Leipzig ist zu einer Stadt geworden, in der immer mehr Dinge knapp werden – zuallererst einmal Platz. Nutzbarer Platz für all die Sachen, die eine wachsende Stadt braucht: Schulen, Kitas, Wohnungen, Bäume. Das kann zum Dilemma werden – so, wie es gerade für den geplanten Schulneubau an der Jablonowskistraße passiert. Die Stadt geht ans Bäumefällen – hat aber nicht genug Ersatz.

„Auf den lange Zeit als Grünfläche zwischengenutzten Trümmergrundstücken am Standort Jablonowski-/Brüder-/Leplaystraße müssen in den nächsten Wochen 29 Bäume gefällt werden und 22 gespendete Bäume wieder ausgehoben werden. Voraussichtlicher Beginn ist der 20. Februar“, teilte das Amt für Jugend, Familie und Bildung am 15. Februar mit. Was schon erstaunlich war: Kein einziges Leipziger Schulprojekt ist in letzter Zeit so schnell auf die Beine gekommen. Was auch daran liegt, dass der Stadt Leipzig diese Fläche direkt neben der Sporthalle Brüderstraße tatsächlich noch gehört.

Hier soll ab Spätsommer ein Neubau für die dringend für dieses Einzugsgebiet benötigte Grundschule für rund 450 Kinder entstehen.

Natürlich stehen etliche Bäume auf dieser Brache, die eigentlich ein altes Trümmergrundstück ist. Bis zu den Bombenteppichen der Jahre 1944/1945 war dieses Quartier zwischen Jablonowskistraße und der (heute nicht mehr existierenden) Turnerstraße bebaut – übrigens genauso wie der angrenzende Addis-Abeba-Platz, der wie eine organische Grünfläche im Quartier aussieht, aber einst auch ein bebautes Wohnquartier war. „Misstraut den Grünflächen“, schrieb Heinz Knobloch einst. Recht hat er. Bis heute.

„Von den zahlreichen vorhandenen Bäumen auf dem künftigen Schulgrundstück sollen so viele wie möglich erhalten bleiben und in die künftige Gestaltung integriert werden. Dennoch ist die Fällung der 29 Bäume unumgänglich. Sie werden jedoch komplett durch 30 geplante Neuanpflanzungen auf und nahe dem Schulgelände ersetzt“, erklärte die Stadt am 15. Februar. „Für weitere 22 gespendete Jungbäume (Bergahorn), die entfernt werden müssen, kann eine Fällung vermieden werden. Sie werden nur ausgehoben, da für sie bereits neue Standorte gefunden wurden, an denen sie alsbald wieder eingepflanzt werden.“

Aber dieser Botschaft misstraut der Ökolöwe Leipzig.

„Dabei ist es um die Kompensation schlecht bestellt“, stellt Anja Werner vom Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. fest.

Von den Jungbäumen sollen ja lediglich 22 gespendete umgesetzt werden. Die Zukunft der übrigen neu gepflanzten Bäume ist nach den Informationen des Ökolöwen ungewiss.

„Das ist nicht akzeptabel, denn diese Bäume wurden gepflanzt, um das Ziel der Luftreinhaltung zu erfüllen und gesunde Atemluft für die Leipziger zu garantieren“, sagt Werner. Hinzu käme, dass die für die Fällung von 29 Altbäumen vorgesehenen 30 Ersatzbäume in ihrer Zahl viel zu gering sei. „Ein neu gepflanzter, junger Baum kann schon allein was die Umwandlung von CO2 angeht, niemals mit einem über viele Jahre gewachsenen mithalten.“

Der Ökolöwe fordert deshalb einmal mehr eine klare Strategie, wie zukünftig mit dem Verlust von Grün in Leipzig umgegangen werden soll. Mit der stadteigenen Kampagne „Leipzig Klimabewusst“ müsse sich auch das Handeln der Stadtverwaltung ändern.

„Die Kosten für die Umsetzung und angemessene Kompensation aller Bäume müssen bei Bauprojekten künftig mit einkalkuliert und die CO2-Leistung der Bäume vollständig ausgeglichen werden“, sagt Werner. Solche Ziele sollte sich Leipzig setzen, wenn die Stadt lebenswert bleiben will und die Luft sauberer werden soll.

Der Ökolöwe sieht in dem Schulneubau allerdings auch eine Chance. Anja Werner: „Wir hoffen, dass der Neubau entsprechend der Leipziger Gründachstrategie ein grünes Dach und eine begrünte Fassade bekommt.“

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