Des einen Sieg ist des anderen Ärger mit Lärm und dicker Luft. Während ein Anlieger jetzt mit gerichtlichem Nachdruck durchsetzte, dass in der Harkortstraße keine Lkw mit einem Gewicht ab 3,5 Tonnen mehr fahren dürfen, versuchen sich die Bewohner der Ausweichstrecke gegen die zusätzlichen Belastungen, die sie seit 2011 haben, mit einer Petition zu wehren.
Doch ihre “Petition zum Problem der starken Zunahme der Lärm- und Schadstoffbelastung durch LKW-, Bus- und PKW-Verkehr in der Karl-Tauchnitz-Straße” hat augenscheinlich wenig Aussicht auf Erfolg.
Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau empfiehlt jetzt eine Ablehnung der Petition und begründet das auch ausführlich. Oder zumindest so ausführlich, wie das anhand der Datenlage möglich ist. Denn die Karl-Tauchnitz-Straße ist ja nicht nur die Umleitung für Lkw, hier wird auch mit wesentlich höherem Tempo gefahren. Auf der Strecke Harkortstraße bremsen mehrere Ampeln den Verkehrsfluss, was dazu führt, dass hier oft Autokolonnen im Standmodus zu finden sind – mit laufendem Motor. Die Schadstoffe reichern sich also an und sorgen für die gerichtsrelevanten Überschreitungen der Grenzwerte etwa bei den Stickoxiden. Das kann man messen. Die Stadt hat kaum Chancen, das zu ändern.
Also leitet man jetzt auch die Lkw ab 3,5 Tonnen Gewicht um.
Und das wird zum Problem für alle Anwohner der Karl-Tauchnitz-Straße, wo es keine Ampeln gibt, wo nur Fußgängerinseln das Überqueren der stark befahrenen Straße erleichtern. Hier gilt die Grenzgeschwindigkeit 60 km/h. Die meisten Kraftfahrer halten sich dran, Geschwindigkeitsüberschreitungen sind eher selten.
“Die Karl-Tauchnitz-Straße wird regelmäßig bei der Einsatzplanung für Geschwindigkeitskontrollen mit mobilen Messfahrzeugen berücksichtigt. Im Jahr 2016 wurden 34 Kontrollen vorgenommen. Dabei mussten insgesamt 274 Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h registriert werden. In diesem Jahr betraf dies bereits sechs Kontrollen mit insgesamt 32 Überschreitungen”, stellt das Planungsdezernat nun in seiner Stellungnahme fest. “Zur Feststellung des Geschwindigkeitsniveaus in der Karl-Tauchnitz-Straße zwischen Telemannstraße und Beethovenstraße für beide Fahrrichtungen wurde im Jahr 2016 im Zeitraum 04.03.2016 – 09.03.2016 das Verkehrsmessgerät im betreffenden Straßenabschnitt angebracht. Die durchschnittliche Geschwindigkeit aller Fahrzeuge wurde mit 42 km/h ermittelt. Dabei waren 85 % der Fahrzeuge mit 51 km/h unterwegs.”
Die Errichtung einer stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlage sei zwar grundsätzlich möglich, erscheine hier aber nicht sinnvoll. “Die örtlichen Gegebenheiten in der Karl-Tauchnitz-Straße ermöglichen Geschwindigkeitskontrollen mit mobilen Messfahrzeugen. Selbstverständlich wird die vergleichsweise hohe Kontrollfrequenz beibehalten.”
Die oben genannten Überschreitungen relativieren sich natürlich, wenn man die hohe Verkehrsbelastung auf dieser Straße bedenkt.
2016 wurde das Verkehrsaufkommen in der Karl-Tauchnitz-Straße erneut untersucht, betont das Planungsdezernat. “Im Ergebnis ergaben sich im Vergleich zu den vorangegangenen Verkehrszählungen 2011 und 2015 keine wesentlichen Änderungen, weder bei der Kfz-Belastung noch beim Anteil des Schwerverkehrs.”
Was dann auch die Lärmbelastung – wenigstens nach den Maßstäben der Verkehrsplaner – irgendwie im Zaum hält: “Nach der Lärmkartierung 2012 und den auf Grundlage der Verkehrszählungen 2016 neu berechneten Werten, treten am Gebäude Karl-Tauchnitz-Straße 35 im Tageszeitraum an der lautesten Ecke Lärmpegel in Höhe von 66 dB (A) auf.”
Das reiche nicht, um besondere Maßnahmen zu ergreifen. “Im Hinblick auf die Unterschreitung der Auslösewerte für Lärm sind im Zuge der Fortschreibung des Lärmaktionsplans weder Maßnahmen für die Karl-Tauchnitz-Straße vorgesehen, noch ergibt sich eine Grundlage für verkehrsregelnde Maßnahmen nach § 45 Abs. 3 StVO.”
Und dann das ganz spezielle Hase-und-Igel-Spiel für das Musikviertel: “Die von der Petentin vorgeschlagene Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Harkortstraße wäre ohnehin nicht möglich, da hier auf Grundlage des gültigen Luftreinhalteplans der Stadt Leipzig ein Durchfahrtverbot für LKW mit einer Gesamtmasse von mehr als 12 t angeordnet werden musste.”
Inzwischen auch von denen ab 3,5 Tonnen.
Und auch die Schadstoffbelastung hat man gemessen. Man kommt auf eine “mittlere bis erhöhte Belastung”. Die Grenzwerte werden nicht dauerhaft überschritten, was natürlich auch daran liegt, dass die Karl-Tauchnitz-Straße direkt an den Clara-Zetkin-Park grenzt und außerdem in ganzer Länge von Bäumen bestanden ist. Die Schadstoffe zerstreuen sich besser als in der eher engen Harkortstraße.
“Auch aus Sicht der Luftreinhalteplanung gibt es nach wie vor keine Hinweise darauf, dass in der Karl-Tauchnitz-Straße die nach der 39. BImSchV zum Schutz der menschlichen Gesundheit geltenden Immissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe überschritten werden”, betont das Planungsdezernat. “Aufgrund der Einhaltung der Grenzwerte sind deshalb im Zuge der Fortschreibung des Luftreinhalteplanes keine Maßnahmen für die Karl-Tauchnitz-Straße geplant.”
Nur einen Hoffnungsschimmer gibt es, denn an der Karl-Tauchnitz-Straße gibt es einen Kindergarten. Was dazu führen wird, dass wohl auch an einem Abschnitt der Karl-Tauchnitz-Straße künftig Tempo 30 eingerichtet wird.
Nach der geltenden Verwaltungsvorschrift “kommt die streckenbezogene Absenkung der Geschwindigkeit auf Tempo-30 im unmittelbaren Bereich der genannten Einrichtungen in Betracht, soweit die Einrichtungen über einen direkten Zugang zur Straße verfügen oder im Nahbereich der Einrichtungen starker Ziel- und Quellverkehr mit all seinen kritischen Begleiterscheinungen vorhanden ist. (…) Für die besondere Situation in der Karl-Tauchnitz-Straße ist die Verwaltungsvorschrift zu der geänderten StVO von Bedeutung. Sobald diese inkraft ist, wird schnellstmöglich auch die Anordnung vom Tempo-30 im Bereich der o. g. Einrichtungen in der Karl-Tauchnitz-Straße geprüft.”
Und dann könnte es durchaus auch ein Novum geben. Denn die Lärmwerte für die Karl-Tauchnitz-Straße wurden bislang alle nur rechnerisch ermittelt. Ob sie tatsächlich so in der stark frequentierten Straße auch stimmen, müsste eigentlich vor Ort gemessen werden. Das könnte durchaus demnächst für alle sichtbar werden, meint das Planungsdezernat: “Unabhängig davon wäre auch die Installation einer Lärminfotafel denkbar. Dies wird von der Verwaltung derzeit geprüft.”
Was dann zumindest zwei kleine Fortschritte wären für eine Straße, an der viele Häuser unter der Voraussetzung gebaut wurden, dass das hier eigentlich eine ruhige Wohngegend direkt am Park wäre.
Aber das ist sie schon seit ein paar Jahren nicht mehr.
Die komplette Stellungnahme des Planungsdezernats.
Die Messungen zu Verkehrsaufkommen und Geschwindigkeitsüberschreitung.
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