Letzte Runde, letzte Beratung, dann wird gebaut. So sahen es viele im Vorfeld der Ratsversammlung am 21. Juni 2017, wenn es um die Bebauungsplanung am Bayerischen Bahnhof geht. Ein Wohnquartier, neuer Standort für Schule, Kita und, und, und. Was lange währt, wird endlich gut? Im Vorfeld des Stadtratstermins waren zwei Fragen auf der Zielgeraden hinzugekommen: die der CDU, was die Stadt nun unter „autoarm“ versteht. Und die der Sicherstellung der weiteren Gespräche zum Anteil des sozialen Wohnungsbaus und der Schul- und Kitaplanung.
Von 2011 stammt nun mittlerweile der Siegerentwurf zur Bebauung des Areals hinter dem Bayerischen Bahnhof, von 2013 die Kaufurkunde der Stadtbau AG, welche nun in Absprache mit der Stadt Leipzig durch eine Tochterfirma bauen lassen möchte. Jahre der Gespräche, Verzögerungen und so manche Irritation liegen hinter den Parteien.
In ihrem Antrag bat die CDU Leipzig erst einmal dringend um eine Erläuterung, was bei der bisherige Planung mit „autoarm“ im neu entstehenden Viertel gemeint sei. Wörtlich sorgt sich die CDU-Fraktion „ob das ebenerdige Parken im öffentlichen Verkehrsraum des Quartiers durch eine ausreichende Kapazität an Tiefgaragen/Quartiersgaragen vermieden oder ob wie im Fall des Krystallpalast-Areals die notwendige Zahl von Stellplätzen reduziert werden soll.“ Letztlich fürchten die Christdemokraten, dass die neuen Bewohner dann zukünftig einfach versuchen werden, den privaten Pkw in den Nachbarquartieren zu parken.
Die Grünen hingegen trieb die Frage um, ob der soziale Wohnungsbau wirklich in den bisherigen Vereinbarungen verankert wurde oder sichergestellt ist, dass es zukünftig bei den Bautätigkeiten genügend bezahlbaren Wohnraum in Innenstadtnähe am Bayerischen Bahnhof geben wird. „30 % der Bruttogeschossfläche, die für Wohnen im Geschosswohnungsbau vorgesehen sind, sollen als mietpreis- und belegungsgebundener Wohnungsbau entsprechend der jeweils geltenden Förderrichtlinie des Freistaates Sachsen (aktuell RL gebundener Mietwohnraum – RL gMW vom 22.11.2016) errichtet werden. Voraussetzung ist, dass entsprechende Fördermittel zur Verfügung stehen. Eine Übertragung der Verpflichtung auf Dritte soll mit Zustimmung der Stadt möglich sein“, beantragte die Fraktion festzuschreiben.
Zum Beginn nahm Baudezernentin Dorothee Dubrau das Wort für die Stadt Leipzig und vollzog nochmals die Geschichte bis zur Beschlussvorlage. Seit Juli 2014 habe es Stillstand gegeben rings um den Bayerischen Bahnhof, doch nun sah Dubrau nach einem erfolgreichen Mediationsverfahren den Weg endgültig frei für die vorliegende Durchführungsvereinbarung zwischen der Stadtbau AG und der Stadt Leipzig.
„3.000 Wohnungen sollen errichtet werden, mindestens 30 Prozent werden in einer förderfähigen Größe gebaut, der Investor trägt die Erschließungskosten für das gesamte Gelände, erwirbt die restlichen Flächen von der Deutschen Bahn“ und wird auch den besprochenen Park pflanzen. Und damit war die Frage nach dem sozialen Wohnungsbau auf dem Areal vom Tisch, die 30 Prozent Anteil geklärt.
Weiterhin sah Dubrau nunmehr die „Kita mit 165 Plätzen im Westteil des Gebietes“ und weitere Kindertagesstätten je nach Bedarf, wenn die Wohnungen fertiggestellt sind, durch die Vereinbarung gesichert. Eine neue Grundschule solle ebenfalls errichtet werden und die Stadtbau-Tochterfirma BBH und der Club Distillery werden sich einvernehmlich einigen, so Dubrau.
Tim Elschner (Grüne) wies nochmals darauf hin, dass die Stadt Leipzig 2013 hätte besser selbst die Gelände von der Deutschen Bahn kaufen sollen. Sven Morlok (FDP) stimmte ihm darin später in der Debatte zu und ergänzte, dass die Kita und die Schule so bereits hätten stehen können. Zudem hoffte Morlok, die Vereinbarung sei tatsächlich so sattelfest ausgearbeitet wie dargestellt und wies darauf hin, dass der Standort für eine noch bessere ÖPNV-Anbindung und somit zu einer autoarmen Erschließung geeignet sei. „Der Individualverkehr weiter so über Pkw zu organisieren, wird nicht funktionieren“, kündigte Morlok die Ablehnung der CDU-Überlegungen zu Pkw-Stellplätzen an.
Doch danach hieß es letztlich seitens der Grünen und der Freibeuter „Schwamm drüber“. Elschner wünschte sich, nachdem die Stadt praktisch alle Bedenken in den Kernpunkten zerstreuen konnte, dass der nun folgende Prozess der Bebauungsplanung und Durchführung vertrauensvoll und ohne weitere Störungen verlaufen solle. Siegfried Schlegel (Die Linke) sprach für seine Fraktion, allerdings ohne weiteren Mehrwert, jedoch zustimmend zum Stand der Dinge, weshalb die Linken ebenfalls zustimmen könnten.
Die Frage nach den Stellplätzen sah Schlegel bezüglich des CDU-Antrages noch nicht gegeben, diese könne man im Bebauungsplan klären.
Die Debatte um den Bayerischen Bahnhof. Quelle: Livestream aus dem Stadtrat. Die gesamte Ratssitzung (alle Player, auch Apple) vom 21. Juni 2017 hier.
Sabine Heymann (CDU) hingegen betonte nochmals, dass ihre Fraktion auf die Zustimmung zu ihrem Antrag hoffe, da man vermeiden müsse, dass die Nachbarviertel unter einem autoarmen Viertel zu leiden hätten.
Heiko Oßwald machte den Abschluss im Fraktionsreigen für die SPD. Erneut nicht ohne Bedauern über das nicht gekaufte Gelände von der DB und die daraus entstehende Notwendigkeit für die Stadt Leipzig mit der Stadtbau AG verhandeln zu müssen. Gleichwohl freute sich Oßwald auf die einzigartige Entwicklungsmöglichkeit eines solchen Quartiers, wie es in anderen Städten kaum noch möglich sei. Den Antrag der CDU befürwortete Oßwald hingegen, weil sonst ein zweites Schleußig drohe.
In der Abstimmung konnte sich die CDU knapp durchsetzen und verhinderte somit eine frühzeitige Planung des neuen Quartiers unter Reduktion von Stellplätzen. Auch die Grünen bekamen genügend Stimmen.
Die Hauptvorlage wurde mit einer Gegenstimme und drei Enthaltungen vom Stadtrat angenommen. Ein neues Quartier in unmittelbarer Stadtnähe wird in Leipzig entstehen.
Keine Kommentare bisher