Je länger Leipzig in seinem Wachstums-Dilemma steckt, umso deutlicher wird, wie schwer es auch den Planern fällt, die wachsende Stadt wirklich in die Zukunft zu denken. Zu knapp sind die Ressourcen. Zu wattig alle Entwicklungspläne. Der neue Nahverkehrsplan steckt irgendwo im Verfahren fest. Obwohl er direkt mit dem Bau neuer Wohngebiete zusammenhängt. Was die Linksfraktion beim Thema Paunsdorf deutlich macht.
Sie hat einen Antrag gestellt, in Paunsdorf endlich da weiterzubauen, wo man in den 1990er Jahren einfach aufgehört hatte, als man damals merkte, dass die Leipziger in Scharen in den Westen zogen. Nur der erste Teil des geplanten Wohngebietes Kiebitzmark wurde bebaut. Der Rest des beplanten Gebietes stünde eigentlich für erhöhte Wohnungsbaubedarfe heute zur Verfügung.
„Die bereits in den 1980er Jahren mit Baurecht versehenen Baufelder 3 und 4 im Wohnkomplex Paunsdorf-Kiebitzmark im Ortsteil Heiterblick werden baulich vorrangig mit mehrgeschossigem Wohnungsbau aufgrund der stadttechnischen und der schienengebundenen ÖPNV-Erschließung weiterentwickelt“, beantragt die Linksfraktion. „Die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen werden in Erweiterung des Grünareals Paunsdorfer Wäldchen auf dem Standort realisiert.“
Der Hinweis auf den ÖPNV ist wichtig. Denn wenn Leipzig sein Bevölkerungswachstum bewältigen will, müssen die neuen Wohngebiete von vornherein gut ins ÖPNV-Netz integriert sein.
In Paunsdorf böte sich auch die Möglichkeit, wieder in moderner Modulbauweise zu bauen und damit kostensparend sozialen Wohnungsbau zu gestalten.
„Bereits in den 1980er Jahren wurde die Großwohnsiedlung Paunsdorf mit den Wohnkomplexen Paunsdorf-Heiterblick und Paunsdorf-Kiebitzmark geplant. Der Wohnkomplex Paunsdorf-Heiterblick wurde zwischen 1987 und 1990 mit Schulen, Kitas sowie weiteren Einrichtungen des Gemeinbedarfs errichtet. In Kiebitzmark begann ab März 1989 der Bau von Wohnungen, einer Schule und einer Kita sowie weiterer Einrichtungen des Gemeinbedarfs. Nach 1990 wurden Wohngebäude mit Mietwohnungen und selbstgenutztem Wohneigentum durch die WBG Kontakt e. G. sowie durch die LWB einige der wenigen Wohnungen mit zeitlich befristeter Sozialbindung gebaut“, erzählt der Linken-Antrag die Vorgeschichte des Baugebiets. „1991/92 entstanden auf diesem Standort bereits 6-geschossige Wohngebäude ohne 3-Schichten-Außenwand in Systembauweise. Auf die selbsttragende 1-Schicht-Außenwand wurde nachträglich ein Wärmedämmverbundsystem mit asbestfreien Faserzementplatten als Wetterschale montiert. Danach entstanden im nördlichen Baufeld 2 niedriggeschossige Wohngebäude und vor allem Eigenheime.“
Aber dann sah da draußen niemand mehr Bedarf an weiteren Wohngebäuden: „Die südöstlichen Baufelder 3 und 4 wurden bisher nicht begonnen. Der ursprünglich angedachte dritte Wohnkomplex Paunsdorf Lehdenweg wurde Anfang der 1990er Jahre mit einem rechtsverbindlichen Bebauungsplan als Gewerbegebiet förmlich ausgewiesen, als solcher entwickelt und mit den dafür vorgesehenen Nutzungsarten bebaut. Westlich des Wohnkomplexes Paunsdorf-Heiterblick sowie nördlich von Sommerfeld entstanden bereits weitere Quartiere mit Eigenheimen und altengerechten Wohnungen.“
Der ADFC Leipzig sieht in diesem Vorstoß auch einen Anknüpfungspunkt, um daran zu erinnern, dass nicht nur eine Straßenbahn das neue Wohngebiet erschließt, sondern dass hier eigentlich auch mal eine wichtige Radverbindung von Paunsdorf nach Taucha geplant war.
„Beim 6-streifigen Ausbau der A14 zwischen Messegelände und Leipzig Ost wies der Ökolöwe als Träger öffentlicher Belange darauf hin, dass unter der neuen Autobahnbrücke neben dem Lösegraben genügend Platz für einen vollwertigen Geh-/Radweg sei. Der Vorschlag einer entsprechenden Querschnittgestaltung wurde 2004 planfestgestellt, nachdem sich auch die Städte Leipzig und Taucha dafür ausgesprochen hatten“, stellt der Fahrrad-Club auf seiner Homepage fest.
Aber seitdem ist nichts passiert, außer dass das Wegstück unter der Autobahn gepflastert wurde.
Aber das war auch in der Leipziger Politik noch eine Zeit, da das Thema Radverkehr nur mit Fingerspitzen angefasst wurde. Da war nicht mal dran zu denken, dass sich der Leipziger Oberbürgermeister in der autofreundlichen Zeitung der Stadt gar als Motor der Radverkehrsplanung würde feiern lassen. Immerhin möchte Burkhard Jung – wenn man das so richtig verstanden hat – den Anteil des Radverkehrs an den Wegen der Leipziger nicht nur von 16 auf 20 Prozent steigern (wie es vom Stadtrat bislang beschlossen ist), sondern auf 25 Prozent. Aber das braucht dann wirklich eine deutlich besser ausgebaute Radverkehrsinfrastruktur.
2004 war an solche Töne nicht mal zu denken. Ergebnis: Der Radweg nach Taucha wurde nicht gebaut.
„Bis zur Fertigstellung der Autobahnbrücken (2009) hatte die Stadt fünf Jahre Zeit, um mit einer abgestimmten Planung die Wegeanbindung ergänzend zum Autobahnbau kostengünstig umzusetzen. Obwohl man sich der günstigen Gelegenheit und Bedeutung des Weges durchaus bewusst war, stand zunächst für die Stadt Leipzig die Klärung der internen (Nicht-)Zuständigkeit im Vordergrund“, kritisiert der ADFC.
Damals war es das Grünflächenamt (GFA), das sich erfolgreich darum drückte, den Weg zu bauen. Auch 2007 war noch das Grünflächenamt zuständig, da war der Radweg sogar noch Teil des Grünen Bogens Paunsdorf, der mittlerweile fertiggestellt ist. Nur den knapp 400 Meter langen Radweg hat man einfach „vergessen“.
Obwohl der Radweg am Lösegraben im Radverkehrsentwicklungsplan 2010 – 2020 als Ergänzungsmaßnahme aufgeführt war und seit 2014 als Hauptverbindung im Leipziger Radverkehrsnetz eingestuft ist. Also fragte der ADFC 2015 mal wieder an. Lieber gleich bei beiden möglicherweise verantwortlichen Ämtern – dem Amt für Stadtgrün und Gewässer und dem Stadtplanungsamt.
„Ergebnis: Ein Geh-/Radweg entlang des Lösegrabens ist weder bekannt noch in Planung. Die Recherche ergab aber, dass da 2006 mal was war“, teilt der ADFC nun mit. „Im Herbst 2016 dann ein Hinweis: Die Betonstraße in Verlängerung der Heiterblickallee, Teil der Wegeverbindung, soll 2017 entsiegelt werden. Wenn das geschieht, würden aus bisher 400 m Neubaustrecke plötzlich 800 m. Also gingen wieder Mails und Anfragen hin und her. Der Versuch, das Thema in der AG Rad zu behandeln, scheiterte mehrfach. Entweder fiel die AG Rad aus oder der Zuständige im Amt für Stadtgrün und Gewässer war nicht anwesend oder nicht vorbereitet.“
Und weiter: „Also kam das Thema im Juni 2017 noch mal auf die Tagesordnung der AG Rad. Nur: Nach wie vor schiebt jedes Amt Zuständigkeit und Verantwortung von sich.“
Aber vielleicht übernimmt ja der OBM auch dieses Thema und lädt dann ein zur gemeinsamen Radtour nach Taucha. Wer mehr Radverkehr will, muss Radwege bauen. Ist eigentlich ganz einfach.
Der Linke-Antrag zur Kiebitzmark.
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