Nicht nur die Linksfraktion interessierte sich jetzt wieder für den konfliktreichen Verkehrsknotenpunkt vor dem Hauptbahnhof. Auch die CDU-Fraktion wurde wieder munter, nachdem am 14. August der erste Verkehrsunfallbericht der Stadt Leipzig veröffentlicht wurde. Darin tauchte auch der Hauptbahnhof als Unfallschwerpunkt auf.
Aber halt der ganze Bereich vor dem Hauptbahnhof, betonte Thomas Schulze, Leiter der Abteilung Straßenverkehrsbehörde/Verkehrsmanagement im Verkehrs- und Tiefbauamt. Mit Straßenbahnhaltestelle und den Straßenquerungen. Viele Unfälle unterschiedlichster Art an verschiedenen Stellen summieren sich. Was den Hauptbahnhofsvorbereich zwangsläufig zu einem Untersuchungsgebiet für Leipzigs Verkehrsplaner und Polizei macht. Wo könnte eine eindeutige Ursache für die vielen Unfälle liegen? Und: Kann man die mit ein paar einfachen Maßnahmen abstellen?
Das aber ist nicht der Fall. Auch der Gehweg vor dem Hauptbahnhof für sich ist kein Unfallschwerpunkt. Es ist ein Gehweg, kein Radweg. Darauf wies uns Leser „Tio“ ja hin. Die Schilder weisen einen Gehweg aus, der Radfahrern die Nutzung erlaubt. Manche rasen dann trotzdem. Die meisten Radfahrer fummeln sich eher vorsichtig durch das Gewühl. Eine Lösung ist das nicht wirklich.
Aber ist das nun ein Unfallschwerpunkt oder nicht, wollte die CDU-Fraktion wissen. Denn 2014 hatte man zuletzt gefragt, und da hatte die Verwaltung eindeutig erklärt: Es ist kein Unfallschwerpunkt
Und so fragte die CDU-Fraktion: „Wie bewertet die Stadtverwaltung den offenkundigen Widerspruch zwischen dem Verkehrsunfallbericht (Unfallschwerpunkt vor dem Hbf.) und dem VSP zu V/A366 (kein Unfallschwerpunkt)?“
Und das Dezernat Stadtentwicklung und Bau antwortet: „Der VSP (Verwaltungsstandpunkt, d. Red.) wurde im Jahr 2014 erstellt. Die Aussage, dass kein Unfallschwerpunkt vorliegt, war zum damaligen Zeitpunkt richtig und bezog sich entsprechend des Antrages auf den Konflikt Fußgänger/Radfahrer im Bereich des Gehweges vor den Ausgängen West- und Osthalle.
Die Aussagen im Verkehrsunfallbericht beziehen sich dagegen auf den gesamten Hauptbahnhofsvorplatz. Das schließt die Fahrbahnen, Haltestellen und die Gehwege mit ein. Der Bereich vor der Osthalle ist im Verkehrsunfallbericht nicht als eigene Unfallhäufungsstelle benannt, sondern lediglich der bestehende Konflikt zwischen Fußgängern und Radfahrern als ein Schwerpunkt von mehreren.
Erst im Ergebnis der Unfallauswertung des Gesamtjahres 2014 erhielt die Verwaltung die Unfalluntersuchung UU_15_01 (erstellt am 15.04.2015 durch die Polizeidirektion Leipzig). Diese betrachtet den gesamten Bereich Osthalle (Gehweg, Fahrbahn und Gleisquerung im Haltestellenbereich). Nach dieser UU war für den Konflikt Fußgänger/Radfahrer vor der Osthalle das Kriterium Unfallhäufungsstelle nach der sogenannten 3-Jahreskarte (mindestens 5 Unfälle mit Personenschaden innerhalb von 3 Jahren) erfüllt. Im Zeitraum 01.01.2012 bis 31.12.2014 passierten 5 Unfälle mit Personenschaden zwischen Fußgängern und Radfahrern, womit das genannte Kriterium allerdings nur gerade so erfüllt ist. Dabei sind jedoch nur 3 Unfälle tatsächlich dem vermeintlich typischen Konflikt ‚längs fahrender Radfahrer stößt mit querendem Fußgänger zusammen‘ zuzuordnen.“
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War also die Frage aus CDU-Sicht: Was hat die Verwaltung unternommen, um die Verkehrssituation zu entschärfen? Man hörte ja immer wieder, dass die Verkehrsplaner sich intensiv mit dem Verkehrsgewimmel vorm Hauptbahnhof beschäftigten.
Und das tun sie tatsächlich, bestätigt das Planungsdezernat: „Für grundlegende Entscheidungen sind die Ergebnisse der vorgesehenen Untersuchungen zum gesamten Promenadenring und deren kommunalpolitische Bewertung notwendig. Unabhängig davon wurde jedoch unter Berücksichtigung der Gesamtunfallsituation am Hauptbahnhof durch die Verkehrsunfallkommission eine verkehrstechnische Untersuchung beschlossen. Zielstellung dabei ist eine Entspannung der Unfallsituation insgesamt.“
Und dann wird es spannend. Denn die Verkehrsplaner scheinen sogar schon ein paar Ideen zu haben, die durchaus umgesetzt werden können. Und zwar zeitnah:
„Untersucht wird u. a. eine zeitliche Trennung der Kfz-Ströme aus der Brandenburger Str. und vom Georgiring in Richtung Hauptbahnhof in der Lichtsignalsteuerung, um den Verkehr zu entflechten und die Konflikte vor dem Hauptbahnhof (Fahrstreifenwechsel!) zu minimieren. Dies würde umfassende signaltechnische Änderungen sowie punktuelle bauliche Anpassungen im Bereich von Georgiring bis Gerberstraße nach sich ziehen, aber es auch ermöglichen, auf der Fahrbahn einen Radfahrstreifen einzurichten. Dadurch könnte die baulich getrennte Führung des Rad- vom Fußgängerverkehrs erreicht werden, ohne umfangreiche bauliche Maßnahmen durchführen zu müssen. Eine solche Zwischenlösung stünde späteren umfassenden verkehrsorganisatorischen und vor allem baulichen Lösungen nicht entgegen.“
Das heißt, der vom ADFC geforderte Radstreifen auf der Fahrbahn vorm Hauptbahnhof ist kurzfristig machbar.
Die nächsten Nachrichten sind noch erstaunlicher: Auch der Radverkehr in die Gegenrichtung soll eine Lösung erhalten.
Und die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) wollen in der Mitte der Haltestelle einen weiteren Fußgängerzugang schaffen.
Das Planungsdezernat dazu:
„Es wurden bereits mehrere Varianten untersucht, die aber alle Auswirkungen auf die Koordinierung des MIV (motorisierter Individualverkehr, d. Red.) in Ost-West-Richtung sowie die Leistungsfähigkeit der Verkehrsanlage haben. Darüber hinaus wären auch Einschnitte bei den Freigabezeiten für die Fußgänger vor der Osthalle nicht zu vermeiden. Aufbauend auf den bisherigen Untersuchungen und Abstimmungen wurde die Notwendigkeit herausgearbeitet, auch eine Lösung für den Radverkehr der Gegenrichtung zu erarbeiten, auch wenn dieser eine geringere Verkehrsstärke aufweist. Weiterhin haben sich neue Randbedingungen ergeben, da die LVB GmbH Planungen für einen Mittelzugang zur Haltestelle vorantreiben. Dies muss in den weiteren Betrachtungen berücksichtigt werden. Aufgrund der komplexen Problemlage dauern die Untersuchungen noch an.“
Nach Abschluss der laufenden Untersuchungen soll es dann einen Abwägungsprozess geben, „in dessen Ergebnis eine Entscheidung zur Umsetzung zu treffen ist.“
Und da im Verkehrsunfallbericht als Lösungsvorschlag die „bauliche Trennung des Rad- vom Fußgängerverkehr“ zu lesen stand, wollte die CDU-Fraktion auch noch wissen, wie die Verwaltung dazu steht. Denn das wäre ja die oben skizzierte Neuorganisation des Kfz-Verkehrs, mit der Platz für einen Radweg auf der Fahrbahn geschaffen werden könnte.
Dazu steht das Verkehrsdezernat auch: „Der Verkehrsunfallbericht wurde von der Verwaltung erstellt. Insofern gibt die Aussage auch die Verwaltungsmeinung wieder. Die bauliche Trennung ist an dieser Stelle die erfolgversprechende Führungsform für den Radverkehr. Sie ist jedoch nicht als Einzellösung umsetzbar, sondern nur im Rahmen eines komplexen Lösungsansatzes für den Hauptbahnhofsvorplatz.“
Die neue LZ Nr. 48 ist da: Zwischen Weiterso, Mut zum Wolf und der Frage nach der Zukunft der Demokratie
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