Es gibt Geschichten, die sind nicht so einfach über einen Leisten zu scheren. So wie die, die die LVZ am Freitag, 28. April, brachte: "Stadt lässt Häuslebau an der Burgaue zu. Anwohner des Forstweges gehen auf die Barrikaden / Inzwischen Anwälte eingeschaltet". Das mit den Anwälten rief dann umgehend Leipzigs Verwaltung auf den Plan, die sofort ein Dementi verschickte.
“Die LVZ berichtete heute unter der Überschrift ‘Stadt lässt Häuslebau an der Burgaue zu’ über ein privates Bauvorhaben in Böhlitz-Ehrenberg. Zu den Aussagen des Beitrages, der nicht mit Anfragen bei der Stadtverwaltung gegenrecherchiert wurde, stellt die Stadt fest: Die angegebene Fläche des Bauvorhabens grenzt nicht wie behauptet direkt an das Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) der Burgaue. Die Abstände werden, wie auch in der angrenzenden Bebauung realisiert, eingehalten. Die infrage stehende Fläche ist Bauland und als solches an die Bauherren verkauft worden. Die Behauptung, es handele sich um Gartenland, ist nicht korrekt. Die Fläche liegt auch nicht wie behauptet im Überschwemmungsgebiet der Luppe”, heißt es darin.
Und weiter: “Eine Baugenehmigung besteht seit August 2016, darüber wurden die Nachbarn des Grundstücks auch, wie es das Gesetz vorsieht, informiert. Eingegangene Widersprüche wurden geprüft und zur Entscheidung an die Landesdirektion Sachsen abgegeben. Auch einer der Protagonisten des LVZ-Beitrags hatte einen Widerspruch eingelegt, diesen aber einige Wochen später zurückgezogen mit der Bemerkung, man begrüße das Bauvorhaben. – Im Zuge des Genehmigungsverfahrens wurden alle gesetzlich vorgeschriebenen Ämter beteiligt. Federführend ist das Bauordnungsamt, das die anderen notwendigen Ämter beteiligt. Dies ist auch geschehen, alle beteiligten Ämter haben dem Bauvorhaben aus fachlicher Sicht zugestimmt. Der Vorwurf in dem Beitrag, die einzelnen Behörden informierten sich nicht gegenseitig, ist nicht zutreffend.”
Also alles rechtens? Die ganze Aufregung umsonst?
Wahrscheinlich nicht, auch wenn das Problem, das Jana Viecenz oder Michael Sandner, Häuslebauer aus dem Forstweg in Böhlitz-Ehrenberg, sehen, vielleicht ein wenig anders gelagert ist. Ob die Ämter wirklich gut miteinander kommuniziert haben, wird die Verwaltung schon wissen.
Erst mal Gebühren androhen, bevor man prüft?
Angefangen hat die Geschichte tatsächlich mit einem Hilferuf von Jana Viecenz an das Bauordnungsamt der Stadt: “Durch den Verkauf des Gartengrundstücks Forstweg 34 in Böhlitz-Ehrenberg an den Bauträger Reinbau entstand durch Fällarbeiten und das Befahren des Geländes mit schweren Baufahrzeugen ein erheblicher Schaden an der Böschung der Alten Luppe. Der unterspülte Damm rutscht nun immer mehr ab und die vorhandenen Bäume in diesem Bereich fallen in Richtung Luppe. Bei weiteren Regenfällen sind auch wir als unmittelbare Nachbarn davon betroffen, wenn es zu Überschwemmungen kommt. Hiermit möchte ich Sie bitten, eine Besichtigung der Schäden vorzunehmen und die Bauarbeiten zu stoppen.”
Darauf bekam sie diverse abwiegelnde, aber auch leicht drohende Benachrichtigungen aus dem Rathaus. Aus dem Bauordnungsamt zum Beispiel eine mit dieser Passage hier: “Aus Ihrer E-Mail ist nicht ersichtlich, ob es sich lediglich um die Anzeige eines Sachverhaltes oder um einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten handelt. Bei einem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten möchte der Beschwerdeführer ausdrücklich, dass durch die Bauaufsichtsbehörde bauaufsichtliche Maßnahmen eingeleitet werden. Je nach Ergebnis der Sachverhaltsüberprüfung würden Sie im Falle eines Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten einen schriftlichen Bescheid erhalten, in welchem Sie darüber informiert werden, ob Ihrem Antrag entsprochen wird oder ob ein bauaufsichtliches Einschreiten nicht erfolgt. Rein vorsorglich weise ich Sie darauf hin, dass im Falle einer Ablehnung eines Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten entsprechende Verwaltungskosten in Rechnung gestellt werden müssen (u.a. für Ortsbesichtigung, Erstellen des Bescheides, etc.).”
Da wendet sich ein Bürger besorgt an die Stadt und bekommt postwendend die Androhung von Verwaltungskosten.
Statt dass sich ein Verwaltungsmitarbeiter ins Auto setzt, den Sachbestand prüft und dann sachlich eine Einschätzung gibt: Liegt ein Schaden vor oder nicht?
Da die erste Mail im Grunde einen Schaden an Umweltschutzgütern anzeigte, hätte vielleicht auch das zuständige Umweltschutzamt hinfahren und prüfen müssen.
Umweltdezernat fühlt sich nicht zuständig
Aber dort hatte man augenscheinlich erst recht keine Lust, das Büro zu verlassen. Jana Viecenz hatte sich auch direkt an Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal gewandt, wurde aber nun ans Stadtplanungsamt verwiesen, wo man auch nichts wusste.
Sie erfuhr also gleich mehrere Dinge über die Leipziger Stadtverwaltung: Sie ist nicht wirklich bestrebt, Anfragen und Anliegen von Bürgern transparent und schnell zu klären. Und es gibt niemanden, der – hier im Fall von E-Mail-Verkehr – solche Anfragen sofort an die richtige Auskunftsstelle weiterleitet.
Und das bei all den Lobgesängen auf Bürgernähe?
Das hat – auch wenn das Bauordnungsamt alle Fäden in der Hand hatte – augenscheinlich nicht geklappt.
Kein Problem mit dem Schutzgebiet?
Bleiben noch die beiden Aussagen aus dem Statement der Stadt:
1) “Die angegebene Fläche des Bauvorhabens grenzt nicht wie behauptet direkt an das Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) der Burgaue. ”
2. “Die Fläche liegt auch nicht wie behauptet im Überschwemmungsgebiet der Luppe.”
Beide Behauptungen lassen sich nachprüfen. Denn zu den Naturschutzgebieten der Stadt gibt es auf der Homepage der Stadt auch detaillierte Schutzgebietskarten.
Die zweite Aussage trifft zu: In der Schutzgebietskarte sind die potenziellen Überschwemmungsgebiete hellblau eingemalt. Das Baugelände grenzt diekt an die Alte Luppe (blau), die – laut Schutzgebietskarte – die Grenze ist für potenzielle Überschwemmungen genauso wie für die drei Schutzgebiete, die hier ausgewiesen sind: das Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald (schwarze Linie), SPA-Gebiet (Vogelschutzgebiet) Leipziger Auwald (lila Linie) und Flora-Fauna-Habitat Gebiet Leipziger Auensystem (orange Linie).
Laut Karte zumindest dürfte es am Forstweg nicht zu Überschwemmungen kommen.
Was freilich nicht stimmt, ist, dass das Baugelände nicht ans FFH-Gebiet grenzt. Da es direkt an die Alte Luppe genzt, grenzt es auch direkt ans FFH-Gebiet. Es sei denn, die Eingriffe in die Böschung bei den Rodungsarbeiten fanden jenseits der Baugebietsgrenzen statt. Dann hätte man es eindeutig mit einem ungenehmigten Eingriff zu tun.
Aber das Thema wollte die Stadt augenscheinlich gar nicht erst aufkommen lassen.
Entsprechend bissig reagiert postwendend der Leipziger Ökolöwe, wo man sowieso bei all den Diskussionen um die millionenteure Revitalisierung der Burgaue nicht versteht, dass man gleich daneben weiter Häuser und Garagen baut, als hätte Leipzig überhaupt kein Problem mit seinen Auen.
Zukunft der Nordwestaue ist überhaupt nicht geklärt
“Eine solche Entscheidung ist nicht nachvollziehbar. Sie steht jeder Vision von einem echten Auwald entgegen. Seit Jahren sprechen wir mit der Stadt darüber, wie wir der Austrocknung des größten Auwaldes innerhalb einer europäischen Großstadt Einhalt gebieten können. Und dann werden auf diese Weise Tatsachen geschaffen”, sagt Anja Werner, umweltpolitische Sprecherin des Ökolöwen. “Insbesondere für die Burgaue gibt es gute Chancen, sie ans Wasser anzubinden und damit dem Schwund einzigartiger Lebensräume entgegen zu wirken. Hierzu haben wir umfangreiche Studien vorgelegt. Zu einer wachsenden Stadt gehört für uns untrennbar der Schutz des Auwaldes und nicht die ungeprüfte Realisierung neuer Wohngebiete im oder am Auwald.”
Das Statement des ASG (Amt für Stadtgrün und Gewässer) greift für den Ökolöwen zu kurz. Werner: “Es geht nicht nur darum, ob das Projekt Lebendige Luppe betroffen wäre, sondern wie sich die Häuser an der Burgaue in ein bisher fehlendes, umfassendes Auenkonzept einfügen. Denn die ‘Lebendige Luppe’ soll nach Aussage der Stadt nur ein erster Mosaikstein der Auenrevitalisierung sein. Doch sie wird wenig bewirken, wenn weitere Schritte durch andere Ämter der Stadt eingeschränkt oder unmöglich werden.”
Der Ökolöwe sieht die Stadtverwaltung in der Pflicht, ihre Bekenntnisse für eine vitale Aue glaubhaft in Übereinstimmung zu bringen mit ihrem Handeln bei Bauvorhaben, Hochwasserschutz und Infrastruktur. Aus Sicht des Vereins ist vor allem ein hydrologisches Gesamtkonzept erforderlich, um Maßnahmen hinsichtlich des Wasserhaushaltes der Nordwestaue beurteilen zu können.
Ein Gesamtkonzept, das es aber nicht gibt. Man flickwerkt lieber im Auensystem, als wirklich ein nachhaltiges Zukunftskonzept wenigstens für die Nordwestaue zu entwickeln. Zu dem eigentlich auch gehören müsste, dass nicht alles bis zum Rand der Schutzgebiete verbaut werden darf.
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