Da war L-IZ-Leser Reinhard Wylegalla gar nicht zimperlich: โUnmut รผber den beschissenen Bayerischen Bahnhofโ betitelte er seine Mail, mit der er den Brief, den er an Jens Papenfuร von der DB Bahn&Service AG schickte, auch an die L-IZ weiterleitete. Der รrger hat tatsรคchlich mit Kot zu tun: Taubenkot, der den Zugang zur S-Bahn-Station Bayerischer Bahnhof ganz und gar nicht zum Kunstwerk macht.
โDie Ursache fรผr die Verschmutzungen sind sogenannte moderne Plastiken (farbige, zum Teil mit Leuchten ausgestattete Rรถhren) unter den Dรคchern der Eingangsbereiche, welche die Tauben magisch anzuziehen scheinen. Die Vรถgel defรคkieren direkt auf die Oberflรคchen der Rรถhren. Mitunter gleiten die Faeces aber auch auf die Fahrtreppen und Glasblenden hinunter und hinterlassen dort unappetitliche Spuren. Fรผr mich Grund genug, den Bayerischen Bahnhof nur mit aufgespanntem Regenschirm zu betretenโ, schreibt Wylegalla.
โInzwischen wurden die โmodernen Skulpturenโ zwar ein oder zwei Mal durch Mitarbeiter eines Fachbetriebs per Seilzugangstechnik gereinigt. Die Tauben scheiรen aber munter weiter. Auf meinen Vorschlag, die zweifelsohne kรผnstlerisch wertvollen, aber fรผr den Bahnhofsbetrieb nicht zwingend notwendigen Accessoires als Leihgaben in das Leipziger Bildermuseum zu verlagern, sind Sie gar nicht eingegangen.โ
Auf frรผhen Fotos und den diversen Animationen zum Bau der Citytunnel-Stationen sahen diese farbigen Streben tatsรคchlich noch eindrucksvoll aus: ein auffรคlliges farbiges Element in einem ansonsten betongrauen Zugang zur Tunnelstation unter dem alten Bayerischen Bahnhof.
Als der City-Tunnel gebaut wurde, war die Bahn als Bautrรคger richtig stolz auf die Wettbewerbsergebnisse zu den Tunnelstationen, lieร sich den Stolz auch durch die Hรคme der Leipziger nicht nehmen, die die Zugรคnge zur S-Bahn-Station Wilhelm-Leuschner-Platz schon mal als Klohรคuschen bezeichneten. Architektonisch gut eingepasst ins Stadtbild sind sie wirklich nicht.

Und auch die Lรถsung fรผr die S-Bahn-Station Bayerischer Bahnhof ist eher ungenรผgend. Die aufragenden Betonmauern verstellen den Blick auf das historische Bahnhofsportal, der vorgelagerte Platz bietet mit seiner Pflasterung kein Grรผn, keinen Schatten und auch keine Aufenthaltsqualitรคt.
โDie dezent gestalteten Eingรคnge zu der Station wurden harmonisch in die historische Bausubstanz integriertโ, behauptet die offizielle City-Tunnel-Website noch heute. Da war der Autor entweder beduselt oder er hat sich schon so an aufdringliche Betonteile gewรถhnt, dass er die grauen Wรคnde vorm alten Portal schon als โdezentโ empfindet.
Da waren die bunten Streben im Eingang schon fast ein Lichtblick.
Aber der Wettbewerbssieger fรผr diese Station, der Architekt Peter Kulka, hat augenscheinlich die Lebensweise stรคdtischer Taubenpopulationen vollkommen falsch eingeschรคtzt.
Im November 2011, so dokumentiert Frank Eritt auf seiner City-Tunnel-Homepage, wurden die von Kulka entworfenen Lichtstreben im Treppenhaus Sรผd eingebaut: โInsgesamt sind es 11 Stรผck. Die Streben werden spรคter mit Lampen ausgestattet und sorgen so fรผr Helligkeit in Treppenhaus und auf dem Bahnsteig.โ
Genau um diese farbigen Streben geht es. Die Tauben fรผhlen sich auf ihnen wohl. Und die fรผr die Sauberkeit in den Stationen zustรคndige DB Bahn&Service AG findet keine Lรถsung fรผr das Problem. Seit Juni 2016 ringt Reinhard Wylegalla mit der Leipziger Abteilung der DB Bahn&Service AG.

Seinen Wunsch, die bunten Lampenstreben abzubauen und dem Bildermuseum zu รผberlassen, hat die Bahn nicht erfรผllt. Da erinnert man sich an die verzweifelten Versuche der Leipziger, die sperrige Gestaltung des Augustusplatzes wenigstens teilweise wieder entfernen zu lassen. Die Konzeption fรผr den 1998 neu gestalteten Augustusplatz stammte von Prof. Berhard Winkler. Und mit Bedauern teilte die Verwaltung immer wieder mit, dass man weder das Mauercafรฉ noch die sperrigen Pavillonelemente entfernen kรถnnte, sie seien als Ergebnis der kรผnstlerischen Platzgestaltung geschรผtzt.
So ungefรคhr ist das auch mit den bekleckerten Leuchtelementen im Bayerischen Bahnhof.
โStattdessen wurden die Oberflรคchen einiger ausgewรคhlter Rรถhren in den oberen Bereichen mit Spikes versehen. Allerdings nur auf halber Lรคnge. Was meine seinerzeit geรคuรerte, durch Sie aber vehement bestrittene Vermutung, das Reinigungsbudget sei ausgeschรถpft oder aber die DB Station&Service AG sei gar in eine Liquiditรคtskrise geraten, im Nachhinein doch zu bestรคtigen scheintโ, schreibt Reinhard Wylegalla.
โDa nach meiner Einschรคtzung die Bahn&Service AG mit einer effizienten Taubenabwehr und ordnungsgemรครen Reinigung des Bayerischen Bahnhofs รผberfordert scheint, schlage ich nun vor, die โmodernen Skulpturenโ zu privatisieren. Ich bin รผberzeugt, dass sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder anderswo auf unserem globalisierten Globus ein Investor findet, der sogar (Tauben-)Scheiรe in Gold verwandeln kann.โ
Wie unglรผcklich Leipziger Kunst- und Architektur-Jurys immer wieder agieren, war ja auch beim Freiheits- und Einheitsdenkmal zu erleben. Das Problem nach solchen Wettbewerben ist: Die zum Sieger gekรผrten Entwรผrfen genieรen hernach Bestandschutz und die Nutzer mรผssen sich oft mit ihren Tรผcken und unpraktischen Lรถsungen abfinden. Und es wird auf einmal an einer Stelle teuer, an die gar keiner gedacht hat โ in diesem Fall dem Taubenkot, der von den bunten Lampenstreben kleckert.
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Es gibt 2 Kommentare
Die Bahn hat nirgends das Taubenproblem im Griff. Auf dem Bahnhof muss man auch aufpassen, dass einem die umherfliegenden Tauben nicht auf den Kopf scheiรen. Und noch schlimmer ist es, dass sie in den Lebensmittellรคden herumspazieren, das ist sehr eklig und unhygienisch! Das sich die Ladenbesitzer nicht beschweren, kann ich nicht nachvollziehen. Aber die haben genug Laufkundschaft!
Es kann nicht sein, dass der Respekt vor dem Kunstwerk โfarbige Rรถhrenโ davor schรผtzt, die Streben mit Stachelaufklebern zu versehen, die das Lander der Tauben verhindern. Denn dass der zunehmend schlimmer werdende Kot in den beiden Zugรคngen zu den Bahnsteigen des Bayerischen Bahnhofs erhebliche Gesundheitsgefahren fรผr die Nutzer der S-Bahn-Station mir sich bringt, liegt auf der Hand. Sicher gibt es inzwischen auch andere Methoden der Fernhaltung der Tauben von diesen Zugรคngen, z. B. abschreckende akustische Signale, die nur von den Tauben gehรถrt werden kรถnnen. โ Wie auch immer: Der derzeitige, sich stรคndig verschlimmernde Zustand muss beendet werden!
Peter Gutjahr-Lรถser