Für Lindenau hat Leipzigs CDU auch schon einen Polizeiposten gefordert. Das klingt immer wie politische Tatkraft, löst aber keine Probleme. Wer es studieren will, kann es am Polizeiposten Connewitz tun. Den gibt es seit zwei Jahren. Am Pegel der Straftaten in Connewitz hat er gar nichts geändert. Aber der Freistaat hat noch einmal 482.000 Euro hineingesteckt. Der Symbolposten soll Dauereinrichtung bleiben.

Was ja eher kein Thema wäre, wenn Leipzigs Polizei solche Präsenz auch in allen anderen Ortsteilen aufrechterhielte. Es gibt genug Ortsteile, da beklagen sich die Bürger über zu wenig Polizeipräsenz. Dass der Polizeiposten in Connewitz nicht wegen einer tatsächlich höheren Rate von Straftaten oder gar Gewalttaten eingerichtet wurde, haben mittlerweile auch diverse Landtagsanfragen deutlich gemacht. Connewitz unterscheidet sich bei registrierten Straftaten nicht die Bohne von den meisten anderen innerstädtischen Ortsteilen.

Doch der Ortsteil steht stärker als andere unter Beobachtung. Ganze Staatsapparate sind damit beschäftigt, das etwas anarchistische Klientel in diesem Stadtteil zu beobachten. Vom Verfassungsschutz über das OAZ bis hin zu diversen Polizeidienststellen, die hier auch Kameras im öffentlichen Raum betreiben. Wenn die Connewitzer Autonomen Aufmerksamkeit für ihre Aktionen haben wollen, bekommen sie diese sofort. Mit den dicksten Schlagzeilen und der größten Empörung in einschlägigen Zeitungen.

Was nichts an der Tatsache ändert, dass sich hier ein Häuflein unangepasster Menschen ein bestimmtes Wohnmilieu aufgebaut hat, das auffällt, weil es nicht uniform ist. Von einer „erstaunlichen Gelassenheit“ sprechen Besucher aus kleinen Ortschaften, die hier tatsächlich mal zu Fuß unterwegs sind. Man braucht tatsächlich keine gepanzerte Limousine, um hier durch die Straßen zu fahren. Ein Fahrrad reicht völlig.

Aber das Unangepasste stört natürlich. Weil es auch ans wirtschaftlich Eingemachte geht. Ein ganzes Dutzend von Immobilienentwicklern und Vermietern ist hier unterwegs, um Hausbestände teuer an Käufer und Mieter zu bringen. Denn das Empörende an Connewitz ist ja: Hier wollen tatsächlich eine ganze Menge gutbetuchter Bürger wohnen. Weil ihnen das Bunte an diesem Ortsteil gefällt. Weil Connewitz nicht so trist und langweilig aussieht wie die mittlerweile aufploppenden „aufgewerteten“ neuen Wohngebiete der Stadt.

Es ist keine leichte Aufgabe, so ein unangepasstes Milieu auszuhalten in einer Stadt wie Leipzig, deren Verwaltungsspitze sich am liebsten eine durchsanierte und blank geputzte Stadt wünscht – ohne zu merken, wie sehr sich das mit dem ganzen faulen Budenzauber um „Hypezig“ beißt.

Es war also vor allem Symbolpolitik, als 2014 der Polizeiposten in der Wiedebachpassage eingerichtet wurde. Vorerst provisorisch. Aber irgendwie ist dann genau das passiert, was zu erwarten war: Es gab heftige Proteste mit Steinwürfen. Einige Gewalttäter landeten vor Gericht. Es kam wieder in Gang, was man eigentlich erwarten konnte. Und postwendend gab es also eine Begründung, warum der Posten dauerhaft eingerichtet werden muss. Dafür wurde jetzt kräftig investiert.

482.000 Euro insgesamt, wie aus einer Landtagsanfrage von Juliane Nagel (Die Linke) hervorgeht. Fenster und Türen wurden verstärkt, schusshemmende Trennwände wurden eingebaut, neue Sicherheitstechnik installiert. Als wenn hier ein Polizeiposten im wildesten Teil Chicagos gesichert werden sollte.

Was Eike Sommer von der Leipziger Gruppe „Für das Politische“ wahrscheinlich zu Recht als reine polizeiliche Symbolpolitik sieht: „Eine so teure Aufrüstung des Polizeipostens ist absurd und suggeriert ein vollkommen falsches Bild von den Verhältnissen im Stadtteil. Connewitz war und ist eines der sichereren Viertel in dieser Stadt. Die Wirkung des Polizeipostens auf das Kriminalitätsaufkommen ist keineswegs nachgewiesen. Während es im ersten Jahr seiner Errichtung 2014 zum Anstieg des Kriminalitätsaufkommens kam, ist die Kriminalität im zweiten Jahr gesunken. Es gibt zudem keinerlei öffentliche Informationen darüber, wie die Außenstelle der Polizei in der Wiedebachpassage überhaupt genutzt wird. Gerade vor dem Hintergrund dieser Befunde bleibt der Ausbau des Polizeipostens zur Sicherheitsfestung mehr als fragwürdig.“

Die Umbaumaßnahmen, die bis Frühjahr 2017 andauern, sind aus seiner Sicht pure Geldverschwendung: „Zirka einen Kilometer entfernt ist seit jeher das Polizeirevier Leipzig-Südost in entsprechend ausgestatteten Räumlichkeiten angesiedelt. Andere Stadtviertel oder kleine Ortschaften um Leipzig herum fordern händeringend Polizei-Anlaufstellen, in Connewitz gibt es faktisch zwei davon. Dies  widerspricht jeglicher politischer Vernunft und beweist nicht mehr, als dass der Polizeiposten in Connewitz eine kriminalisierende Geste gegen die politisch-subversive Szene im Stadtteil ist und bleibt. Während sonst häufig die Rede von Sach- und Sparzwängen ist, wird in diesem Fall großzügig ein Zeichen gesetzt, um die Herrschaftsverhältnisse zu zementieren. Während soziale Angebote um ihre Existenz ringen oder mit ständigen Kürzungen an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit gedrängt werden, kann es sich die Polizei leisten, sich für fragwürdige, rein politisch motivierte Spielchen quasi luxuriös auszustatten. Als Initiative ‚Für das Politische‘ fordern wir weiter die Schließung der Polizeiaußenstelle. Wie zu seiner Eröffnung im Februar 2014 fordern wir kommunikative statt repressive Lösungen für Probleme. Die halbe Million für die Aufrüstung des Postens sollte lieber in Projekte gesteckt werden, die gerade in diesen Zeiten Solidarität und Offenheit stärken.“

Womit er einen Punkt berührt, der in der sächsischen Politik kaum noch vorkommt: Die fehlende Bereitschaft, Abweichungen vom Marktüblichen auszuhalten und kommunikative Formen der Problemlösung zu finden. Was nichts mit dem ganzen Geschwätz in diversen Talkshows und Podiumsrunden zu tun hat, wo lauter Rechthaber sich gegenseitig sagen, wie Recht sie haben. Mit den „neuen Medien“ ist auch eine grassierende Form der Unfähigkeit zur gesellschaftlichen Debatte ausgebrochen. Wenn Polizeiposten mit Sicherheitsverglasung gebaut werden, ist das nur der Endpunkt einer staatlichen Unfähigkeit zur Kommunikation.

Die Anfrage von Juliane Nagel zum Polizeiposten in Connewitz. Drs. 6789

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