Es wird eine echte Knobelaufgabe, die da Planer, Stadträte und interessierte Leipziger am Innenstadtring zu leisten haben. Der CDU-Vorstoß, am Hauptbahnhof eine ganze Fahrbahn in einem Trog zu versenken, hat die Diskussion befeuert. Richtig so, kommentieren jetzt Linke und Grüne den Vorschlag, zweifeln aber, dass Leipzig das Geld hat für so eine Lösung.
Ganz tief in die Geschichte greift Siegfried Schlegel, Sprecher für Stadtentwicklung der Linksfraktion.
„Auf den ersten Blick könnte man von dem schönen Bild und dem Vorschlag der CDU-Fraktion zur Trog-Straßenlösung am Hauptbahnhof fasziniert sein. Aber so einfach ist es dann doch nicht. Setzt man sich aber etwas tiefgründig und großräumig mit dieser Idee auseinander, brechen viele Zweifel und Probleme auf“, erklärt der Linke-Stadtrat. „Die Deutsche Bahn, der Promenadenbetreiber sowie die Stadt haben es innerhalb mehrerer Jahre schon nicht auf die Reihe gekriegt, einen kaum zwei Meter hohen Behindertenaufzug im Fußgängerverbindungstunnel zwischen Hauptbahnhof, Straßenbahnhaltestellen und Stadtzentrum zu errichten. Die Tröge der Straßentunnel würden dann sogar im westlichen Teil unter dem Bahnhofsvorplatz in gleicher Ebene liegen wie das verknüpfte Fußgängertunnelsystem und würden dieses zerschneiden.“
Die Befürchtung, dass der Platz nicht reichen könnte, hatte auch die CDU-Fraktion.
„Aber das müssen jetzt die Fachleute prüfen“, sagt CDU-Stadträtin Sabine Heymann. „Das kann nicht unsere Aufgabe sein.“
Das Wichtigste am CDU-Vorschlag, so Fraktionskollege Frank Tornau, sei auch der Gedanke, die Verkehrsarten hier nachhaltig zu entflechten und Lösungen zu finden, die die Konflikte der verschiedenen Verkehrsarten (Fußgänger, ÖPNV-Nutzer, Autofahrer, Radfahrer) möglichst minimieren. Die Tieferlegung der nördlichen Fahrbahn sei dabei eine klassische und naheliegende Idee.
Schon vor 50 Jahren hätten sich Leipzigs Planer auch mit dem Bahnhofsvorplatz intensiv beschäftigt, betont Schlegel.
„Der Hauptbahnhofsvorplatz ist Verflechtungsraum für Straßenbahn, Bus und KfZ-Verkehr in alle Richtungen. Da es gewolltermaßen innerhalb des Zentrumsrings keinen Durchgangsverkehr gibt, dienen Goethestraße oder Hallesches Tor als Zufahrtsstraßen für den nördlichen Teil des Stadtzentrums. Für ein Trogsystem bedürfte es zahlreicher längerer Straßenrampen mit Zu- und Abfahrten im Umfeld des Hauptbahnhofes, für welche weitere Freiräume in Anspruch genommen werden müssten“, sieht Siegfried Schlegel die möglichen Probleme in angrenzenden Räumen. Und betont: „Die Suche nach Lösungen im Bereich des Hauptbahnhofsvorplatzes ist nicht neu. Bereits 1969 konnte man in der damaligen Leipzig-Information ein Modell der Innenstadt mit zahlreichen imposanten Verkehrslösungen bewundern. Aus dem Hauptbahnhof sollten Fußgängerbrücken mit Treppen zu den Straßenbahnhaltestellen und zur Innenstadt führen. Den Kfz-Verkehr vom Hauptbahnhof wegzulenken, würde zu einer höheren Belastung des südlichen Zentrumsrings führen, und Innenstadttangenten müssten weiter ausgebaut werden. Auch dieser Aspekt muss mitbedacht werden.“
Damals versuchten die Planer der Stadt vor allem, die Fußgänger aus dem Straßenverkehr herauszuholen, indem sie auf Fußgängertunnel (Hauptbahnhof, Am Halleschen Tor, Wilhelm-Leuschner-Platz) und Fußgängerbrücken (Blaues Wunder am Goerdelerring) setzten. Bis auf die Unterführung am Halleschen Tor sind alle diese Bauwerke in der Ära von Baudezernent Engelbert Lütke-Daldrup entfernt worden. Hauptgrund war einer, der auch jetzt wieder eine Rolle spielt: Gerade für Fußgänger sollte am Ring weitgehende Barrierefreiheit herrschen.
„Der Vorschlag der CDU-Fraktion bestätigt uns darin, dass vor dem Hauptbahnhof/auf dem Willy-Brandt-Platz Handlungsbedarf besteht. Allerdings wird eine Lösung nicht deswegen nachhaltig, weil die CDU das behauptet“, kommentiert Daniel von der Heide, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, den Vorstoß der CDU-Fraktion. „Wir sind in der Diskussion sicherlich an einem Punkt, an dem es keine Denkverbote geben darf. Deswegen begrüßen wir den Beitrag der CDU und halten es für sinnvoll, wenn die Troglösung untersucht wird.“
Ob diese Lösung sich aber als die Beste herausstellt, da sind die Grünen sehr skeptisch. Es fehlt an Millionen im Sparstrumpf.
Daniel von der Heide: „Die Mittel für den Verkehrsbereich reichen schon so nicht aus um die geplanten und notwendigen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur umzusetzen. Dahingehend ist es schwer vorstellbar, woher die Mittel für einen Trog kommen sollen.“
Aber für die Grünen geht es am Hauptbahnhof nicht nur um die Herstellung von mehr Sicherheit. Den eigentlichen Engpass haben an dieser Stelle die Straßenbahnen der LVB.
„Neben diesen finanziellen Aspekten sind wir aber auch hinsichtlich der inhaltlichen Ausführungen skeptisch“, betont von der Heide. „Ob ein Trog über dem City-Tunnel technisch und genehmigungsrechtlich möglich ist, lässt sich wohl relativ leicht prüfen. Vor allem muss bei der Lösung für den Willy-Brandt-Platz aber auch Raum für den Ausbau der Tramhaltestelle um weitere Gleise geschaffen werden, um als wirklich nachhaltige Lösung das ÖPNV-Angebot in Leipzig verbessern zu können. Dies erscheint uns mit der Troglösung nicht vereinbar.“
Was wünschen sich also die Grünen?
„Wir plädieren dafür, dass die Troglösung ebenso untersucht wird wie die Sperrung des Willy-Brandt-Platzes für den Autoverkehr unter Beachtung der Auswirkungen für die Verkehrsströme, die Sicherheit der Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer, aber auch für die Möglichkeiten für den ÖPNV-Ausbau und die städtebaulichen Potenziale für einen Bahnhofsvorplatz, der die Gäste von Leipzig willkommen heißt“, sagt von der Heide.
Also müsste es jetzt einen gemeinsamen Auftrag der Ratsfraktionen geben, dass die Verwaltung alle Möglichkeiten untersucht, den Verkehr am Hauptbahnhof zu entflechten, das Nadelöhr zu beseitigen und vielleicht sogar einen attraktiven Vorplatz zu schaffen. Sonst wird ja doch wieder diskutiert, was nicht geht. Und niemand kann sagen, welche Varianten Leipzig hier mit den verfügbaren Mitteln umsetzen kann. Möglichst zeitnah.
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