Irgendwie konnten sich die Damen und Herren der Freibeuter-Fraktion am Ende nicht entscheiden, wie sie ihren Antrag nun nennen sollen und schrieben „Verbesserung des ÖPNV in der Leipziger Innenstadt“ drüber. Da hüpfte schon das Herz vor Freude: Jetzt beantragt jemand endlich wieder eine ordentliche Straßenbahnlinie quer durch die Innenstadt. Das war’s aber (leider) nicht.

Was wohl eher nicht an den Freibeutern liegt, sondern daran, dass auch die Verwaltung gern von den Verkehrsproblemen im Innenstadtbereich redet, obwohl es erst einmal nur um den Problemknoten direkt vorm Hauptbahnhof geht. Der – wie ja jüngst die Analyse der Verkehrsunfallkommission ergab – auch einer der Knotenpunkte mit den meisten Unfällen ist. Der Grund dafür ist die dichte Überschneidung verschiedenster Verkehrsarten.

Um die Lage zu entspannen, hatte ja die CDU-Fraktion schon vorgeschlagen, die nördliche Fahrbahn einfach tieferzulegen, damit Fußgänger und Kraftverkehr gar nicht mehr in Berührung kommen.

Von der Verwaltung kam dann die Rückmeldung, dass das Problem so punktuell nicht zu klären ist. Denn auch beim Kraftverkehr überlappen sich hier zwischen Brandenburger und Gerberstraße vier Fahrspuren – viele Autofahrer müssen auf einem kurzen Abschnitt mehrfach die Fahrbahn wechseln, um am Ende richtig rauszukommen. Die beiden Fußgängerampeln verschärfen das Problem für sie.

Und auch für die Fußgänger, die es eilig haben, schnell zu ihrem Zug oder zur Straßenbahn zu kommen, ist die Stelle ein Dilemma. Die meisten Fußgängerunfälle passieren bei Rotphasen oder im Gedränge beim Überqueren der Straßenbahngleise. Was das nächste Thema auf die Tagesordnung bringt: Die Haltestelle Hauptbahnhof ist für eine 600.000- oder gar 700.000-Einwohner-Stadt zu eng. Ganz zu schweigen davon, dass die LVB eigentlich die Aufgabe haben, ihren Fahrgäste-Anteil deutlich zu erhöhen am gesamten Verkehrsaufkommen. Denn selbst wenn die ganzen Autofahrer jetzt auf Straßenbahn umstiegen, wäre das Nadelöhr nicht entschärft. Im Gegenteil: Schon heute stehen die Bahnen hier oft im Stau.

Logisch, dass sich auch die Fraktionen im Stadtrat den Kopf zerbrechen, wie man das Dilemma lösen kann. Quasi parallel zu den Verkehrsplanern, die sich seit dem CDU-Vorstoß das ganze Verkehrsgeflecht innerhalb des sogenannten Tangentenvierecks anschauen.

Denn wer nur ein Stück weiterschaut, der merkt, dass der Knoten Gerberstraße Teil des Dilemmas ist. Hier strömen die nächsten Kraftfahrzeugkolonnen auf den Ring und sind beteiligt daran, wenn es am Goerdelerring zum Rückstau kommt.

Also – finden die Freibeuter – könnte die Lösung ja weiter nördlich liegen: Die Nordtangente müsste ausgebaut werden.

Im Antrag heißt es dazu: „Der OBM wird beauftragt zu prüfen, ob durch einen Ausbau der Nordtangente im Zuge von Emil-Fuchs-Straße, Uferstraße, Parthenstraße und Berliner Straße (einschließlich kreuzungsfreie Verkehrsführung im Bereich der Gerberstraße) für den Individualverkehr und einen Straßenbahntunnel unterhalb der Jahnallee im Waldstraßenviertel die Voraussetzungen für die Verbesserung der Haltestellensituation vor den Hauptbahnhof und die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Ost-West-Verbindung für die Straßenbahn erreicht werden kann. Das Prüfergebnis einschließlich einer ersten Kostenschätzung ist dem Stadtrat bis Ende 2017 vorzulegen.“

Ähnliche Pläne hatten Leipzigs Verkehrsplaner schon einmal im Zuge des Ausbaus der Nordtangente. Dazu hätte auch eine neue verschwenkte Brücke gebaut werden sollen, die den Verkehr direkt von der Berliner Straße zur Uferstraße gelenkt hätte. Die Pläne wurden damals auf Eis gelegt, weil sich der Straßenraum ab der Uferstraße deutlich verengt und die Frage dennoch ungelöst blieb, wie man damit die Belastung auf dem Goerdelerring verringern könnte. Denn dorthin strebt ja ein Großteil der Autofahrer, die auf der Eutritzscher und der Berliner Straße hier ankommen.

Und danach drängt sich die Hauptlast des Verkehrs weiter auf dem (breiten) Ranstädter Steinweg in die (künstlich) verengte Jahnallee, wo es regelmäßig zu Staus kommt. Das ist das Problem, das die Freibeuter durch eine Unter-die-Straße-Verlegung der Straßenbahn gelöst sehen wollen. Dann würde wenigstens nicht mehr die Straßenbahn im Stau stehen.

Es ist schon erstaunlich, dass Leipzigs Verkehrsplaner bei all den Problemen trotzdem darauf beharren, dass in der Jahnallee zwei Fahrspuren zugeparkt werden dürfen.

Aber eine Entscheidung muss bald fallen, wenn Leipzig überhaupt eine Lösung vorm Hauptbahnhof findet, betonen die Freibeuter.

„Die Haltestellen vor dem Hauptbahnhof und der Ost-West-Trasse der Straßenbahn werden Mitte der 20er Jahre ihre Kapazitätsgrenze erreichen. Durch Verlagerung des Individualverkehrs können die Voraussetzungen für die erforderliche Kapazitätserweiterung des ÖPNV geschaffen werden. Eine Verlagerung des Individualverkehrs trägt außerdem zu einer Reduzierung der Schadstoffbelastung der besonders belasteten Innenstadt bei. Im Zuge der Diskussion über den Nahverkehrsplan muss klar sein, welches Verkehrsangebot die LVB mittelfristig erbringen kann. Auf Grund der zu erwartenden Planungs- und Genehmigungsphase wird von der Beschlussfassung bis zur Realisierung ein Zeitraum von 7 bis 10 Jahren vergehen. Daher ist eine zeitnahe Grundsatzentscheidung im Stadtrat geboten.“

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