Was der Mensch einmal in Besitz genommen hat, das lรคsst er ungern wieder los. Obwohl: โungernโ ist untertrieben. Er klammert sich auch dann dran fest, wenn die Wasser รผber ihm zusammenschlagen. Am 30. November lรคdt das Projekt Lebendige Luppe zum nรคchsten Infoabend ein. Und diesmal will das Bundesamt fรผr Naturschutz erklรคren, wie toll es ist. Und trotzdem nicht konsequent.
Das Projekt Lebendige Luppe ist ganz sรผร: Mit einem enormen Aufwand versuchen die Akteure, einen kleinen Teil der nordwestlichen Aue wieder mit Wasser zu versorgen. Weite Teile der Leipziger Elsteraue sind seit 90 Jahren von natรผrlichen Wasserzuflรผssen und Hochwassern abgeschnitten. Der Zustand der Auenwรคlder ist nicht gut. Und hat sich auch durch die martialischen Deichbauwerke, die die Landestalsperrenverwaltung 2011 noch einmal verstรคrkt hat, nicht gebessert. Im Gegenteil.
Schon damals wirkte es wie ein Feigenblatt, dass gleich hinterm frisch verstรคrkten Deich in der Auwaldstation das Projekt โLebendige Luppeโ aus der Taufe gehoben wurde. Und alle wichtigen Leute, die da waren, sagten auch richtige Sรคtze.
Die klingen bis heute so: โAuenlandschaften haben in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Und das nicht nur, weil sie natรผrliche Zentren der Artenvielfalt sind. Sie erfรผllen auch wichtige gesamtgesellschaftliche Funktionen und Aufgaben, zum Beispiel durch die Luftreinhaltung und einen natรผrlichen Hochwasserschutz. Zum anderen profitiert der Mensch auch im persรถnlichen und kulturellen Bereich: beispielsweise, wenn er Erholung bei einem Spaziergang durch den Auwald findet oder er wichtige natรผrliche Zusammenhรคnge bei einem Umweltbildungsangebot im Freien erfรคhrt. Das Projekt Lebendige Luppe setzt sich mit seiner geplanten Flieรgewรคsserrevitalisierung aktiv fรผr die Entwicklung der hiesigen Auenflรคchen zwischen Leipzig und Schkeuditz ein.โ
Wenn Autoren schon zu Formeln greifen wie โaktiv fรผr etwas einsetzenโ, dann kann man sicher sein, dass sie sich innerlich winden, dass sie ganz genau wissen, dass die Aktivitรคt nicht ausreicht, dass sie der eigentlichen Aufgabe ausweichen.
รbrigens auch das Bundesamt fรผr Naturschutz, das bundesweit dutzende Projekte zur โBiologischen Vielfaltโ fรถrdert. Das Projekt โLebendige Luppeโ allein mit 6,7 Millionen Euro.
Und dann hat man diese Worte im Ohr:
โDie Leipziger Flussauenlandschaft mit der Weiรen Elster, der Pleiรe und Luppe stellt das โRรผckgratโ des stรคdtischen Grรผns in Leipzig darโ, sagte BfN-Prรคsidentin Prof. Beate Jessel anlรคsslich des Projektstarts in der Auwaldstation Lรผtzschena im Jahr 2012. โDer Wald dieser Auen ist wegen seiner Ausdehnung und Stadtnรคhe etwas nahezu Einmaliges. Die Revitalisierung dieser Auenlandschaft kommt nicht nur der Natur zugute, sondern schafft vor allem neue Erlebniswerte fรผr die Menschen, die hier leben.โ
Revitalisierung dieser Auenlandschaft?
Das wรผrde geradezu korrespondieren mit drei parallelen Fรถrderprojekten des BfN, wo man genau das macht: eine Auenlandschaft wirklich zu revitalisieren.
โAuenentwicklung und Auenverbund an der Unteren Mittelelbeโ ist dabei das grรถรte. Die โWilde Muldeโ gehรถrt dazu, ein Projekt, bei dem die Mulde von vielen steinernen Korsetten befreit wird, um als Fluss wieder frei atmen zu kรถnnen. Und โDas Aller-Projektโ gehรถrt dazu, bei dem Lebensrรคume wieder miteinander verbunden werden, damit der Lebensraum Fluss insgesamt wieder funktioniert.
Wovon in Leipzig keine Rede sein kann.
Und hรคtte Beate Jessel ihre Worte ernst gemeint, hรคtte das Projekt Lebendige Luppe anders aussehen mรผssen.
Und zur schlichten Wahrheit gehรถrt auch: Leipzig und die ebenfalls beteilige Stadt Schkeuditz hรคtten ein anderes Projekt bekommen kรถnnen, eins, das den Auwald im Nordwesten tatsรคchlich wieder von den alten Korsetten befreit, die Aue wieder dem Wasser รถffnet und den Hochwasserschutz dahin verlegt, wohin er gehรถrt: an den Rand der Aue, nicht mitten hinein.
Eine wirkliche Projektlรถsung, fรผr die auch das sรคchsische Umweltministerium offen war. Denn dort weiร man sehr genau, dass nur eine naturnahe Wiederherstellung der Norddwestaue die Probleme des Auwaldes wirklich lรถst, vor allem auch langfristig preiswerter ist.
Nennen wir das Wort, das hierher gehรถrt? โ Nachhaltiger.
Denn ob kรผnftige Generationen es sich รผberhaupt noch leisten kรถnnen, nach jedem Hochwasser fรผr Milliarden Euro die in Mitleidenschaft gezogenen Deiche zu reparieren, ist mehr als fraglich. Sie sind das Teuerste am ganzen sรคchsischen Hochwasserschutz, verschlingen 97 Prozent der Gelder und stehen beim nรคchsten Jahrhundert- oder Jahrtausend-Hochwasser wieder unter Druck, mรผssen mit enormem Aufwand โverteidigtโ werden. Was schlicht skurril ist, wenn man durch ihre Verteidigung verhindert, dass der Auwald dahinter nass wird.
Das gilt auch und gerade fรผr die Leipziger Nordwestaue, wo jetzt mit einem neuen kรผnstlich geschaffenen Zulauf die Bewรคsserung der Burgaue verbessert werden soll. Es ist nur eine Drainage und erfasst nicht einmal die komplette Burgaue. Und Hochwasser sollen auch nur sehr gesteuert aller drei bis fรผnf Jahre eingeleitet werden. Es sei denn, es kommt wieder eine Jahrhundertflut, dann muss eh wieder das Nahleauslasswerk aufgerissen werden und die Aue wird sturzartig geflutet.
Da kann es spannend werden, was Florian Mayer vom Fรถrdergeldgeber Bundesamt fรผr Naturschutz (BfN) am 30. November berichten kann รผber die gegenwรคrtige Situation und Zukunftsprognosen von Flieรgewรคssern und Auen aus Sicht des BfN, das mit seinem Bundesprogramm Biologische Vielfalt seit 2011 deutschlandweit irgendwie wegweisende Projekte unterstรผtzt.
Termin:
Der Infoabend beginnt am Mittwoch, 30. November, um 18 Uhr und ist kostenlos. Eine Anmeldung unter Tel. (0341) 86967550 oder info@lebendige-luppe.de ist erforderlich. Veranstaltungsort ist das Kontaktbรผro des Projekts Lebendige Luppe ( Michael-Kazmierczak-Str. 25 in Gohlis, Ladeneingang รผber Coppistraรe).
In eigener Sache: Fรผr freien Journalismus aus und in Leipzig suchen wir Freikรคufer
https://www.l-iz.de/bildung/medien/2016/11/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
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Der wesentliche Teil der Fรถrderung des BfN beschrรคnkt sich auf vermeintliche Bidungsarbeit. Schlimm genug, daร den Leipzigern die Funktion und (Be-)Sonderheit eines Auwaldes erklรคrt werden muร. Man fragt sich, was da in der Schule passiert (ist)?
Letztlich ist das Projekt aber nichts weiter als ein รko-Disneyland. Mit einem Aufand von vielen Millionen โฌ wird eine temporรคre Vernรคssung geringer Teile des nรถrdlichen Auwaldes unter Auรerachtlassung des eigentlichen Problems โ der Neuen Luppe โ betrieben.
Wird die Fรถrderung eingestellt (also der Teil der Fรถrderung, der tatsรคchlich in das Projekt und nicht in die โBildungโ gesteckt wird), versandet das Projekt hernach wieder โ buchstรคblich.
Das BfN weist Forderungen nach einer dauerhaften, also nachhaltigen Lรถsung, die es nur unter Einschluร der gesamten nรถrdlichen Aue incl. der Neuen Luppe und dem Nahle-Auslaรwehr geben kann, unter Verweis auf die gedeckelten Mittel vehement zurรผck.
Die Stadt Leipzig mit ihrem obersten Auwaldschรผtzer Rosenthal und der Fachfrau Zabojnik, deren vermeintlicher Widerstand gegen den Neubau des NAW im allgemeinen Wirbel um das WTNK irgendwie unentdeckt blieb, bedanken sich freudig und basteln an โihremโ Disneyland Lebendige Luppe weiter.
Lebendige Luppe โ das Feigenblatt, das den Unsinn WTNK in einem warmen Licht erscheinen lassen soll.