Dass Leipzigs Verwaltung mit der Petition zur Umbenennung des Martin-Luther-Rings in Martin-Sonneborn-Ring nicht glücklich sein würde, war zu erwarten. Sie war sogar recht schnell in der Abfassung eines Beschlussvorschlags, der die Ablehnung der Petition beinhaltet. Die Gründe sind sogar nachvollziehbar. Bis zu einem bestimmten Punkt.

„Der heute als Martin-Luther-Ring benannte Abschnitt des Stadtringes gehörte namentlich zunächst zur Straße ‚An der Pleiße‘ und zum ‚Obstmarkt‘. 1898 erhielt er mit Bezug auf die bevorstehende Errichtung des Neuen Rathauses den Namen Rathausring. Der Rathausring wiederum wurde am 10.11.1933 anlässlich des 450. Geburtstages Luthers und zur Erinnerung an die Disputation auf der Pleißenburg in Martin-Luther-Ring umbenannt. Ein Hinweis auf eine nationalsozialistische Instrumentalisierung Luthers im Zusammenhang mit der Ringbenennung liegt nicht vor“, erläutert das Verwaltungsdezernat, wie es 1933 zur Umbenennung des Rathausrings kam.

Aber den Vorwurf der Petition, Martin Luther sei im höheren Alter mit eindeutig antisemitischen Schriften hervorgetreten und habe damit auch den Nationalsozialisten Munition zur Verfolgung und Vernichtung der Juden geliefert, kann das Dezernat nicht ganz ignorieren, schwächt ihn aber ab: „Martin Luther ist unbestritten eine bedeutende Persönlichkeit der Zeitgeschichte – auch mit Kenntnis derjenigen seiner Ansichten, die heute als falsch angesehen und abgelehnt werden.“

Was noch verständlich ist. Der Mann hat seine Verdienste, auch wenn er eindeutig ein paar hässliche Dreckflecken auf dem Talar hat.

Nur erwartet man dann zumindest ein paar nachvollziehbare Argumente, warum man dann trotzdem an der Benennung festhalten will. Erst recht, weil die Stellungnahme der Verwaltung den Vorschlag, den Die-PARTEI-Vorsitzenden Martin Sonneborn mit der Straßenbenennung zu würdigen, nicht einmal erwähnt. Denn dagegen spricht zumindest, dass Straßenbenennungen nach noch lebenden Persönlichkeiten in Leipzig nicht mehr Usus sind.

Aber die Lücke in der Argumentation ist deutlich. Denn kurzerhand kommt das Dezernat zu dem Schluss: „Eine Umbenennung des Martin-Luther-Ringes wird demnach nicht in Betracht gezogen; eine Erörterung möglicher neuer Namen erübrigt sich.“

Da erinnert man sich an einen Satz, den einer geschrieben hat, der sich auskannte: Josef Fischer, der langjährige Leiter des Amtes für Statistik und Wahlen. In seinem 2014 bei Pro Leipzig erschienenen Buch „Wahlen, Wahlrecht und Gewählte in Leipzig“ schrieb er den deutlichen Satz: „Das Stadtverordnetenkollegium mit 75 Gewählten wurde nach der Reichstagswahl von 1933 gleichgeschaltet und am 31. März 1933 mit Wirkung zum 3. April 1933 aufgelöst.“

Wer also hat im November 1933 die Umbenennung des Rathausringes in Martin-Luther-Ring beschlossen?

Das Misstrauen ist durchaus angebracht, denn 1933 hatten nicht nur die Nationalsozialisten, sondern auch die sächsische Kirche eine Umwertung Luthers vollzogen. Er stand jetzt für den „deutschen Geist“.

Mehr als die Behauptung „Martin Luther ist unbestritten eine bedeutende Persönlichkeit der Zeitgeschichte“ bringt das Verwaltungsdezernat nicht als Begründung für die Beibehaltung des Namens. Reicht das?

Ein anderer Vorschlag, der jetzt ganz vorsichtig diskutiert wird, zeigt, worum es eigentlich geht. Denn in einer Zeit, in der wieder Nationalisten, Fremdenfeinde und Chauvinisten versuchen, ihre alten Vorstellungen von einer muffigen Welt als Erlöserprogramm anzubieten, braucht es eigentlich eine Besinnung darauf, wie viele Mühe und Arbeit es gekostet hat, humanistischen Werten in unserer Gesellschaft wieder eine Stimme zu verleihen.

Und eine, die ganz exemplarisch dafür steht, war Hannah Arendt. Leipzig würde sogar ein deutliches Zeichen setzen, wenn es dieses prägnante Teilstück des Rings nach einer kämpferischen und klugen Frau benennen würde.

Alexander John, der das vorschlägt, kann es auch begründen: „Sie wäre die erste Frau, die am Promenadenring gewürdigt würde und sie steht wie keine andere für gesellschaftlichen und politischen Pluralismus und als politische Theoretikerin hat sie das Thema Kommunikation zwischen Politik und Bevölkerung immer wieder auf die Agenda gebracht. Zudem hat sie mit ihrer Forschung und ihren gesellschaftlichen Beiträgen maßgeblich für die Bekämpfung des Antisemitismus in Europa beigetragen. Übrigens den Antisemitismus, der erst durch Martin Luther in breiten Teilen der christlichen Gesellschaft salonfähig wurde.“

Das sollte man auch im Leipziger Verwaltungsdezernat bedenken. Bedeutsamkeit allein ist eigentlich kein hinreichender Grund für eine Straßenbenennung.

Aber vielleicht lohnt es sich jetzt gerade, diese Diskussion zu befeuern. Das muss auch ein Martin Luther aushalten.

Die Stellungnahme des Verwaltungsdezernats.

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