Manchmal geht es ganz fix. Eine Meldung, eine kurze, heftige Diskussion über alte Bäume, fünf Monate Bauzeit, und ein denkmalgeschütztes Stück Leipzig kann wieder feierlich der Öffentlichkeit übergeben werden. Symbolisch zumindest, wie am Donnerstag, 20. Juli, an der auffälligen Freianlage an der Karl-Liebknecht-Straße 27-33. Denkmalgeschützt? Tatsächlich.

Es handelt sich um die aus dem Jahr 1963 stammende denkmalgeschützte Außenanlage vor einem Wohnblock mit Ladenzeile im Erdgeschoss und einem zweistöckigen Verkaufspavillon, dem ehemaligen „Möbelhaus Modern“, die am Donnerstag von Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau und Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal nach Sanierung wieder der öffentlichen Nutzung übergeben wurde.

Das Ensemble ist ein markantes Zeugnis der städtebaulichen und landschaftsarchitektonischen Auffassungen der frühen 1960er Jahre. Konzipiert wurde es im VEB Hochbauprojektierung Leipzig von einem Team um den Architekten Rudolf Rohrer (1900-1968). Die weit zurückgesetzte Wohnscheibe mit vorspringender Ladenzone im Erdgeschoss und dem gläsernen Verkaufspavillon waren auf dem Areal einer im zweiten Weltkrieg zerbombten Häuserzeile errichtet worden. Als deutlicher Kontrast zur überkommenen Blockrandbebauung gedacht, stellt das Ensemble bis heute eine Zäsur im Straßenverlauf dar.

Und es erinnert daran, dass Leipzigs Stadtplaner auch einmal die KarLi im Zentrum-Süd komplett umkrempeln wollten und hier mal eine Neubebauung geplant war, wie sie heute am Rossplatz zu sehen ist. Dann überplante man das Gebiet mit einer ganzen Straßenflucht im Stil dieses großen Wohnkubus, wie er heute da steht. Die KarLi wäre zu einem Vorzeigeprojekt der sozialistischen Bauvorstellungen geworden. Aber dann ging Leipzig Geld und Puste aus. Es blieb bei dem einen Wohnkomplex, der heute auf der KarLi einzigartig ist. Auch in der Verbindung mit Ladenzeile und Grünanlage. Die ist eben deshalb denkmalgeschützt: Weil sie für Leipzig etwas Besonderes und Einmaliges ist.

„Auch diese Bauepoche muss sichtbar sein“, sagt Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. Denn an denkmalgeschützten Häusern und Anlagen lernt man was: Wie die Altvorderen dachten und planten. Und: Ob sie vielleicht ein paar gute Ideen hatten, die man wieder aufgreifen kann.

Und unübersehbar ist das seit Jahren schon intensiver genutzte Ensemble bei den Leipzigern auch beliebt. Hier können sie bio einkaufen, was für die Schönheit tun, gemeinsam stricken und ihr Zweirad aufpolierern. Gerade die Ladenzeile zeigt, dass sich im Leipziger Süden ein Lebensgefühl etabliert hat, das auch gut mit der breiten Promenade vor den Ladengeschäften, der Terrasse und den Sitzbänken harmoniert.

Haben sich die sozialistischen Planer Anfang der 1960er so etwas gedacht?

Gemäß der Idee von der aufgelockerten, durchgrünten Stadt gab das Konzept auch Raum für eine Freifläche. Diese wurde 1963 als eine locker von wenigen Bäumen bestandene Grünanlage mit Strauchpflanzungen an den Rändern errichtet. Den Häusern ist ein baulicher Rahmen aus niedrigen Natursteinmauern vorgelagert, die Gehwege sind mit Betonplatten belegt. Über Eingangsbereiche werden die Passanten zu den Läden geführt. Hochbeete betonen diese Zonen. Seit 1971 steht die Skulpturengruppe „Familie“ des Leipziger Bildhauers Rudolf Oelzner (1906-1985) im nördlichen Drittel der Rasenflächen. Um 1980 erhielten die Gehwege einen Belag aus Beton-Großplatten, in den 1990er Jahren wurde vor dem Wohnblock eine Reihe schlank aufwachsender Linden gepflanzt.

Im Zuge der Sanierung wurden die Natursteinmauern repariert und die Stahlgeländer überarbeitet. Die befestigten Flächen haben jetzt wieder den hellen Betonplattenbelag, wie er der ursprünglichen Gestaltungsidee entspricht. Aber es sind nicht mehr die originalen Steine aus DDR-Produktion. Die zerbröselten den Bauarbeitern am Ende regelrecht unter den Fingern. Da musste stabilerer Ersatz gefunden werden, der trotzdem das „Postkarten-Feeling“ wieder sichtbar machte.

Treppen, Rampen und Ladeneingänge sind nun behindertengerecht. Ein Baum und zahlreiche Sträucher wurden gepflanzt. Eine Reihe von Bäumen, die im Laufe der Zeit zusätzlich auf der Freifläche gewachsen waren, ist entfernt worden – im Ergebnis von Diskussionen mit Mietern und Umweltverbänden blieben von dem „Wildwuchs“ vier Bäume erhalten. Schweren Herzens, wie Umweltbürgermeister Rosenthal betont: Die Stadt müsse auch auf die Sicherheit achten. Und einige der alten Bäume sind zumindest Beobachtungskandidaten.

Das südliche Hochbeet ist erneuert und neu mit Stauden und drei immergrünen Gehölzen bepflanzt worden.

Die mit Platten belegten Flächen sind durch Sitzplätze und Spielgeräte aufgewertet worden, im Terrassenbereich ist auch ein Freisitz möglich. Wenn der gar mit rot-weiß gestreiften Sonnenschirmen bestückt wird, hat man hier ein Stück echtes 1960er-Gefühl.

Entlang des Gebäudes wurde eine Fahrradanlehnstange installiert. Auf die berühmten Leipziger (Fahrrad-)Bügel hat man lieber verzichtet, denn der breite Fußweg muss frei bleiben, damit die Feuerwehr im Notfall vorfahren kann. Die Mastleuchten, die Teil des denkmalgeschützten Ensembles sind, wurden erneuert.

Alles auf einen Streich, auch weil nach Fertigstellung der runderneuerten Karl-Liebknecht-Straße in diesem Bereich die Wiese und Teile der Anlage zerfahren waren. Es musste also zwingend repariert werden, was man dann gleich mit einer General-Sanierung für die Grünanlage getan hat.

Die Arbeiten dauerten rund etwa fünf Monate. Regie führten das Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung und das Amt für Stadtgrün und Gewässer. Ausführende Firmen waren das Planungsbüro Freiraumkonzepte und der GaLa-Service Wurzen. Die Planungs- und Baukosten betragen 552.000 Euro. Finanziert wird das Vorhaben aus Ausgleichsbeträgen, die im Rahmen der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme „Innerer Süden“ eingenommen worden sind.

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Keine Kommentare bisher

Das ist alles wunderschön aber aus welchem sachlichen Grund hier unbedingt 5 große Bäume abgesägt werden mussten, erschließt sich mir immer noch nicht.

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