Leipzig erlebt jetzt den Beginn eines Phänomens, das so eigentlich zu erwarten war: Über Jahrzehnte wurden die Baukapazitäten in der Region zusammengeschrumpft, weil auch alle, wirklich alle staatlichen Ebenen ihre Investitionssummen eingedampft hatten. Was mit sinkender Wirtschaftskraft und schrumpfender Bevölkerung zu tun hatte. Doch seit fünf Jahren hat auch die Bauwirtschaft mitgekriegt: Es wird wieder investiert. Jetzt steigen die Preise. Und Bauprojekte platzen.
Das markanteste Beispiel war jüngst die Verschiebung des Projekts Plagwitzer Brücke ins nächste Jahr, weil sich die Baukosten um über 1,5 Millionen Euro erhöht haben. Das kratzt auch Leipzig nicht mal einfach so irgendwo zusammen. Da müssen neue Förderanträge geschrieben werden, um 2018 losbauen zu können.
Aber auch die städtischen Verkehrsbetriebe wurden seit zehn Jahren auf Sparflamme gekürzt. So sehr, dass im August eine gar nicht so überraschende Meldung in die Welt kam: Die lange erstrittene Haltestelle in der Virchowstraße in Höhe Baaderstraße kommt nicht. Die Angebote, die die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) auf ihre Ausschreibung bekommen haben, seien viel zu hoch. Da baut das Unternehmen 2017 lieber nicht und verschiebt den Bau der Haltestelle in die nächsten Jahre in der Hoffnung, dass man dann vernünftigere Preise bekommt.
Was so nicht zu erwarten ist. Die sächsische Bauwirtschaft hat volle Auftragsbücher. Sie bestimmt die Preise. Und der Stadt Leipzig fällt jetzt richtig auf die Füße, dass sie mit allen – wirklich mit allen – Investitionsprojekten um durchschnittlich fünf Jahre im Verzug ist. Auch das sorgt für den Auftragsstau. Denn parallel will man ja auch noch Kitas, Schulen, Museen, Straßen, Brücken bauen. Gleichzeitig braucht man dringend neue Wohnungen. Die Nachfrage bestimmt den Preis.
Dass die LVB barrierefreie Haltestellen bauen will und muss (auch das hat der Stadtrat beschlossen), ist auch seit Jahren klar. Genauso wie die Tatsache, dass das städtische Verkehrsunternehmen um 15 Millionen Euro jährlich unterfinanziert ist. Die Stadt hat Verkehrsleistungen im Wert von über 60 Millionen Euro bestellt, bezahlt aber – über die Stadtholding LVV – nur 45 Millionen. Diese 15 Millionen müssen ja irgendwo „eingespart“ werden, selbst dann, wenn die Fahrpreise Jahr für Jahr überproportional steigen.
Ergebnis: Das Straßenbahnneubeschaffungsprogramm startete fünf Jahre später als ursprünglich angedacht. Und die vielen kleinen notwendigen Investitionen im Haltestellennetz unterblieben. So wie in der Virchowstraße. Logisch, dass dort gerade die älteren Anwohner auf die Straße gehen und ihrem Ärger über die Lokalpolitik Luft machen.
Sie wissen selbst genau, wie lange sie mit Petitionen um diese Haltestelle gekämpft haben. Und dann entscheidet am Ende der Preis.
Mit Enttäuschung hat auch der Bürgerverein Gohlis e.V. die Entscheidung der LVB aufgenommen, 2017 keine Haltestelle in der Baaderstraße/Virchowstraße herzurichten.
„Wenn die LVB aufgrund der aktuellen Auftragslage das eingereichte Angebot aus finanzieller Sicht nicht annehmen kann, so ist dies für uns enttäuschend, allerdings unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit durchaus nachvollziehbar“, erklärt dazu der Bürgervereinsvorsitzende Matthias Judt.
Deshalb bekräftigt der Verein nun seine lange bestehende Forderung an die Stadtverwaltung nach der Installation einer Ampelanlage.
„Grundsätzlich muss an der Situation rund um die Baaderstraße/Virchowstraße etwas geändert werden. Der Knotenpunkt wird täglich von vielen älteren Bürgerinnen und Bürgern genutzt aber auch durch Kinder und Jugendliche, innerhalb deren Schulweg die Kreuzung liegt. Nicht ohne Grund hatten sich die Anwohnerinnen und Anwohner mit einer Petition an den Stadtrat gewandt“, sagt Matthias Judt. „Die Stadtverwaltung hatte mit Verweis auf die Pläne der LVB die Installation einer Ampelanlage zunächst abgelehnt. Unter den neuen Rahmenbedingungen ist sie jedoch wieder am Zuge und muss in unseren Augen nun der Forderung der Bürgerinnen und Bürger nach Einrichtung einer sicheren Querung endlich und unabhängig von den weiteren Aktivitäten der LVB nachkommen. Zu warten, bis die LVB einen erneuten Anlauf unternimmt, ist für uns keine akzeptable Lösung mehr. Die wachsende Einwohnerzahl rund um den Verkehrsschwerpunkt wird unserer Ansicht dazu führen, dass sich die Situation weiter verschärft. Schnelles Handeln ist daher erforderlich.“
Wobei eine Ampel eben nur die Hälfte der Probleme löst. Das Ausbleiben der Haltestelle verschärft natürlich auch wieder die Probleme an der Straßenbahnlinie 12. Denn mit der stark gewachsenen Bevölkerungszahl in Gohlis hat sie sich genauso wie die Linie 4 zu einer hochfrequentierten Straßenbahnverbindung entwickelt, die über kurz oder lang den Einsatz größerer Straßenbahnen und/oder dichterer Takte erforderlich macht. Gohlis Nord braucht zusätzlich an dieser Stelle zwingend eine Haltestellenverdichtung – übrigens Kernbestandteil der LVB-Strategie 25, denn nur so kann das Unternehmen die nötigen Fahrgastzuwächse absichern und dafür sorgen, dass Leipzig seine Mobilitätsziele erreicht. Aber wenn schon an einer einzelnen Haltestelle so gezögert wird, wie will man da bis 2025 ein dichtes und barrierefreies Haltestellennetz schaffen?
Das wird ja dann schon am reinen Geldeinsatz scheitern. Und es wird auch hier bestätigen, dass die falschen Sparvorgaben im Rathaus die wichtige Weichenstellung im ÖPNV um fünf wertvolle Jahre vertrödelt haben.
Es gibt 2 Kommentare
Hi,
kann mir mal jemand erklären was das offensichtliche Versagen der Stadt mit der Finanzierung der LVB mit der AfD zu tun hat. Oder hat man da die Hoffnung die AfD regiert demnächst die Stadt.
“verschiebt den Bau der Haltestelle in die nächsten Jahre in der Hoffnung, dass man dann vernünftigere Preise bekommt”
Ja, nee. Is klar. Weil wir ja auch ne negative Inflation haben. Oder hoffen die, dass die AfD an die Macht kommt und die Lohnkosten (Löhne und Gehälter) in den Keller jagt!?