Wenn man sich die Pläne zum neuen Rathausvorplatz so anschaut, dann fragt man sich schon: Warum wurde eigentlich nie darüber nachgedacht, hier ein ordentliches Freiheitsdenkmal hinzustellen? Klar, eigentlich weiß man es: Bevor man so mutig ist, kommt ein strenger Mann vom Amt für Denkmalschutz und macht erst mal klar, dass die beiden pompösen Fahnenstangen stehen bleiben müssen. Relikte wilhelminischer Fahnenprächtigkeit.

Die zwar keiner mehr nutzt, weil man solche pompösen Lappen nicht mehr hinhängt. Aber trotzdem sollen sie stehen bleiben. Was dann wieder das übliche gemischte Ensemble ergibt, wenn 2018 alles fertig ist und der Platz vielleicht das ist, was sich die Stadt und das planende Büro Bürogemeinschaft Hinrichsenstraße 3 so gedacht haben.

Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau formulierte es ja so: „Der Rathausvorplatz soll als sicherer und ruhiger Platz gestaltet werden, der vor allem als Entree zum Rathaus dient. Damit steht die Aufenthaltsfunktion im Vordergrund.“

Schwierig, das so auch als fußläufiger Laie zu sehen. Denn eine – etwas schmaler ausgelegte – Fahrbahn vor dem Rathauseingang bleibt erhalten, freilich an der Hugo-Licht-Straße abgepollert, so dass hier ein gut Teil Park- und Durchfahrtverkehr entfällt. Denn derzeit mutet die Straße ja eher wie ein gut gelegener Parkplatz an. Aber da, wo jetzt die Parkplätze sind, soll sich künftig Grünfläche erstrecken, grüne Wiese im Wesentlichen. Und damit entfällt auch der südlich gelegene Fußweg, was einem als Fußgänger gar nicht wie eine gute Idee vorkommt.

Der östliche Teil der Anlage. Karte: Stadt Leipzig
Der östliche Teil der Anlage. Karte: Stadt Leipzig

Und auch gegenüber der Deutschen Bank verschwinden die Parkplätze. Man ahnt schon: Noch ein bisschen mehr Mut, und die Landschaftsarchitekten hätten hier wirklich ein Stück Promenadengrün mit Aufenthaltsqualität schaffen können. Ohne Autos.

Gewünscht haben sie es sich ja irgendwie: „Auf der Länge der Rathausfassade entsteht ein attraktiver, platzähnlicher Bereich mit Natursteinpflaster und einseitigem Gehweg vor dem Rathaus. Vor dem Hauptportal ist ein dessen Breite aufnehmender repräsentativer Vorplatz geplant, der von der Fassade bis zu den historischen Fahnenmasten reicht. Der Abschnitt entlang dem Gebäude der Deutschen Bank wird als Straße mit asphaltierter Fahrbahn und Gehwegen gebaut. Durch die Entsiegelung ehemaligen Verkehrsflächen wird zudem das Grün des Promenadenrings vergrößert.“

Markanteste Veränderung wird dann der Platz an den Fahnenstangen, wo man endlich sichtbar machen will, mit welchen Städten Leipzig partnerschaftliche Beziehungen unterhält: „Auf den Plattenbelag des Platzes werden die Namen der Leipziger Partnerstädte aufgebracht.“

Farbige Platten mit den Wappen wären noch phantasievoller gewesen. Aber so etwas hat in Leipziger Wettbewerbsverfahren kaum eine Chance. Da herrscht der Wunsch nach Dezenz vor. „Diese gestalterische Lösung wurde in einem Wettbewerbsverfahren gefunden. Damit sie zur Geltung kommen und der Bereich seiner repräsentativen Funktion gerecht werden kann, wird die Zufahrt für Autos stark eingeschränkt. Für Berechtigte, unter anderem vor allem Behinderte, wird sie weiter möglich sein. Zwei versenkbare Polleranlagen, eine an der Hugo-Licht-Straße, die andere an der Ausfahrt zum Ring, regeln künftig die Rathausvorfahrt. Der Durchfahrtsverkehr ist weiter über Hugo-Licht-Straße und Burgplatz möglich.“

Neue Rathaus Leipzig. Der  Vorplatz in der heutigen Gestalt. Foto: L-IZ.de
Neue Rathaus Leipzig. Der Vorplatz in der heutigen Gestalt. Foto: L-IZ.de

So wirkt das Ganze dann auch in der Vorlage: etwas mehr Wiese, eine etwas schmalere Straße. Und der rechteckige Europa-Platz mit den beiden wilhelminischen Fahnenstangen, die zwar zum historistischen Koloss des Rathauses passen, aber heute wie Dinosaurier einer vergangenen Zeit wirken.

Einen extra Radweg hätte man noch erwartet. Schon aus dem Grund, weil der Übergang von diesem Stück Straße vor Rathaus und Deutscher Bank in den Petersweg eher unübersichtlich und eine Gefahrenstelle gerade für Radfahrer ist. Unübersehbar wurde wieder eifrig Auto gedacht, aber nicht Fahrrad. Nur die Fahrradbügel in der Zeichnung erinnern an die alternative Verkehrsart. Und auch den schmalen Fußweg, der vorm Rathausportal den unübersichtlichen Schwenk macht, wird man erhalten:

„Die Trassierung der Verkehrsanlage Martin-Luther-Ring basiert auf einer Entwurfsgeschwindigkeit von 20 km/h. Für die Rathausvorfahrt, einschließlich des Rathausvorplatzes, wird von Schrittgeschwindigkeit ausgegangen. Die bestehende Bordführung entlang der Bebauung wird mit Ausnahme des Bereiches vor dem Hauptportal beibehalten. Diese Gehwegflächen werden unter weitgehendem Verbleib der vorhandenen Gehwegbefestigung erneuert. Die östliche Kurvenausrundung der Hugo-Licht-Straße wird zugunsten der Fußgängerquerung verbessert. Die Bordführung auf der Stadtgrünseite wird neu konzipiert. Die Borde sind im Abstand von 7,50 m Breite parallel zum nördlichen Bord einzubauen. Im Abschnitt vor der Deutschen Bank wird parallel zur Fahrbahn ein promenadenbreiter Gehweg in neuer Lage unter südlicher Begrenzung durch die historische Einfriedung der Promenadenanlage angelegt. Eine Ausweitung der Grünfläche zulasten des Gehweges an dieser Stelle wurde vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen abgelehnt.“

Da könnte man fast dankbar sein, dass die Denkmalschützer hier für einen breiten Fußweg plädierten.

Dabei wäre er vorm Rathaus selbst wichtig. Es fehlt schlicht die Wahrnehmung des Grundgedankens einer einladenden Zuwegung für die Bürger der Stadt. Bürgersteige, die wirklich mal die Dimension einer Bürgerstadt haben. Aber sie sollen in der bestehenden 3-Meter-Breite erneuert werden.

Das Vorhaben ordne sich in die Umgestaltung des südlichen Promenadenrings ein, betont das Planungsdezernat noch, welche nach dem Bau des City-Tunnels möglich wurde. Gebaut werden soll von September 2017 bis Juni 2018. Die Gesamtkosten sind mit etwa 991.000 Euro veranschlagt. Der Stadtanteil beträgt rund 726.000 Euro, der Rest sind Fördermittel Sie kommen aus dem Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ sowie aus Finanzhilfen des Zweckverbandes Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL).

So recht will sich das Gefühl nicht einstellen, dass hier wirklich ein attraktiver Rathausvorplatz entstehen sollte. Gar mit Aufenthaltsqualitäten. Aber vielleicht wird’s ja ganz nett.

Die Erläuterungen zum neuen Rathausvorplatz.

In eigener Sache: Lokaler Journalismus in Leipzig sucht Unterstützer

In eigener Sache (Stand Mai 2017): 450 Freikäufer und weiter gehts

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar