Da war Leipzigs Verwaltung einmal besonders flott. Am Mittwoch, 14. Dezember, veröffentlichte der Eigentümerverband Haus & Grund Leipzig seine Einschätzung der jüngsten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Sanierungssatzung in Leipzig-Connewitz. Und flugs meldete das Planungsdezernat: Das gilt nur für Connewitz. Alle anderen Sanierungssatzungen sind rechtsgültig. Woran Haus & Grund so einige Zweifel hat.
Denn ob jemand die Kraft, die Zeit und vor allem das Geld findet, gegen Entscheidungen der Stadt Leipzig den Klageweg zu bestreiten, das hängt immer noch davon ab, ob dabei mit einem Sieg vor Gericht gerechnet werden kann. Das trauen sich auch Leipzigs Hausbesitzer nicht alle zu, schon gar nicht die kleinen.
Immerhin ging es gleich um 14 Sanierungsgebiete, 17 entsprechende Sanierungssatzungen, die alle Anfang der 1990er Jahre aufgestellt wurden, und dementsprechend 17 Heilungssatzungen, die der Stadtrat 2013 beschloss. Heilungssatzung deshalb, weil sämtliche Sanierungssatzungen in den frühen 1990er Jahren im Schweinsgalopp und mit entsprechenden Fehlern in Vollzug gesetzt wurden. Übrigens nicht nur in Leipzig. Aus Chemnitz wüsste Haus & Grund ähnliche Probleme zu melden. Und aus Sachsen-Anhalt weiß man, dass man die dortigen Sanierungssatzungen schon in den 1990er Jahren auf Landesebene außer Kraft gesetzt hat, so dass für die Hausbesitzer in den betroffenen Gebieten keinerlei Zahlungen fällig wurden.
In Sachsen ist das alles etwas anders. Hier macht auch der Finanzminister Druck und möchte gern ein paar der ausgereichten Fördergelder wiederhaben. Wenn es der Stadt Leipzig gelingt, die Hausbesitzer zu Zahlungen zu bewegen, teilen sich Stadt, Land und Bund in die Summe zu je einem Drittel.
Aber das kann nur passieren, wenn die Sanierungssatzungen und die Heilungssatzungen auch rechtmäßig sind.
Dass da in den 1990er Jahren ziemlich wild drauflos verordnet wurde, war Leipzigs Verwaltung durchaus bewusst. Deswegen beschloss der Stadtrat (nach Vorlage der Verwaltung) am 19. März 2013 Satzungen für die 17 Sanierungsgebiete Leipzigs, um Fehler der ursprünglichen Sanierungssatzungen rückwirkend zu heilen. Ob das gelungen ist, ist aus Sicht von Haus & Grund eigentlich offen. „Wir haben uns die anderen Satzungen noch gar nicht angeschaut daraufhin“, sagt Ronald Linke, Vorsitzender von Haus & Grund Leipzig. Man habe sich ganz auf das Klageverfahren zu Connewitz/Biedermannstraße konzentriert. Und das war auch nur möglich geworden, weil ein dort ansässiger Hausbesitzer gegen die Zahlungsaufforderung der Stadt in Widerspruch gegangen war und der Eigentümerverband daraufhin ein Normenkontrollverfahren vor Gericht anstreben konnte. Was dann 2015 vorm OVG in Bautzen mit einem positiven Urteil für den Verband endete. Die Stadt Leipzig ging daraufhin in Widerspruch, das Bundesverwaltungsgericht wurde angerufen – bestätigte aber das Bautzener Urteil jetzt.
Zum Urteil in der Südvorstadt, so Dr. Eric Lindner, Geschäftsführer von Haus & Grund Leipzig, könne man aus Sicht von Haus & Grund einfach nichts sagen, weil man in diese Klage nicht einbezogen war. Man kenne auch die vorgebrachten Argumente nicht.
In den anderen Sanierungsgebieten, die jetzt allesamt systematisch aufgehoben werden sollen, gab es keine Klagen. Was die Verwaltung zu der Aussage bringt: „Lediglich zwei dieser ‚Heilungssatzungen‘ (Connewitz-Biedermannstraße, Innerer Süden) wurden mit Normenkontrollanträgen vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen angegriffen. Das OVG wies den gegen die Satzung des Sanierungsgebiets ‚Innerer Süden‘ gerichteten Normenkontrollantrag ab. Die Satzung für das Sanierungsgebiet ‚Leipzig/Connewitz-Biedermannstraße‘ wurde dagegen für nichtig erklärt. Für alle anderen 16 Sanierungsgebiete existieren somit rechtskräftige Satzungen.“
Dass man sich so vehement zu Wort meldet, hat mit einem „Zeitungsbericht in der vergangenen Woche“ zu tun, der den Eindruck erweckte, „die Eigentümer in allen Sanierungsgebieten müssten jetzt möglicherweise die Beiträge nicht zahlen. Dies ist falsch. Und auch für das Sanierungsgebiet ‚Leipzig/Connewitz-Biedermannstraße‘ wird die Verwaltung dem Stadtrat jetzt zeitnah eine neugefasste, um die vom Gericht bemängelten Details korrigierte ‚Heilungssatzung‘ vorlegen. Auf dieser Grundlage werden dann, wie bereits in den anderen Sanierungsgebieten, die Ausgleichsbeträge für die Grundstückseigentümer berechnet und erhoben. Dazu ist die Stadt rechtlich verpflichtet“, betont das Planungsdezernat.
Was der Eigentümerverband Haus & Grund Leipzig so nicht sieht.
Denn bereits im Vorfeld der Stadtratssitzung von 2013 habe man darauf hingewiesen, dass die beabsichtigten Heilungssatzungen nicht rechtsfehlerfrei gefasst werden können. Gerade in Connewitz war augenfällig, dass die ursprünglich beschlossenen Sanierungsziele im Bereich der Biedermannstraße wohl nicht erreicht wurden. Außerdem stimmte das ursprünglich beschlossene Sanierungsgebiet nicht mit dem endgültig festgelegten überein.
Für den Hauseigentümerverband wäre spätestens an dieser Stelle ein erneuter Abwägungsprozess erforderlich gewesen, der aber nicht stattgefunden habe.
Gehör fand der Eigentümerverband weder bei der Verwaltung noch bei der Mehrheit der Ratsfraktionen, die der Ansicht waren, nur kleinere Formalien korrigieren zu müssen, um ursprüngliche Satzungsfehler aus den 1990er Jahren zu beseitigen, kritisiert der Verband. Der auch nicht sieht, wie Leipzig die Sanierungssatzung in Connewitz durch einen neuen Beschluss korrigieren will, ohne mit den Betroffenen zu sprechen.
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen begründete 2015 seine Entscheidung zentral mit dem Umstand, dass keine (erneute) Abwägung stattgefunden hat.
Und der Versuch der Stadt Leipzig, hieran im Wege einer sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht noch etwas zu ändern, scheiterte nunmehr ebenfalls – die Nichtzulassungsbeschwerde wurde im Beschlusswege zurückgewiesen. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat der Stadt Leipzig deutlich mitgeteilt, dass die Heilungssatzung an erheblichen Abwägungsfehlern leidet, die nicht im Wege eines ergänzenden Verfahrens behoben werden können, wenn sie den Kern der Abwägungsentscheidung betreffen und damit die Planung als Ganzes von vornherein infrage stellen, so Haus & Grund.
„Nach drei Jahren Prozessdauer und nicht unerheblichen Kosten, die die Stadt Leipzig zu ersetzen hat, steht nunmehr abschließend fest, dass die in der Nacht vom 19. Juli 2013 eilig beschlossene Heilungssatzung für das Sanierungsgebiet Connewitz/Biedermannstraße nichtig ist. Dieses Ergebnis war aus der Sicht unseres Verbandes absehbar“, sagt Ronald Linke. „Es darf davon ausgegangen werden, dass die Stadt Leipzig abermals Versuche einer Heilung unternimmt. Die Verwaltung wie auch der Stadtrat werden hierbei nicht umhinkommen, sorgfältig abzuwägen, ob die Ziele des Sanierungsgebietes gerade in Connewitz/Biedermannstraße überhaupt noch erreichbar sind. Möglicherweise ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes auch Anlass für ein grundsätzliches Umdenken dahin, von der Erhebung von Sanierungsausgleichsabgaben abzusehen, weil deren Erhebung rechtlich fraglich und unter Beachtung des erforderlichen Verwaltungsaufwandes auch unwirtschaftlich ist.“
Das Problem der Verwaltung ist dabei natürlich: Sie möchte gern das Geld haben. Der Stadthaushalt ist klamm. Und bisher gilt noch immer die Interpretation: „Die mit umfangreichen öffentlichen Fördermitteln in den letzten beiden Jahrzehnten durchgeführten bzw. unterstützten Sanierungsmaßnahmen haben in allen Leipziger Sanierungsgebieten zu einer wesentlichen Lageverbesserung geführt, was unmittelbar an den steigenden Bodenwerten in diesen Bereichen ablesbar ist, die den Eigentümern zugute kommen. Mit dem gesetzlich zu leistenden Ausgleichsbetrag leisten die Eigentümer in den Sanierungsgebieten einen Eigenanteil an dieser Wertsteigerung, der außerhalb der Sanierungsgebiete z. B. durch die Erschließungsbeiträge geleistet werden muss, die in den förmlich festgelegten Sanierungsgebieten nicht erhoben werden.“
Was aber, so Linke, nicht bedeuten darf, dass die Stadt einfach ohne Diskussion die Aufhebung der Sanierungsgebiete beschließt. Eigentlich wäre jetzt der Zeitpunkt gewesen, zu klären, ob die Sanierungsziele tatsächlich erreicht wurden – und was vielleicht noch getan werden müsste, um sie zu erreichen. Ob in den anderen 16 Sanierungsgebieten nun alles rechtskonform sei, bezweifelt er. „Das werden wir uns noch genau anschauen.“
Die Stadt jedenfalls hat sich schon über die ersten Zahlungen von Hauseigentümern gefreut: „Die große Zahl der Eigentümer, die ihre Ausgleichsbeträge bereits im Rahmen von freiwilligen Vereinbarungen mit der Stadt abgelöst haben – was i. d. R. zu einem Abschlag von 20 Prozent zugunsten des Eigentümers führt – zeigt, dass die Sanierungsmaßnahmen insgesamt als Erfolg zu sehen sind.“
Aus Linkes Sicht war es wohl eher der 20-prozentige Abschlag, der die Hausbesitzer zur vorzeitigen Zahlung veranlasste.
Ob eine weitere „Heilung“ in Connewitz tatsächlich zu einem rechtmäßigen Vorgang führt, bezweifelt er. Eigentlich wäre es an der Zeit, dass die Stadt dazu endlich einmal den Dialog mit dem Verband suche.
Dr. Eric Lindner: „Unser Verband wird genau beobachten, ob und wenn ja, welche Überlegungen bei der Stadt Leipzig angestellt werden, erneute Heilungsversuche zu unternehmen. Soweit erforderlich, werden wir auch zukünftig betroffene Eigentümer dabei unterstützen, aus unserer Sicht fehlerhafte Satzungen anzugreifen.“
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