Der nächste Ärger steht dem Leipziger Umweltbürgermeister ins Haus. Er hat mit einem Argument zu tun, das in der Diskussion um den Leipziger Auwald auch auf der L-IZ immer wieder zu lesen war: Die Pflegemaßnahmen im Auwald würden ja auf den städtischen Forstbewirtschaftungsplänen basieren. Und die wären ja vom Stadtrat abgesegnet. Doch egal, wie emsig man die Stadtratsbeschlüsse der letzten Jahren durchforstet: Nicht ein einziges Mal stand ein Forstwirtschaftsplan zum Beschluss.

Und gerade weil so diskutiert wird, hat sich der NuKLA e.V., der heftig im Kreuzfeuer der Diskussion steht, die sächsische Gesetzeslage einmal genauer angeschaut. Denn irgendwo muss das alles ja gesetzlich begründet sein. Es ist das Sächsische Waldgesetz, das bestimmt, wie Waldbesitzer mit ihren Wäldern umgehen dürfen.

Dass es sich beim Auenwald um Leipziger Stadtwald handelt, betont ja auch die Stadtverwaltung gern. Und die Abteilung Stadtforsten betont bei ihren Verlautbarungen zu den immer größeren Holzeinschlägen im Auwald gern, dass diese auf Grundlage von öffentlichen Beschlüssen beruhten. So hieß es am 27. Oktober, als man den „Holzeinschlag von insgesamt circa 7.000 Festmetern“ von November bis Februar ankündigte: „Arbeitsgrundlage sind neben den geltenden Schutzgebietsverordnungen, einem Managementplan und einer langfristigen Konzeption zur Bewirtschaftung der Auwälder, vor allem die gesetzlich vorgeschriebene und vom Stadtrat beschlossene Forsteinrichtung und der jährliche forstliche Wirtschaftsplan“.

Alles schön und gut. Aber: Es gibt gar keinen beschlossenen Forstwirtschaftsplan für Leipzig. Er ist eine Fata Morgana, die ab und zu als Tischvorlage in Stadtbezirksbeiräten auftaucht (wie am 27. September im Stadtbezirksbeirat Süd) oder im Umweltausschuss, wo er augenscheinlich beraten wurde. Und dann? Schweigen im Walde.

Am 21. November gab es deshalb rechtsanwaltliche Schreiben sowohl an das Leipziger Amt für Stadtgrün und Gewässer als auch an die Abteilung Sachsenforst beim Umweltministerium: „Aufforderung den Vollzug des Forstwirtschaftsplans 2017 zu unterlassen wegen offensichtlicher Unwirksamkeit“.

Und der NuKLA wird deutlich: „In diesem Winter sollen laut dem neuen Forstwirtschaftsplan insgesamt 7.000 Festmeter Holz geschlagen werden auf Flächen, die mehrheitlich mitten in den sensiblen Schutzgebieten liegen. Der Verein Naturschutz und Kunst Leipziger Auwald (NuKLA) e.V. will dem nicht tatenlos zusehen. Über den landesweiten Netzwerkträger von Umweltverbänden, die GRÜNE LIGA Sachsen e.V., wurde daher am heutigen Tage die Forstverwaltung der Stadt Leipzig per anwaltlichem Schreiben aufgefordert, die Fällmaßnahmen im Leipziger Auwald sofort einzustellen.“

Wolfgang Stoiber, Vorsitzender von NuKLA, zum Hintergrund: „Laut dem Sächsischen Waldgesetz muss die Stadt über den alljährlich von der Verwaltung aufzustellenden Forstwirtschaftsplan einen Beschluss fassen. Ein solcher Beschluss liegt nach unserer Recherche jedoch nicht vor. Wir halten das Vorgehen von Stadtforsten daher für eigenmächtig und den Plan für unwirksam.“

Der jährliche Forstwirtschaftsplan legt die Einschläge auf den Waldflächen der Stadt Leipzig fest. Der Paragraph 48 Absatz 3 und 4 des Sächsischen Waldgesetzes regelt, dass der jährliche Wirtschaftsplan von der Forstverwaltung aufzustellen ist, worüber die Stadt anschließend zu beschließen hat. NuKLA vermutet, dass das Fällen von alten, wertvollen Bäumen dazu dient, der Stadt mehr Einnahmen zu verschaffen und das in einer Zeit drohender Fahrverbote und Strafzahlungen wegen Überschreitung der Schadstoffgrenzwerte innerhalb der Stadt.

Unabhängig von den juristischen Details hat Wolfgang Stoiber deshalb eine klare Haltung zu dem Thema: „Die Bäume müssen erhalten bleiben, weil sie dringend zur Reinigung der schadstoffträchtigen Leipziger Luft benötigt werden.“

Aber es geht nicht nur um Holzeinschläge.

Für den Umgang mit dem Körperschaftswald regelt das Sächsische Waldgesetz: „Der Bewirtschaftung von Körperschaftswald sind periodische Betriebspläne, die von der oberen Forstbehörde aufzustellen sind, und jährliche Wirtschaftspläne (§ 22 Abs. 2) zugrunde zu legen, die sich auf alle wesentlichen Wirtschaftsmaßnahmen erstrecken und den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft entsprechen müssen.“

Die Körperschaft ist in diesem Fall die Stadt Leipzig als Waldbesitzer. Der Stadtrat müsste also jedes Jahr über die Forstwirtschaftspläne beschließen – sich also vorher auch eine Meinung gebildet haben darüber, was da im Leipziger Wald tatsächlich passiert.

Genau so steht es dann auch im Waldgesetz: „Die Körperschaft hat über den periodischen Betriebsplan zu beschließen und den Beschluss mit den erforderlichen Unterlagen innerhalb von vier Monaten der oberen Forstbehörde vorzulegen. Der periodische Betriebsplan kann innerhalb von drei Monaten nach Vorlage des Beschlusses beanstandet werden, wenn er gegen Vorschriften dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung verstößt.“

Und so müssen sich jetzt die Stadt Leipzig und das Sächsische Umweltministerium mit der rechtsanwaltlichen Feststellung beschäftigen, dass der Forstwirtschaftsplan 2017 der Stadt Leipzig schlicht nicht rechtsgültig ist und sämtliche forstwirtschaftlichen Maßnahmen auszusetzen sind.

Und da hinein spielt noch ein anders Ärgernis, das der NuKLa immer wieder thematisiert: Wenn der Umweltausschuss den Forstwirtschaftsplan beschlossen haben sollte, wäre er dazu überhaupt nicht befugt. Er ist laut sächsischer Gemeindeordnung nur ein Beratungsgremium für den Stadtrat. Wirklich beschließen darf nur die Ratsversammlung in Gänze. Dann werden solche Dinge nämlich auch öffentlich.

Ganz unübersehbar hat man auch hier wieder ein Leipziger Verwaltungskonstrukt vor Augen, in dem für die Allgemeinheit wesentliche Beschlüsse einfach ausgelagert werden in Gremien, die gesetzlich gar nicht berechtigt sind, solche Beschlüsse zu fassen. Und über deren Arbeit die Öffentlichkeit nichts erfährt.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Auch die “obere Forstbehörde”, der die jährlichen Beschlüsse mit den erforderlichen Unterlagen vorzulegen waren, hätte ja merken müssen, dass da nix kam, jedenfalls nichts wirksames. Wieso wurde das nie beanstandet!? Hat man da in Dresden (?) alle (Hühner)Augen zugedrückt?

Schreiben Sie einen Kommentar