher-Sprüche auszudenken, die als so eine Art Dreiklang-Vision das eigene Tun in ein forsches (und jugendlich-frisches) Anpacken für eine wunder-wie-prima Zukunft aussehen lassen sollen. Der Klassiker unter diesen primitiven Sprüchen ist das aus dem Sport bekannte „Schneller. Höher. Weiter.“
Wahrscheinlich braucht eine alte Geschäftsstraße keinen Slogan.
Das wurde dann bei der zweiten Frage deutlich. Nur 19,5 Prozent der Befragten schätzten den Spruch als irgendwie zutreffend für die Straße ein. Dazu ist er schlicht zu unkonkret. Den Spruch könnte man genauso gut für die Eisenbahnstraße verwenden wie für die Georg-Schwarz-Straße. In anderen Straßen – wie der Karl-Liebknecht-Straße im Süden – käme man nicht mal auf die Idee, sich so einen Spruch zuzulegen. Die „KarLi“ ist längst eine Marke. Was einige Werber nicht davon abhält, ihren Spruch „Karli ist Kult“ unter die Leute zu bringen. Man merkt schon: Ein gut Teil des Rufs der Szenestadt Leipzig stammt von schlechten Werbern, die alles irgendwie in eine riesige Kinder-Geburtstags-Torte verwandeln wollen.
30 Prozent der Befragten hatten so ein unentschiedenes Gefühl bei dem Spruch. Denn teilweise scheint er ja zuzutreffen.
Aber zutreffen würden auch solche hübschen Sprüche wie „lang.breit.laut“. Oder: „Gohlis.Möckern.Wahren.“ Oder auch: „Porsche. Straßenbahn. Drahtesel.“
42 Prozent der Befragten fanden denn auch, dass der Spruch so gar nicht zutreffen will. Er ist wie eine bunte Plastiktüte, die man der Straße versucht hat überzustülpen, ein Partyzelt, das gleich wieder abgebaut wird, wenn der offizielle Termin vorbei ist. Danach geht das Leben weiter.
Und das empfinden die Befragen sehr wohl als greifbar. 215 der Befragten haben sich dazu geäußert, was ihnen an der Straße (die lange Jahre nun wirklich das Aschenputtel unter Leipzigs Geschäftsstraßen gewesen war) gefällt.
„Sie wird zum Glück nicht so gehypt wie andere Straßen, sondern entwickelt sich in ihrem eigenen Tempo“, hat das Magistralen-Management als wichtige Aussage für sich herausgefiltert. Oder: „Ich mag die Mischung an Menschen.“
Wobei den meisten, die mitgemacht haben, augenscheinlich die neue Vielfalt an Cafés und Geschäften gefällt. Das fiel ja auf, was da passierte, als 2012 das Leipziger Verkehrs- und Tiefbauamt auf einem Großteil der Straße einfach mal rechts und links ein paar Radfahrsteifen hingemalt hat. Auf einmal trauten sich hier auch Ladengeschäfte her, die man vorher bestenfalls mal auf der „KarLi“ oder der Eisenbahnstraße gesehen hat. Sie sprachen ein jüngeres, erlebnisfreudigeres Publikum an. Und die Zahlen aus den Ortsteilkatalogen gaben dem Recht: Gerade Gohlis hat sich längst zu einem der jüngsten und kinderreichsten Ortsteile von Leipzig entwickelt.
Logisch freilich auch, dass die jungen Bewohner sich wundern, dass auch auf der Georg-Schumann-Straße viele Wohnhäuser weiterhin unsaniert und unvermietet sind. Ein exemplarisches Beispiel für so ein Ich-vermiete-mal-nicht-Haus brannte ja am 30. Dezember mit der Georg-Schumann-Straße 53 ab. Ein gut Teil des Leipziger Wohnungsmangels ist selbst gemacht. Hunderte Häuser im Stadtgebiet stehen leer, weil die Besitzer auf goldenere Zeiten warten.
Und dabei hat die Georg-Schumann-Straße, wie die Befragungsteilnehmer feststellten, ein großes (noch lange nicht erschlossenes) Entwicklungspotenzial und vor allem eine exzellente ÖPNV-Anbindung (auch wenn das Fahrtenangebot der Straßenbahn gerade in der Rushhour eine Katastrophe ist).
Was auch damit zu tun hat, dass die Straße noch nicht Fisch ist. Oder Fleisch. Denn noch immer versuchen hier viele Kraftfahrer, die eigentlich über die nördlich verlaufende B6 fahren könnten, sich irgendwie schneller Richtung Stadtzentrum durchzukämpfen. Ergebnis sind verstopfte Kreuzungen und vor allem das Hauptproblem der Anwohner: Lärm. Obwohl Kraftfahrer sich fortwährend beklagen, dass sie alle hundert Meter von einer Ampelkreuzung ausgebremst werden, wird hier gerast, was der Motor hergibt.
Nach Lärm nehmen „viel Verkehr“ und die „unsanierten Häuser“ eindeutig die nächsten Plätze auf der Problemskala ein. Und das Dritte hat natürlich Folgen, denn es konterkariert alle Bemühungen der Stadt, die Straße in ihrer ganzen Länge wieder mit Leben zu erfüllen. Wenn ganze Reihen unsanierter Häuser selbst an zentralen Punkten wie dem Möckerschen Markt stehen, dann schreckt das ab und verdirbt auch das Straßenbild. Es wirkt unlebendig, trist, tot. Ergebnis, wie es ein Befragungsteilnehmer ausdrückt: „Urbanes Flair fehlt auf langen Strecken.“
Manchmal ist das so, weil der Straßenabschnitt noch nicht umgebaut wurde und vor allem die Straßenbahn noch keine ordentlichen Haltestellen bekommen hat. Aber bei dem großen Nachfragedruck nach bezahlbarem Wohnraum gerade für Familien ist das alles nicht mehr verständlich. Und es liegt nahe, hier ähnliche Phänomene zu vermuten wie in der Eisenbahnstraße: Viele dieser Häuser sind Spekulationsobjekte.
Was dann auch immer wieder die Entwicklung auch der Geschäfte torpediert. Denn wo die nahe Laufkundschaft fehlt, endet auch eine pfiffige Geschäftsidee oft genug in einer entmutigenden Pleite. „Die Geschäftsvielfalt darf noch steigen“, äußerte sich ein Befragungsteilnehmer. „Zudem bräuchte es wohl noch einige weitere Kulturhighlights jenseits der tollen Nacht der Kunst.“
Die Straße wird also an vielen Stellen ausgebremst. Und es sind oft genug wichtige Straßenabschnitte, wo die Anwohner und Gewerbetreibenden händeringend darauf warten, dass der Straßenraum aufgewertet wird, Häuser endlich vermietet und Brachen geschlossen werden.
Logisch, dass der alte Slogan mit sehr viel Skepsis betrachtet wird.
Der dritte Brand in kurzer Zeit: Nun an der Georg-Schumann-Straße
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Dieser Slogan ist tatsächlich ziemlich unsäglich, aber da er gleichzeitig überflüssig ist, hat er nicht viel Schaden angerichtet. Das gehört wahrscheinlich dazu, wenn ein Magistralen- (Quartiers-)Management installiert wird. Was allerdings weniger hilfreich ist, das Magistralenmanagment wurde seit seiner Einrichtung schon zweimal komplett ausgetauscht. Alles Wissen, alle Kontakte: Ab in die Tonne!
Naja, nach knapp einem Jahr haben sich die Dritten wieder eingearbeitet und die GSS wird’s überleben.