Hallo? Hallo, Vision! Geht das vielleicht? – Wenn eine Faktion die Stellungnahmen der Stadtverwaltung ernst nimmt, dann kann das schon mal in einen neu gefassten Antrag münden. Ohne viele Worte. Nur ein Arbeitsauftrag an eine Verwaltung, die sich gerade wieder viele Argumente ausgedacht hat, warum man das Kolonnadenviertel nicht gleich zu einem Pilotprojekt für eine andere Mobilität machen könnte. Ist ja viel zu kompliziert. Aha, dachten sich die Grünen.
Die hatten den Antrag ursprünglich gestellt – samt dem Vorschlag, die Bewohner des Kolonnadenviertels mit einzubeziehen in die mobilistische Neuorganisation ihres Viertels. An einigen Stellen arbeitet die Stadtverwaltung ja schon daran, den Straßenraum zu verändern. Leipzig ist ja schon etwas länger in einem allmählichen Veränderungsprozess. Nur dass die Veränderungen nicht visionär oder selbstbestimmt passieren, sondern immer quasi als Reparatureinsatz: Die Zustände vor Ort haben sich über Jahre als immer unzumutbarer erwiesen. Dann berücksichtigt man das endlich auch in der Neugestaltung der Straße. So, wie es jetzt vorm Schauspielhaus passieren soll.
Was nur die Tatsache kaschiert, dass man hier genauso wie an anderen Orten der Stadt die Gelegenheit verpasst hat, ein anderes Gefühl für Stadtleben zu implementieren. Man hat es eher laufen lassen. Bis hin zum Überlaufen, was die private Pkw-Nutzung betrifft.
Dabei ist das Kolonnadenviertel samt der gesamten Westvorstadt eigentlich ein Quartier, in dem kein Mensch ein Auto braucht.
Es ist alles da, was man zum Leben braucht. Alle wichtigen Infrastrukturen der Stadt sind zu Fuß erreichbar. Und der ÖPNV ist ringsum mit lauter Haltestellen angedockt. Der Gedanke lag nicht nur nahe, hier wirklich einmal eine andere Art Mobilitätsverhalten zum Standard zu machen. Er lag regelrecht auf der Straße.
Und dann gab es diese zwei Seiten lange Begründung für einen Alternativvorschlag, der eigentlich eine Verschiebung bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag bedeutete.
Das steckt vor allem in diesen Abschnitten: „Der Vorschlag, ein Konzept der nachhaltigen Stadt- und Quartiersentwicklung für das Kolonnadenviertel und sein Umfeld als Modellprojekt zu erstellen, orientiert sich langfristig an den Zielen einer nachhaltigen Verkehrsentwicklungsplanung und damit an den Zielen verkehrssparsamer Stadtstrukturen bzw. einer stadtverträglichen Mobilität. Ziele und Leitlinien dieser Entwicklung sowie die für deren Umsetzung erforderlichen Konzepte sind in den Handlungsfeldern für eine stadtverträgliche Mobilität im STEP zusammengefasst.
Aufgezeigte Planungsansätze und künftige Qualitätsanforderungen zur Schaffung einer Stadt der kurzen Wege bzw. attraktiver Nahbereiche werden durch den eingereichten Beschlussvorschlag aufgegriffen und durch konkrete Maßnahmenvorschläge unterlegt. Die vorgegebene Zielsetzung des Konzeptes kann langfristig nur erreicht werden, wenn sie auf einer umfassenden Analyse von Mobilität und Verkehr im Gebiet aufbaut und deren Entwicklung ganzheitlich betrachtet.“
Langfristig?
Da werden sich wohl auch die Grünen gedacht haben: Wenn das, was man 2015 mit dem „STEP Verkehr und öffentlicher Raum“ jetzt auf diese Weise erst „langfristig“ Gestalt annehmen soll, dann werden die Leipziger von heute alle alt und tatterig, bevor sich das zuständige Dezernat bequemt, die Sache in Angriff zu nehmen. Ausreden stehen ja genug in der Begründung – kein Geld für Bürgerbeteiligung, fehlende Fördermittel. Da kann man eigentlich gleich die Bürgersteige hochklappen.
Also haben die Grünen ihren Antrag geschnappt, alle Erklärungen weggestrichen und nur noch klare Handlungsaufgaben reingeschrieben. Denn jetzt ist die Zeit für so ein Modellprojekt, nicht erst in 20 Jahren.
Am 8. Februar soll er so auch in die Ratsversammlung.
Denn wer solche Visionen immer nur vertagt, der wird niemals etwas zum Vorzeigen haben. Und schon gar nicht auf die Akzeptanz der Bürger verweisen können. Wird es ihr Projekt? Sollte es eigentlich. Wenn die Stadtratsmehrheit am 8. Februar zustimmt, dann heißt es: Nun aber sputen. Denn eine Bürgerbeteiligung, die erst Ende 2017 beginnt, ist auch schon wieder Zeitverzug. „Im Rahmen des Modellprojektes ist eine Bürgerbeteiligung noch 2017 durchzuführen“, beantragen die Grünen.
Und eigentlich steckt schon die nächste Aufgabe drin, denn die Verwaltung hat selbst auf die (noch fehlenden) Fördermittel verwiesen. Dann macht euch jetzt auf die Suche, heißt eigentlich die Forderung der Grünen, die in dem Satz versteckt ist: „Die Planung, Bürgerbeteiligung und Umsetzung stehen unter dem Vorbehalt, dass zusätzliche Mittel, z. B. aus einem geeigneten EU-Projekt, genutzt werden können.“
Es ist ja nicht so, dass es keine Fördermittel gibt. Sie müssen nur rechtzeitig akquiriert werden. Und dazu ist es gut, wenn möglichst früh klar ist, was man im Kolonnadenviertel alles umsetzen möchte. Deswegen ist die Vertagung der Bürgerbeteiligung Unfug. Sie muss jetzt passieren, jetzt, wo die Ideen gesammelt werden.
Was schon relativ feststeht, haben die Grünen teilweise gleich aus der Stellungnahme der Stadt übernommen.
Deswegen sind die zentralen Punkte schon recht eindeutig formuliert:
„1. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, ein Konzept „Aktive Mobilität/Nahmobilität“ für das Kolonnadenviertel und sein unmittelbares Umfeld (Plangebiet: Quartier innerhalb der Friedrich-Ebert-Straße, Käthe-Kollwitz-Straße, des Dittrich- und des Martin-Luther-Rings sowie der Karl-Tauchnitz-Straße) mit folgender Zielsetzung zu erarbeiten:
a) Die künftige Verkehrsinfrastruktur soll für das Zufußgehen und das Radfahren komfortable Bedingungen bieten. Im Quartier ist die Aktive Mobilität und Nahmobilität zur Basismobilität aufzuwerten.
b) Dorotheenplatz und Nikischplatz sind zu Freiräumen mit hoher Aufenthaltsqualität aufzuwerten. Dazu wird geprüft, die Durchfahrt am Dorotheenplatz aus und in Richtung Reichelstraße zu verhindern, um einen echten Platz zu schaffen.
c) Der Straßenraum vor dem Eingangsbereich des Schauspiel Leipzig wird im Sinne einer Platzsituation geplant und umgesetzt.“
Letzteres hat ja die Verwaltung längst im Plan. Was auch deshalb überrascht, weil das eigentlich schon Teil eines Gesamtkonzepts fürs Kolonnadenviertel sein müsste. Wer eine Straße anpackt, sollte die anderen Straßen zumindest schon einmal angedacht haben, damit es irgendwann ein logisches Ganzes ergibt.
Jetzt kann man gespannt sein, ob die Stadtratsmehrheit zustimmt oder doch lieber die lange Bank bevorzugt, auf die man alles schieben kann, bis wir alle alt und grau sind.
Der neu formulierte Antrag der Grünen-Fraktion.
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